GC: Ex-Star Mikari über die Corona-Odysee seiner 74-jährigen Mutter
Yassin Mikari, der seine Fussballschuhe unter anderem für GC, Luzern und Schaffhausen schnürte, erzählt, wie seine Mama (74) in Kenia den Corona-Horror erlebte.
Das Wichtigste in Kürze
- Mikari beendete 2019 im Alter von 36 Jahren seine Fussballkarriere.
- Seine Mutter Verena (74) setzt sich für hilfsbedürftige Menschen in Kenia ein.
- Im afrikanischen Land erlebte sie während der Coronakrise eine schwierige Zeit.
Yassin Mikari ist tunesisch-schweizerischer Doppelbürger. Der Ex-Star von GC und Luzern ist heute Junioren-Trainer bei Rapperswil-Jona.
Mutter Verena ist 74-jährig und kommt aus Uri. Seit 2009 reist sie regelmässig nach Kenia. Mikari erzählt, wie sie im afrikanischen Land eine Corona-Odysee durchlebte.
Mikaris Mutter bereist Kenia seit Jahren
Meine Mutter unterstützt die Leute in Kenia vor Ort. Manchmal finanziell und manchmal mit Materialien wie Schulbücher und Kleider. Eine gute Freundin von ihr stammt aus Kenia und deshalb bereist sie das Land seit Jahren.
Ende Januar fliegt sie wieder mit Turkish Airline nach Mombasa. Geplant ist eine Rückkehr Ende März. Im Nachbardorf Mtwapa hat sie seit drei Jahren eine Wohnung gemietet.
Dort lebt sie während den rund zwei Monaten. In diesem internationalen Haus wohnen viele Europäer.
Regierung verkündet den Lockdown
Als die Coronakrise bei uns ausbricht, rufe ich sie an und erkläre ihr die Lage. Zu diesem Zeitpunkt hat sie von der Pandemie noch wenig mitbekommen. Es vergehen nach dem Anruf einige Tage, bis die Hauptstadt Nairobi den ersten Corona-Patienten bestätigt.
Dann geht alles ziemlich schnell. Am Tag darauf verkündet die Regierung den Lockdown. Alle Geschäfte werden dicht gemacht – ausser die Lebensmittelläden. Das Militär belagert die ganze Stadt.
Wenig später werden auch Mombasa und Mtwapa abgeriegelt. Meine Mama kann das Dorf nicht mehr verlassen. Soldaten bewachen alle Ein- und Ausgänge. Die Leute dürfen nur noch Essen einkaufen gehen.
EDA eingeschaltet
Ich setze mich mit Jeannette Hafner von der Reisevermittlung in Verbindung. Sie hilft mir und meiner Mutter in dieser ungewissen Zeit viel. Wir buchen einen neuen Flug Anfang April direkt in die Schweiz. Dieser wird kurzfristig storniert, weil Kenia alle Flughäfen abriegelt.
Anschliessend kontaktiere ich das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Schliesslich melde ich mich mit meinem Anliegen bei der Schweizer Botschaft in Kenia. Man teilt mir mit, dass eine Möglichkeit besteht, am 10. April mit Qatar Airways die Rückreise anzutreten.
Doch auch daraus wird nichts. Nach langem Hin und Her muss ich erfahren, dass sich Kenia bis Ende Mai komplett abschottet. Was für ein Schock!
Preis spielt keine Rolle
Das EDA teilt mir aber mit, dass genau ein einziger Flug von Kenia nach Frankfurt mit Ethiopian Airlines organisiert wird. Da aber viele Europäer diese Verbindung nutzen wollen, müsse schnell eine Buchung vorgenommen werden.
Gesagt, getan. Der Preis spielt dabei keine Rolle. Den Anschluss Frankfurt - Zürich buche ich ebenfalls.
Tags darauf folgt die nächste Hiobsbotschaft. Der Flug, der meine Mama nach Frankfurt bringen sollte, startet in Nairobi. Sieben Autostunden von Mombasa entfernt. Horror!
Auf einem Polizeiposten konnte sie ihr Reiseformular und das Flugticket ausdrucken lassen. Ein Beamter bringt sie auf einem Motorrad – beide mit Masken ausgestattet – zu ihrer Unterkunft.
Fiebermessen bei der Polizeistation
Am nächsten Tag beginnt die anstrengende Rückreise. Von Mombasa nach Nairobi hält der Transport beinahe in jedem grösseren Ort. Nicht etwa um neue Personen mitzunehmen, sondern um bei den Polizeistation Fieber zu messen!
Dutzendfach müssen meine Mutter und die anderen Reisenden ihre Ausweise zeigen. Die Fahrt, die auch ohne Zwischenstopps sieben Stunde gedauert hätte, zieht sich ins Unendliche. Und all diese Strapazen muss eine 74-Jährige auf sich nehmen.
Angekommen in Nairobi erhält sie Hilfe von einer lieben Schweizer Botschafterin. Am nächsten Tag heisst es: Ja, der Flieger kann starten!
Aber anstatt direkt Frankfurt anzupeilen, landet das Flugzeug auch noch in Äthiopien. Ankommen, aussteigen, Kontrolle, Desinfektion, einsteigen, abheben.
Landung in Frankfurt
Dann kommt meine Mama endlich in Frankfurt an und muss nur drei Stunden auf den Flug nach Zürich warten. Auf Anraten des EDA habe ich glücklicherweise nicht den direkten Anschlussflug gebucht.
Zurück in der Schweiz wird sie am Zoll in Zürich angehalten. Und als wäre die ganze Reise nicht schon Schikane genug gewesen, nimmt man dort noch ihr ganzes Gepäck auseinander. Kenianische Spezialitäten, die sie gerne noch gegessen hätte, werden wortlos weggeworfen.
Als sie am 27. April endlich daheim ankommt, begibt sie sich direkt in häusliche Quarantäne. Ich habe sie seitdem nicht zu sehen bekommen.
Anlässlich des Muttertags habe ich sie angerufen und gesagt: «Mama, komm doch am Sonntag zu uns!» Ihre Stimme war ganz zittrig vor Freude über das baldige Wiedersehen.
Wir sind unendlich froh, dass die ganze Geschichte doch noch ein Happy End gefunden hat.