WM 2022: Trikot der DFB-Elf wurde aus Plastikmüll produziert
Das Trikot der DFB-Elf an der WM 2022 wurde aus Plastikmüll gefertigt. Doch woher stammt dieser?
Das Wichtigste in Kürze
- Adidas vermarktet das WM-Trikot der deutschen Nationalmannschaft als nachhaltig.
- Das Shirt verliert aber offenbar bei Waschgängen grosse Mengen Mikroplastik-Fasern.
- Eine Recherche zeigt, woher der Müll kommt und unter welchen Umständen er gesammelt wird.
Adidas brüstet sich mit seinem Kampf gegen den Plastikmüll. Als erster Sportartikelhersteller will das Unternehmen bis zum Jahr 2024 nahezu vollständig auf recyceltes Polyester umsteigen. Auch das Trikot der DFB-Elf für die WM 2022 sollte deshalb für Nachhaltigkeit stehen. Dies entschied Adidas bereits zwei Jahre vor dem Turnier in Katar.
Die «Performance Version» für 140 Euro wurde also mehr als ein schickes Stoff für den Fussballplatz. Neben einem QR-Code auf dem Trikot steht geschrieben: Dieses Trikot ist mit Ozeanplastik hergestellt. Adidas verkündete, dass das Garn für das Trikot zur Hälfte aus «Parley Ocean Plastic» bestehe.
Gemäss dem Konzern handelt es sich dabei um «recycelten Plastikmüll, der auf abgelegenen Inseln, an Stränden und in Küstenregionen gesammelt wird, um unsere Meere nicht zu verschmutzen.» Bei «Parley for the Oceans» («Verhandlung für die Ozeane» handelt es sich um eine Umweltorganisation mit dem Ziel, die Weltmeere zu retten. Vor sieben Jahre wurde eine Kooperation mit Adidas geschlossen.
Trikot verliert bei Waschgang Zehntausende Mikroplastik-Fasern
Alles umweltfreundlich, alles sauber – könnte man denken. Doch laut einer Recherche der Wochenzeitung «Die Zeit» und des Medien-Startups «Flip», das zu Nachhaltigkeit und Greenwashing recherchiert, ist das Trikot offenbar doch nicht ganz so nachhaltig wie vom Hersteller Adidas angegeben.
Beide Medien hatten zuvor Lieferketten des Materials recherchiert und Wissenschaftler der Universität Hamburg mit einer Untersuchung der Trikots beauftragt. Das Ergebnis: Bei den ersten fünf Waschgängen verliere der schwarz-weisse Dress im Schnitt 68'000 Mikroplastik-Fasern.
«Das ist wirklich beeindruckend schlecht», zitierte die «Zeit» die Leiterin der Forschungsgruppe Mikroplastik an der Uni Hamburg, Elke Fischer. «Diese Fasern landen mit dem Abwasser aus unseren Waschmaschinen in den Kläranlagen, die nicht in der Lage sind, das alles herauszufiltern. Damit geht es über die Flüsse direkt in unsere Meere.»
Adidas organisiert Plastikmüll aus Masse-Ländern
Gemäss internen Dokumenten, die der «Zeit» und «Flip» vorliegen, stammt ein Grossteil des Ozeanplastiks, das Adidas für seine Textilien verwendet auch nicht von Sammelaktionen, die «Parley for the Oceans» organisiert und überwacht. Der Anteil liegt demnach nur bei etwa 20 Prozent. Die restlichen 80 Prozent stammen laut der Recherche aus einer zweiten Lieferkette, die Adidas selbst organisiert. Laut dem Bericht werden sie in den Dokumenten als «Volume Countries» bezeichnet – also als Masse-Länder.
Adidas hat den Befund aus den Dokumenten gegenüber der «Zeit» bestätigt. Das Ozeanplastik für seine Textilien stamme aktuell neben den Malediven auch noch aus der Dominikanischen Republik, aus Thailand und von den Philippinen. «Die konkrete Zusammensetzung variiert produktionsbedingt», heisst es.
Adidas erwähnte auch, dass es unzutreffend sei, dass man die Öffentlichkeit nicht über die zweite Lieferkette informiere. Wie die Recherche weiter zeigt, weiss aber zumindest der Geschäftspartner von Adidas nicht Bescheid. Cyrill Gutsch, der Chef von «Parley for the Oceans», zeigt sich auf Nachfrage der «Zeit» überrascht.
Thailand und die Philippinen? «Das sind nicht die Informationen, die ich bekommen habe.» Laut dem Bericht zeigte sich der Umweltschützer ziemlich geschockt. In keinem der beiden Länder sammelt seine Organisation demnach Plastikmüll für die Textilherstellung. Der Grund: «Der informelle Sektor ist dort ein grosses Problem.»
Plastikmüllsammler auf den Philippinen
Die «Zeit» besuchte die Philippinen und Menschen, die dort auf eigene Faust den Plastikmüll sammeln. Die Zahl der Müllsammler könne nur geschätzt werden, so die Zeitung: «Sie geht sicher in die Zehntausende». Einige wenige seien sogenannte formelle Müllsammler, die unter guten Bedingungen arbeiten können – von den Behörden unterstützt.
Der Grossteil aber verrichte seine Arbeit unter erbärmlichen Umständen, heisst es. Es ist dieses Phänomen, das Cyrill Gutsch erwähnte, ein Phänomen, das es in vielen ärmeren Ländern gebe: der informelle Sektor. Laut Gutsch achte man bei «Parley for the Oceans» genau, dass der Müll unter besseren Bedingungen gesammelt werde.
Und bei Adidas? Auf den Philippinen hatte die «Zeit» mit einem Dutzend Menschen gesprochen, die hauptberuflich Flaschen sammeln für Junkshops, von denen die Flaschen wiederum an Zulieferer von Adidas verkauft würden. Keiner von ihnen sei auf die 12'000 philippinischen Pesos im Monat gekommen, umgerechnet etwa 200 Franken, die für eine fünfköpfige Familie als Armutsschwelle gelten.