Ferrari: Nach dem Steiermark-Debakel bahnt sich ein Köpferollen an

Mathias Kainz
Mathias Kainz

Italien,

Im Qualifying nur Zehnter und Elfter, im Rennen nach einem Teamcrash draussen: Der Steiermark-GP wird für Ferrari zum Debakel. Nun drohen Konsequenzen.

Scuderia Ferrari Mattia Binotto
Mattia Binotto, Teamchef von Ferrari. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ferrari schlittert beim Grossen Preis der Steiermark am Sonntag in ein Debakel.
  • Beide Autos starten aus dem Mittelfeld, scheiden nach einer Startkollision aus.
  • Nun bahnt sich in Maranello ein Führungswechsel an – notgedrungen.

Wenn ein Auto der Scuderia Ferrari einen GP gewinnt, dann herrscht in Maranello Feierlaune. Zu Zeiten von Michael Schumacher läuteten sogar die Kirchenglocken des 18'000-Einwohner-Städtchens. Zur Blütezeit des Rekordweltmeisters hiess das, sie läuteten fast jeden Sonntag.

Am heutigen Montag sind über den Häusern von Maranello wohl eher die Trompeten von Jericho zu hören. Denn das Debakel, das die Scuderia beim Steiermark-GP am Wochenende erlebte, sucht in der Teamgeschichte seinesgleichen. Im Qualifying nur Zehnter und Elfter, im Rennen das frühe Aus nach einer Teamkollision – eine Schmach.

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Charles Leclerc räumt Sebastian Vettel beim Grossen Preis der Steiermark ab. - Twitter @Formula 1

Teamchef Mattia Binotto nannte die Pleite «eines Teams, das den Namen Ferrari trägt, unwürdig». Sebastian Vettel hatte Spielberg, den Ort des Geschehens, noch vor Rennende verlassen. Die übliche Medienkonferenz nach dem Rennen wurde kurzerhand abgesagt. Ferrari trat gesenkten Hauptes den Sühnegang in Richtung Maranello an.

Charles Leclercs zweiter Platz zum Saisonauftakt kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie es um die Scuderia steht. Nach zwei Rennen steht Ferrari bei mageren 19 Punkten und auf Platz fünf in der WM-Tabelle. In einer Saison, die nach aktuellem Stand nur zehn Rennen umfasst, ein kleines Debakel. Viel Zeit, um den Fehlstart noch zu korrigieren, bleibt ohnehin nicht.

Illegaler Motor, katastrophales Auto

Schon am Sonntag steht der dritte Saisonlauf – diesmal nicht in Österreich, sondern in Ungarn – auf dem Programm. Das gross angekündigte Update-Paket, mit dem Ferrari aufholen wollte, war zum Teil schon beim Steiermark-GP im Einsatz. Dass es im Qualifying (zugegeben, im Nassen) sogar noch rückwärts ging, lässt wenig Gutes erahnen.

Charles Leclerc Ferrari Steiermark
Charles Leclerc (Ferrari) im Qualifying zum Grand Prix der Steiermark. - keystone

Der Stuhl von Mattia Binotto als Teamchef wackelt indes zunehmend. Der in Lausanne geborene Ferrari-Rennchef hat sich eine Reihe katastrophaler Verfehlungen geleistet. Unter seiner Leitung wurde nicht nur ein offenbar illegaler Motor, sondern auch ein fehlkonstruiertes Auto entwickelt. Hinzu kommt die – offensichtlich unwahre – Geschichte um die «gemeinsame Entscheidung» zum Vettel-Abschied, die der Deutsche später dementierte.

Und Binotto hat auch sein Fahrerduo nicht im Griff. In Brasilien im Vorjahr fuhr man sich schon einmal in die Kiste. In der Steiermark schoss man sich erneut ab. Beim letzten Mal war Vettel der Schuldige, diesmal ist der Verursacher zweifellos Leclerc.

Binottos Allmachtswünsche bremsen Ferrari

Binottos Problem: Er vereint zu viele Funktionen in seiner Person. In der Glanzzeit von Ferrari war Jean Todt Teamchef, Ross Brawn Rennstratege. Rory Byrne glänzte als Chefkonstrukteur der Weltmeisterautos von Michael Schumacher. Mattia Binotto vereint die Funktion des Teamchefs, Entwicklungsleiters und Rennstrategen auf sich.

Zumindest in dieser Dreifachrolle sind die Tage von Binotto wohl gezählt. Ferrari-CEO Louis Camilleri, nicht für endlose Geduld bekannt, sprach zuletzt von einem «neuen langfristigen Plan». Wie der aussieht, ist sein Geheimnis – aber er muss zwangsläufig eine Änderung der Führungsstruktur beinhalten. Binotto braucht, wenn er als Teamchef funktionieren will, Leute, die ihm Aufgaben abnehmen.

Michael Schumacher Scuderia Ferrari
Das Erfolgsteam der Schumacher-Ära (v.l.n.r.): Felipe Massa, Jean Todt, Michael Schumacher, Luca Badoer und Ross Brawn. - Keystone

Die grösste Schwäche von Ferrari ist die Unfähigkeit, Führungskräfte ausserhalb von Italien zu suchen. Erneut sticht der Vergleich mit der Schumacher-Ära ins Auge. Der Fahrer ein Deutscher, der Teamchef Franzose, der Stratege Engländer, der Chefkonstrukteur Südafrikaner. Heute holt die Scuderia nur noch die mutmasslich Besten des eigenen Landes, statt nach den Besten der Welt zu angeln.

Braucht Ferrari einen Führungswechsel?

Bei Ferrari werden, wenn die Saison so weitergeht wie bisher, Köpfe rollen müssen. In Mattia Binotto allein den Schuldigen zu suchen, wäre bei so einer riesigen Operation verfehlt. Aber der Teamchef ist wie der Trainer einer Fussballmannschaft der Erste, der die Konsequenzen trägt. Und manchmal ist ein Trainerwechsel just der Impuls, den ein Team braucht, um sich wieder aufzuraffen.

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