Fussball-Talk: «Wagner bei YB gescheitert, Kübel geht nach Zürich»
Jetzt kann YB auch zuhause nicht mehr gewinnen! Der FCZ profitiert vom Berner Ausrutscher – und der FCB schliesst wieder auf. Hier kommt der Fussball-Talk.
Das Wichtigste in Kürze
- YB patzt schon wieder, spielt zuhause gegen Luzern nur 2:2.
- Der FCZ gewinnt in Lausanne unspektakulär mit 2:0, ist jetzt 15 Punkte voraus.
- Guillermo Abascal feiert seinen ersten Sieg als Trainer beim FC Basel.
- Der Stv. Nau.ch-Sportchef Böhlen und Fussball-Chefreporter Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Nach der Auswärts-Misere patzt Noch-Meister YB jetzt auch zuhause, kommt gegen den FCL nicht über ein 2:2 hinaus. Euer Fazit?
Mischi Wettstein: Zuerst möchte ich festhalten, dass YB-Trainer David Wagner ein absolut netter und hochanständiger Typ ist. Das bestätigen auch alle im Umfeld der Berner. Aber «nett» holt zu wenig Punkte! Der Meisterzug ist definitiv abgefahren – und er wird immer der Wagner sein, der den fünften Titel in Serie vermasselt hat. Mein Fazit: Wagner ist gescheitert!
Christoph Böhlen: Ich war am Samstag im Stadion und mir fiel auf, dass Souveränität und Überzeugung fast komplett weg sind. Das Berner Selbstverständnis, dass YB in den letzten Jahren stark gemacht hat, fehlt. Zwar ist die zweite Halbzeit die wohl beste in diesem Jahr – doch vor dem Tor ist Gelb-Schwarz zu harmlos. Und in der Defensive aktuell immer für ein Gegentor gut.
Nau.ch: Aber David Wagner hatte es in dieser Saison auch nicht leicht, YB hatte viele Verletzte!
Mischi Wettstein: Die Liste der Verletzten kann nicht ewig als Ausrede gelten. Das Lazarett hat sich in den letzten Wochen wieder gelichtet, viele wichtige Spieler sind zurück. Aber das Team ist spätestens seit den späten Remis gegen den FCSG und GC verunsichert, das 2:2 im Heimspiel vom Samstag ist wohl die Bestätigung.
Christoph Böhlen: Der Blick auf die Zahlen ist eindeutig: In der letzten Saison hat YB nach 25 Spielen zehn Punkte mehr auf dem Konto und elf Tore weniger kassiert. Nur in der Offensive ist man besser, hat 13 Treffer mehr als in der Vorsaison. Allerdings fallen hier vor allem die Kantersiege gegen Lausanne (6:1), Servette (6:0) und Lugano (5:0) ins Gewicht.
Nau.ch: Würdet Ihr an der Stelle von Sportchef Christoph Spycher also umgehend handeln?
Mischi Wettstein: Wenige glauben noch, dass Wagner der Richtige ist. Welcher Spieler hört seinem Chef noch zu, wenn dieser die Meisterschaft vermasselt hat? Wenn man weiss, dass etwas gescheitert ist, muss man es nicht künstlich am Leben erhalten. Auf dem Papier ist dieses Team stark genug, dass es auch ohne Cheftrainer Wagner Platz zwei erreichen kann.
Christoph Böhlen: Hier würde ich auf die Bremse treten. Einen neuen und besseren Trainer muss man erst einmal finden. Zudem ist es die erste Krise in der sonst so erfolgreichen Amtszeit von Christoph Spycher. Aktionismus bringt hier nicht viel – aber ein Wechsel im Sommer scheint nicht undenkbar.
Nau.ch: Vom YB-Punkverlust profitiert einmal mehr der FCZ. Darf man jetzt, bei 15 Punkten Vorsprung, endlich gratulieren?
Mischi Wettstein: Wer einmal in der Schule war, hat dort rechnen gelernt. Der FCZ müsste in den letzten elf Runden noch fünfmal verlieren – hat sich aber bisher erst zwei Niederlagen in dieser Saison eingehandelt. Da muss mir jemand erklären, wie das gehen soll. Aber sagen wir es so: Man soll nicht schon vom Hirschpfeffer sprechen, bevor man das Tier geschossen hat. Doch es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn die Meisterfeier auf dem Helvetiaplatz noch platzen würde – und das wird auch nicht passieren!
Christoph Böhlen: Der FCZ reitet auf einer absoluten Erfolgswelle. Die Zürcher müssen nicht einmal gut spielen – sie holen einfach ihre Punkte. Das war bei YB in den letzten Jahren auch so – und auch der FCB hat in seiner Blütezeit nicht Gala an Gala gereiht. Der Kübel geht nach Zürich, das ist klar.
Mischi Wettstein: Genau das ist der springende Punkt: Der FCZ hat eine unglaubliche Serie von 17 Spielen ohne Niederlage hingelegt. Das Team von Trainer André Breitenreiter serviert nicht immer ein Gourmetmenü, aber lässt fast keine Punkte liegen. Das ist der grosse Unterschied zu YB und Basel.
Nau.ch: Dann blicken wir doch nach Basel. Guillermo Abascal hat beim 2:0 in Lugano seinen ersten Sieg als Trainer beim FCB gefeiert. Ist das der grosse Befreiungsschlag?
Mischi Wettstein: Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling. So gut war der Auftritt der Basler im Tessin nicht, vor allem die zweite Halbzeit war keine Offenbarung. Vielmehr hat Lugano-Coach Mattia Croci-Torti das Spiel vercoacht. Er stellt sein System um, setzt auf eine Formation mit der er gegen YB vor der Winterpause mit 0:5 untergeht. Das ist das falsche Rezept – das Resultat hat immer recht!
Christoph Böhlen: Ich habe mich bei der FCB-Aufstellung gefragt, ob man am Rheinknie die Club-Philosophie wieder umgestellt hat? Abascal hat in erster Linie auf die Routiniers um Stocker, Xhaka und Kasami gesetzt. Lopez brachte er nur für Lang, weil dieser sich beim Aufwärmen verletzte. Aber mit Palacios, Esposito, Pavlovic, Males, Tavares und Fernandes mussten viele hochgelobte Talente auf der Bank Platz nehmen. Ob das Club-Boss David Degen gefällt?
Nau.ch: Was ist euch sonst noch aufgefallen?
Mischi Wettstein: Ich war am Sonntag im Letzigrund beim 4:2-Sieg von Servette gegen GC. Und ich sage: Die Hoppers sind gut beraten, am nächsten Sonntag in Luzern zu punkten! Vor der Nati-Pause trifft man noch auf Basel – der FCL könnte GC dann schon unangenehm auf die Pelle rücken. Im dümmsten Fall sind es danach für die Hoppers nicht mehr acht, sondern zwei Punkte Vorsprung auf den Barrageplatz.
Christoph Böhlen: Der Führungstreffer des FCSG gegen Sion entsteht nach einem Corner, der ganz klar keiner war. Doch der VAR darf in dieser Szene nicht eingreifen und den Schiri unterstützen. Ich frage mich halt immer wieder: Wofür gibt es den VAR denn überhaupt, wenn man ihn nicht nach Bedarf einsetzen kann? Immerhin: Die Walliser holen dank einem Tor von Stojilkovic doch noch einen verdienten Punkt.