Fussball-Talk: «Veiga küsst den FCB wach» – «Droht YB Luxusproblem?»
Im 5. Spiel startet auch der «neue» FCB seine Saison. YB siegt, bei GC brodelt es und die Nati steht vor zwei Pflichtaufgaben. Willkommen beim Fussball-Talk!
Das Wichtigste in Kürze
- YB feiert einen 1:0-Sieg im Tessin, Rieder-Ersatz Lukasz Lakomy trifft.
- Der FCB holt ein 0:2 im Klassiker gegen den FCZ auf, ein Neuzugang begeistert.
- Auf die Schweizer Nati warten die Quali-Spiele gegen Kosovo und Andorra.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Der Klassiker zwischen dem FCB und dem FCZ bietet viel Spektakel, Emotionen und ein 2:2. Wie fällt Eure Bilanz aus?
Mischi Wettstein: Die zweite Halbzeit meines Lieblingsspiels hat mich begeistert! Vor der Pause vergibt der FCB seine Megachance zur Führung slapstickartig, nach der Pause verpassen es Okita und Conceiçao, den Sack mit dem 3:0 für den FCZ zuzumachen. So endet es dann eben doch noch mit einem 2:2, das sich für den FC Basel wie ein Sieg anfühlt. Für den Leader sind es dafür zwei verlorene Punkte. Zuerst kommen sie wie die Jungfrau zum Kind zur Führung – doch wer die Entscheidung verpasst, wird eben bestraft.
Christoph Böhlen: Für mich trägt Bo Henriksen eine Teilschuld an dieser gefühlten FCZ-Niederlage. Der Trainer sollte sich im Griff haben, vor allem im Klassiker. Sein Platzverweis hat dem Team bestimmt nicht geholfen. Wie man die Szene vor dem 2:2 verteidigt, ist mir ein Rätsel. Statt sich mit Mann und Maus den Sieg zu sichern, lässt man sich (zu) einfach ausspielen. Hier hätte vielleicht die Physis von Mirlind Kryeziu oder Marc Hornschuh helfen können.
Nau.ch: Beim FCB stand fast ein komplett neues Team auf dem Platz. Wer ist Euch speziell aufgefallen?
Mischi Wettstein: Das ist die einfachste Frage: Am Schweizer Fussball-Himmel ist ein neuer Stern aufgegangen. Wie Renato Veiga in seinem ersten Spiel aufgetreten ist, war unglaublich. Er hat den FCB wachgeküsst, was für ein Spieler! Wenn er das Niveau halten kann, dann wird der FCB noch viel Freude haben und sein Stern wird noch heller leuchten.
Bei den restlichen Neuzugängen möchte ich nach einem Spiel noch kein Urteil fällen, aber die Abwehr hat mich noch nicht überzeugt, dafür kam der FCZ zu zu vielen Chancen. Und der Angriff muss sich auch noch besser kennenlernen und abstimmen. Ich bin gespannt auf die nächsten Auftritte des neuen FCB.
Christoph Böhlen: Veiga war wirklich beeindruckend – und zwar in beide Richtungen. Sein Auftritt war top, doch er könnte nach seinem Nachtreten gegen Afriyie je nach Schiri-Massstab auch vom Platz fliegen. Zudem verschuldet er in der Schlussphase beinahe das 1:3. Nicht falsch verstehen: Das scheint wirklich ein Top-Zuzug zu sein. Aber gut möglich, dass hier Genie und Wahnsinn recht nahe beieinander liegen.
Nau.ch: Ist der FCB nach diesem hektischen Transfersommer jetzt auf dem richtigen Weg?
Mischi Wettstein: Man sieht deutlich: Das ist eine ganz andere Mannschaft, Trainer Timo Schultz bieten sich völlig neue Möglichkeiten. Für mich hat der FCB mit dem Klassiker gegen den FCZ seine Saison neu gestartet.
Christoph Böhlen: Es ist vor allem mental wichtig, dass die Bebbi die Nati- und Cup-Pause nicht als Tabellenschlusslicht bestreiten. Timo Schultz hat jetzt Zeit, den zusammengewürfelten Haufen zu einem Team zu formen.
Denn was man auch gesehen hat: In der Offensive waren in der ersten Halbzeit mit Malone, Demir, Barry und Jovanovic vor allem «Einzelkämpfer» am Werk. So erklärt sich auch die Slapstick-Chance von Demir und Barry. Und auch die Abwehr ist nach wie vor wackelig, auch wenn Neuzugang Barisic einen guten Eindruck hinterlassen hat.
Nau.ch: Verlassen wir den Klassiker und wechseln zum Meister. YB steht in der Königsklasse und gewinnt am Sonntag in Genf. Wie habt ihr das Spiel gesehen?
Christoph Böhlen: Auswärtsspiele in Genf liegen YB nicht sonderlich, es war der erste Sieg dort seit fast zwei Jahren. Besonders nach der emotionalen Champions-League-Quali und dem Abgang von Fabian Rieder war ich gespannt auf den Auftritt. Der war über weite Strecken okay, man verpasste es aber, mit dem 2:0 für die Vorentscheidung zu suchen.
Mischi Wettstein: Ich habe nach zwei Minuten weggeschaltet. Nach dem 1:0 von Lakomy war ich nämlich bereits sicher, wie es ausgeht. Enttäuscht bin ich von Servette. Zwar haben die Genfer mit dem Sieg über Genk für ein internationales Ausrufezeichen gesorgt.
Aber sechs Punkte nach sechs Ligaspielen sind eine magere Bilanz – vor allem für einen Vizemeister. Mit sechs von 18 Punkten kann Trainer Réne Weiler nicht zufrieden sein, das ist unter seinen Erwartungen und auch unter denen der Fans.
Christoph Böhlen: Was ich zum Spiel in Genf noch loswerden will: Bei YB bahnt sich ein Luxusproblem zwischen den Pfosten an. Es wurde kommuniziert, dass David von Ballmoos nach seiner Rückkehr wieder die Nummer 1 sein wird. Diese rückt langsam näher – doch in meinen Augen kann man Anthony Racioppi aktuell unmöglich aus dem Kasten nehmen. Der 24-Jährige ist in einer beneidenswerten Form und ein starker Rückhalt in der YB-Defensive.
Mischi Wettstein: Für mich ist klar, «Dävu» wird wieder die Nummer 1! Mich überzeugte schon immer seine Ausstrahlung. Aus meiner Sicht sind die Karten, wenn er wieder topfit ist, klar verteilt.
Nau.ch: Blicken wir noch kurz auf den Samstag zurück: Bei den Grasshoppers scheint es zu brodeln?
Mischi Wettstein: Wenn es jetzt nicht brodelt, dann nie mehr! Nach dem blutleeren Auftritt gegen Ouchy, das Wort Leistung muss für die zweite Halbzeit gestrichen werden, muss es rumoren. Drei Niederlagen in Serie sind zu viel. Da muss man auch Verständnis haben, dass es Präsident Matt Jackson den Hut gelupft (wie Nau berichtete) hat.
Vielleicht müssen sich all die Contini-Kritiker aus der Vorsaison fragen, ob der Ex-Trainer wirklich so einen durchzogenen Job gemacht hat? Manchmal sieht man erst im Nachhinein, was man einst hatte…. Bruno Berner hat den Schlüssel zum Erfolg bisher noch nicht gefunden. Besonders variantenreich ist das GC-Spiel derzeit auch noch nicht.
Nau.ch: Was ist Euch sonst noch aufgefallen?
Mischi Wettstein: Zwei Sachen: Der nicht-gepfiffene Penalty von FCSG-Zanotti gegen Lausanne beim Stand von 0:0. Da kann ich nur ungläubig den Kopf schütteln und verstehe den Ärger der Waadtländer. Trainer Ludovic Magnin hat recht: Mit einem Penalty hätte das Spiel anders laufen können.
Und dann versuche ich immer noch den Freitag zu verdrängen: Das 0:2 von Aarau gegen Nyonnais war etwas vom Schlechtesten, was ich auf dem Brügglifeld jemals gesehen habe.
Christoph Böhlen: Für einmal geht meine Kritik ins Tessin. Trainer Mattia Croci-Torti hat sich gegen den FCL mit der Goalie-Auswahl vertan. Der junge Serif Berbic (21) war den Luganesi kein grosser Rückhalt, im Gegenteil. Bei zwei Toren sieht der Goalie nicht gut aus – und das ausgerechnet gegen Jugendclub Luzern. Die 2:3-Niederlage wäre aus Lugano-Sicht wohl zu verhindern gewesen.
Nau.ch: Heute besammelt sich die Nati vor den beiden Quali-Spielen gegen Kosovo und Andorra. Eine Formsache?
Christoph Böhlen: Das Spiel vom Samstag in Pristina wird bestimmt kein Selbstläufer. Will man sich aber den Gruppensieg holen, sind zwei Siege alternativlos. Ich bin gespannt, wie sich die Mannschaft nach den beiden «Chnorz»-Auftritten gegen Rumänien (2:2) und Andorra (2:1) im Juni präsentieren wird. Schade, muss Nati-Neuling Filip Ugrinic verletzt absagen, auf sein Debüt hätte ich mich sehr gefreut.
Mischi Wettstein: Ich erwarte ohne Wenn und Aber sechs Punkte, auch wenn im Kosovo-Team mehrere bekannte Gesichter wie Edon Zhegrova oder Betim Fazliji auflaufen werden. Muris Team wird beide Spiele für sich entscheiden.
Der Fussball-Talk verabschiedet sich für einmal auch in eine Nati-Pause und meldet sich in zwei Wochen wieder.