Hakan Yakin: «Die Spieler und ich wollten weiterspielen»

Der türkische Fussball erlebt turbulente Zeiten – und Hakan Yakin steckt mittendrin. Als Trainer von Istanbulspor erlebt der Schweizer einen Eklat aus nächster Nähe mit: Sein Club-Präsident schickt beim Spiel gegen Trabzonspor die Mannschaft eine Viertelstunde vor Schluss in die Kabinen.

Was war passiert? Ecmel Sarialioglu stört sich an einer Schiedsrichter-Entscheidung, sorgt für den Spielabbruch. Es ist bereits der zweite Eklat innert weniger Tage. Erst rund eine Woche zuvor war Schiesdrichter Halil Umut Meler auf dem Platz verprügelt worden.

Gegenüber Nau.ch spricht Hakan Yakin nun über die wilden Szenen in der türkischen Liga – und wie es weitergeht.

Nau.ch: Ist in der türkischen Liga gerade der Wilde Westen ausgebrochen?

Hakan Yakin: Andere Liga, andere Sitten (lacht).

Nau.ch: Was ist genau passiert?

Hakan Yakin: Es ist eine lange Geschichte – wir sind schon ein paar Mal von den Unparteiischen ein wenig benachteiligt worden. Ich hatte auch schon mit dem Präsidenten eine Sitzung, dass er das nicht mehr lange dulden werde. Es waren ein paar Situationen, in denen wirklich gegen uns entschieden wurde.

Wir hatten genau so eine Situation vor ein paar Wochen schon einmal: Den Gegner gefoult, aus dem Konter ein Tor gemacht, und der VAR hat die Situation zurückgepfiffen. Gestern ist das Gleiche wieder passiert: Unser Spieler wird im Sechzehner gefoult, aus dem Konter kassieren wir das 1:2. Dann dauert es sechs, sieben Minuten, und am Schluss gibt der Schiri das Tor.

Nau.ch: Wie ist das in der Türkei mit dem VAR?

Hakan Yakin: Der war die letzten Spiele einfach nicht für uns. Ich bin nach der Partie zum Schiedsrichter gegangen und habe ihm gesagt, er möge sich die Bilder ansehen. Er meinte, der VAR müsste ihm klarer sagen, dass er sich Szenen auf dem Bildschirm anschauen soll. Ich habe nicht verstanden, warum der Schiedsrichter in so einer heiklen Situation nicht geht.

Nau.ch: Wer hat dann entschieden, das Spiel abzubrechen? Hat der Präsident gewunken und den Spielern gesagt, sie sollen vom Platz kommen?

Hakan Yakin: Ich habe einen Wind im Rücken gespürt, der Präsident kam zu mir und sagte: «Komm, zieh die Mannschaft ab.» Ich habe gesagt, dass wir das nicht machen können. Der Captain soll zum Schiedsrichter gehen und sagen, wir spielen unter Protest.

Aber der Präsident hat gesagt: «Alle raus, wir spielen nicht weiter – ich mag nicht mehr.» Wir haben versucht, ihn umzustimmen, aber er war voll entschlossen, das Spiel abzubrechen.

Nau.ch: Wird das jetzt zum Bumerang? Nutzen kann euch das ja nicht.

Hakan Yakin: Nein, es nützt gar nichts. Es ist das Gleiche wie letzte Woche in Ankara (der Prügel-Angriff auf einen Schiedsrichter, Anm.). Der türkische Fussball leidet nur unter solchen Situationen.

Vielleicht ist man dort nicht konsequent gewesen und hat die Mannschaft zu wenig bestraft. Das ist vielleicht jetzt der Bumerang, dass jeder das Gefühl hat, er kann gewisse Entscheidungen für seine Mannschaft treffen. Das ist schade – es hilft dem türkischen Fussball nicht, dass man in solche Situationen kommt.

Nau.ch: Mit welchen Sanktionen rechnet ihr? Eine Strafe gibt es sicher, wenn man die Mannschaft vom Platz holt.

Hakan Yakin: Zum Vergleich: Der Präsident von Ankaragücü haut den Schiedsrichter um und bekommt dafür eine Geldstrafe. Und sie müssen fünf Spiele ohne Zuschauer spielen – das finde ich sehr milde. Das haben die Präsidenten natürlich mitbekommen.

Es gibt, glaube ich, einen Abzug von drei Punkten, wenn man die Mannschaft vom Feld holt. Ob die Funktionäre oder der Trainer einen Schaden davon haben, weiss ich nicht. Das bekomme ich jetzt sicher noch mit.

Nau.ch: Also hättest du lieber weitergespielt?

Hakan Yakin: Als Trainer bist du in so einer Situation machtlos, wenn der Präsident kommt. Ich hätte lieber weitergespielt – auch die Spieler. Wir hätten weitergespielt und dann Rekurs eingelegt. Ich war noch nie in so einer Situation, dass man nach 75 Minuten ein Spiel abbricht ohne triftigen Grund.

Nau.ch: Wie haben die Leute reagiert?

Hakan Yakin: Die Spieler waren genauso fassungslos wie ich. Sie sind zu mir gekommen und wollten weiterspielen. Wir hätten weiterspielen können, vielleicht wäre es noch gut ausgegangen. Wir waren wirklich gut im Spiel.

Rundherum habe ich aber nichts Negatives gehört. In der Türkei sind solche Situationen vielleicht üblich, ich weiss es nicht. Viele haben auch gesagt, dass es vielleicht so sein musste.

Nau.ch: Muss man jetzt abwarten, was passiert, oder geht es normal weiter?

Hakan Yakin: Der Präsident wird heute eine Pressekonferenz abhalten und die ganze Situation betrachten. Für den Spielabbruch gibt es sicher einen Forfait. Die nächste Runde ist am Samstag, dann geht es weiter.

Nau.ch: Wird über Weihnachten durchgespielt?

Hakan Yakin: Wir spielen dann am 7. Januar wieder weiter, haben nach dem Spiel am Samstag also ein paar Tage Pause. Nur das Wochenende zu Silvester haben wir dann frei. Über die Feiertage fliege ich kurz zur Familie heim – das ist ein Muss.