Der Reiz des Formel-1-Comebacks: Jetzt auch Altstar Alonso
Niki Lauda tat es. Nigel Mansell tat es. Michael Schumacher auch. Und nun tut es Fernando Alonso. Er wird sein Formel-1-Comeback geben. Was treibt Altstars zur Rückkehr? Und können sie es sich und der Konkurrenz noch einmal beweisen?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Szenen mit Nigel Mansell hatten etwas Entwürdigendes.
Der Formel-1-Weltmeister von 1992 musste sich bei seinem Comebackversuch für McLaren in ein für ihn zu enges Cockpit zwängen.
«Ich schlage ständig mit meinen Ellbogen und Armen an, so kann ich nicht fahren», klagte Mansell Anfang 1995 bei Tests in Estoril. Dass der ohnehin stämmige Brite über die Jahre noch ein bisschen stämmiger geworden war, spielte den Team-Bossen zufolge bei den Platzproblemen damals natürlich keine Rolle.
«Als das Auto gebaut wurde, mussten wir davon ausgehen, dass Mansell bei Williams bleibt, und wir wollten David Coulthard verpflichten. Nachdem zu Saisonbeginn festgestellt wurde, dass das Cockpit für Nigel zu eng ist, wurde in einem Monat ein neues Monocoque gebaut», erzählte Norbert Haug, der als Mercedes-Motorsportchef damals McLaren mit Motoren versorgte.
Nach nur zwei Grand-Prix-Einsätzen war für Mansell der peinliche Kurzauftritt schon wieder beendet. Und das, obwohl der «Löwe», wie er von seinen Fans genannt wurde, bei seinem Hilfseinsatz für Williams 1994 nach dem Tod von Ayrton Senna sogar noch das Saisonfinale in Australien gewonnen hatte.
Platzprobleme dürften Fernando Alonso erspart bleiben, wenn er 2021 in die Formel 1 zurückkehrt. Der Weltmeister von 2005 und 2006 wird nochmals für seinen früheren Rennstall Renault starten - mit dann 39 Jahren. Was treibt einen Altstar wie ihn zurück in die Königsklasse des Motorsports? Und hat es einer wie er immer noch drauf?
«Wir haben vor 15 Tagen ein paar Fitnesstests gemacht, und ich hatte die besten Ergebnisse überhaupt in meiner Karriere», behauptete Alonso, nachdem seine Rückkehr besiegelt war. An seiner Fitness dürften ohnehin keine Zweifel aufkommen. Der Spanier war seit seinem Formel-1-Ausstieg bei McLaren Ende 2018 stets professionell auf vier Rädern unterwegs: auf der Langstrecke in Le Mans und Indianapolis, zudem beim Offroad-Abenteuer Rallye Dakar.
An der nötigen Motivation mangelt es dem gnadenlosen PS-Könner offenbar auch nicht. Alonso ist fest davon überzeugt, dass er noch den Speed für die Formel 1 hat. «Die Stoppuhr ist das Einzige, was zählt, nicht das Alter», betonte er.
Im Alter leidet oft die Reaktionsschnelligkeit, das können Spitzenfahrer aber bis zu einem bestimmten Mass mit Routine wettmachen. Arbeit in den Bereichen Koordination und Geschicklichkeit ist besonders wichtig.
«Die Formel 1 ist kein Zehnkampf, sie ist ein Tausendkampf», sagte Haug einmal, der auch noch bei Michael Schumachers Mercedes-Comeback 2010 Motorsportchef war. In der Formel 1 zähle «nicht nur Jugend und Kraft wie beim 100-Meter-Sprint, sondern Erfahrung, Cleverness, Ausdauer, technischer Durchblick, Rennwitz».
All das hatte auch Schumacher, der sich Ende 2006 bei Ferrari eigentlich aus der Motorsportkönigsklasse verabschiedet hatte. Vor seinem Sensationscomeback mit 41 Jahren war der Rekordweltmeister mit sich in Klausur gegangen. «Ich habe mir wirklich alles sehr gründlich überlegt», sagte der Kerpener damals der «Bild»-Zeitung. «Bin ich nur spontan high von dieser Idee oder hält meine Begeisterung langfristig an? Und ich bin jetzt schon über einen langen Zeitraum sehr heiss.»
Schumacher war auch im besten Sinne sportlich. Denn er ging das Risiko ein, sein Denkmal als Formel-1-Rekordchampion zu ramponieren. Ein Wagnis. Andere Weltmeister setzten sich solch einem Abenteuer nicht mehr aus, wie zum Beispiel Jackie Stewart, der nach seinem dritten WM-Titel 1973 genug hatte.
An eine Ära wie vor seinem ersten Rücktritt, konnte Schumacher nicht mehr anknüpfen. Mehr als ein Podium 2012 in Valencia war für ihn nicht drin, ehe er Ende 2012 endgültig Goodbye sagte. Dafür war Mercedes damals auch zu weit von der Spitze entfernt. Von Schumachers Entwicklungsarbeit haben die Silberpfeile aber nachhaltig profitiert: Seit 2014 sind sie Serienmeister in der Königsklasse.
Es sind auch Begleitumstände, die Ausnahmekönnern eine Rückkehr schmackhaft machen. Alonso fährt zum dritten Mal für Renault, mit dem er seine grössten Formel-1-Triumphe feierte. Die Franzosen seien seine «Familie», meinte der Asturier. Bei Schumacher, der immer für seine ausserordentlich Physis und Professionalität bekannt war, waren es ehemalige Weggefährten wie der damalige Teamchef Ross Brawn, mit dem er alle seine WM-Titel gefeiert hatte. Zudem hatte Mercedes dem Deutschen den Weg in die grosse Rennwelt geebnet.
Schumacher musste sich damals auf eine neue Formel 1 einstellen. Als er aufgehört hatte, gab es noch Tankstopps. Gerade auf das Neue spekuliert Alonso, wenn 2022 die wegen der Corona-Krise aufgeschobene Regelrevolution greift. «Er hat fast kein Interesse an 2021», räumte Renault-Teamchef Cyril Abiteboul ein.
Natürlich wolle Alonso dafür sorgen, dass der französische Werksrennstall 2021 wettbewerbsfähig sei. «Für ihn dreht sich aber alles um 2022.» Unter dem neuen Regelwerk sollen die Boliden schwerer und etwas langsamer werden, auch die Aerodynamik wird verändert. Auf diese Weise wollen die Regelhüter der Formel 1 für mehr Überholvorgänge sorgen.
Alonso will sich dann natürlich nicht mit einer Statistenrolle zufrieden geben. Einigen seiner Konkurrenten gibt das Comeback aber ein wohliges Gefühl. «Die jungen Leute sind gut, aber die sorgen dafür, dass ich mich alt fühle», meinte Daniel Ricciardo lachend, dessen Platz Alonso künftig einnimmt. «Deshalb ist es besser für mich, noch einen anderen alten Fahrer im Feld zu haben.»