Fabienne Schlumpf: Von ganz unten zu EM-Rang 9
Normalerweise wäre der 9. EM-Rang im Marathon für Fabienne Schlumpf kein zufriedenstellendes Resultat. Sie hat jedoch alles andere als eine normale Zeit hinter sich.
An den Olympischen Spielen vor einem Jahr in Tokio beendete Fabienne Schlumpf den Marathon als drittbeste Europäerin auf dem 12. Platz, dies notabene bei ihrem zweiten Rennen überhaupt über die 42,195 km. Beim Debüt hatte sie mit 2:26:16 Stunden den aktuellen Schweizer Rekord aufgestellt. Im vergangenen September lief sie noch den Marathon in Wien (2:26:31).
Kurz vor Weihnachten erhielt sie dann allerdings die Diagnose Herzmuskelentzündung, worauf sie während drei Monaten praktisch zum Nichtstun verdammt war. Zu Beginn durfte sie gar nichts machen, irgendwann waren dann 20-minütige Spaziergänge möglich, dann etwas längere sowie Dehn- und Stabilisationsübungen, was selbstredend nichts ist für einen Bewegungsmenschen wie Schlumpf.
Gewisse Tage seien von Morgen bis Abend schwarz gewesen, blickt die 31-jährige Zürcher Oberländerin zurück. «Ich versuchte jedoch, meiner psychischen Gesundheit Sorge zu tragen, positiv zu bleiben und mich an noch so kleinen Fortschritten zu erfreuen.» Anfang April durfte sie dann endlich wieder die Laufschuhe schnüren. Ihre erste Einheit bestand aus 15 Mal eine Minute laufen, eine Minute gehen. Sie musste also definitiv ganz von vorne beginnen.
Auch wenn sie damals die Chancen, an der EM zu starten, auf ein Prozent bezifferte, war München ihr grosses Ziel. Nun war Schlumpf nicht nur dabei, sondern hielt bis Kilometer 37 mit den Besten mit. Danach war der Tank leer. Sie beendete das Rennen nach 2:30:17 Stunden als Neunte mit einem Rückstand von 1:41 Minuten auf die polnische Siegerin Aleksandra Lisowska. «Ich holte bis zum Schluss alles aus mir heraus, mehr war heute nicht möglich. Ich glaube, ich kann sehr stolz sein auf den 9. Rang», bilanziert Schlumpf.
Kurz vor dem Einbruch hatte sie noch aufs Tempo gedrückt. War der leere Tank der schwierigen Vorbereitung geschuldet? «Das ist schwierig zu sagen», suchte Schlumpf nicht nach Ausreden. Zuletzt sei das Training sehr gut gelaufen. «Auch mit einer perfekten Vorbereitung besteht das Risiko, dass der Tank nach 37 km leer ist.» Zuvor hatte sie sich «sehr lange gut gefühlt», wobei sie ein Ausscheidungsrennen erwartet hatte. Keine Probleme bereiteten ihr die hohen Temperaturen. «Die Bedingungen waren besser als erwartet.»
Vor dem Marathon war Schlumpf «nervöser als auch schon, da es aufgrund der anderen Vorbereitung als sonst ein paar unbekannte Faktoren für mich gab. Nichtsdestotrotz freute ich mich riesig.» Spürte sie nach der Wiederaufnahme des Trainings noch eine Unsicherheit, ist mittlerweile «die ganze Krankheitsgeschichte im Kopf abgeschlossen. Sie spielt für mich keine Rolle mehr.» Vielmehr ging sie mit dem Gefühl von Dankbarkeit ins Rennen, «das half mir.»
Nächstes Jahr steht zwar in Budapest eine WM auf dem Programm, diese ist für Schlumpf jedoch kein Thema. Stattdessen plant sie, an zwei Städtemarathons teilzunehmen, an denen sie ihre Bestzeit nach unten drücken möchte. 2024 sind dann die Olympischen Spiele in Paris das grosse Ziel.