Formel 1: Warum man eine Strecke nicht einfach umgekehrt fahren kann
Die Formel 1 überlegt, aufgrund der Corona-Pandemie Strecken mehrfach zu nutzen – und diese in die Gegenrichtung zu fahren. So einfach ist es aber nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Formel 1 überlegt, auf einzelnen Rennstrecken mehr als ein Rennen zu fahren.
- Für höheren Unterhaltungswert könnte man auf einigen in umgekehrter Richtung fahren.
- Das ist aber nicht so unproblematisch, wie es den Anschein erweckt.
Die Idee klingt im Grunde gar nicht so schlecht: Statt quer um die Welt zu reisen, «recycelt» man einfach Strecken. Das ist zumindest die Idee, mit der die Formel 1 versucht, ihren ausgedünnten Rennkalender aufzufüllen.
Auf einzelnen Rennstrecken wie etwa Le Castellet könnten unterschiedliche Layouts gefahren werden. Andere – wie etwa Silverstone – könnte die Formel 1 einfach gegen die übliche Fahrtrichtung fahren.
Rennstrecken lassen sich nicht einfach umdrehen
Was nach einer einfachen Lösung klingt, wirft in der Praxis aber eine Vielzahl neuer Probleme auf. Vor allem: Rennstrecken sind so konstruiert, dass sie in der geplanten Fahrtrichtung funktionieren. Sie einfach umzudrehen, führt zu Problemen im Streckenfluss – und zu Sicherheitsbedenken.
Am aktuell diskutierten Beispiel in Silverstone werden beide Schwierigkeiten deutlich. Einer Störung im Streckenfluss begegnen die Fahrer gleich im (umgekehrt) ersten Sektor. Die Kurven 16 und 17 sind eine sich öffnende Schikane, wenn man die Strecke «richtig herum» fährt. Umgekehrt werden sie zu den Kurven 2 und 3 – und zu einer sehr langsamen Angelegenheit.
Mit solchen unrhythmischen Sektionen kommen die Fahrer in der Regel problemlos zurecht, sie machen das Rennen aber nicht spannender. Das erste Sicherheitsproblem lauert in Silverstone aber nur eine Kurve später. Die lange Stowe-Kurve wartet in der richtigen Richtung mit einer langen Auslaufzone auf. Das rettete Michael Schumacher 1999 wohl das Leben.
In die Gegenrichtung ist das Tempo bei weitem nicht so hoch wie nach der langen Hangar Straight. Aber bei einem Defekt oder einer Kollision vor Stowe hätte ein Fahrer so gut wie keine Auslaufzone zur Verfügung. Solche Unfallstellen sieht die Formel 1 eigentlich nicht gerne.
Direkt auf die Betonwand zu
Ähnlich stellt sich die Lage auch am Ende der (auch rückwärts sehr schönen) Kurvenkombination Chapel-Becketts-Maggots dar. Am Scheitelpunkt von Kurve 11 hält man praktisch direkt auf eine Betonmauer zu. Platz für ein Bremsmanöver ist da nicht viel.
Wer Chapel-Becketts-Maggots sicher hinter sich gebracht hat, kommt auf eine der schnellsten Kurven von Silverstone-Reverse zu. Copse Corner wird zu einer flotten Linkskurve, die sich zum Ende hin etwas verengt. Und: Zur Streckenbegrenzung auf der rechten Seite sind es keine zehn Meter. Hier einzuschlagen hätte potenziell fatale Folgen.
Die nachfolgende Sektion durch Woodcote, Luffield und Brooklands ist dafür durchaus unterhaltsam. Und auch, wenn die Mauer in Woodcote unangenehm nahe ist – es gibt im aktuellen Kalender gefährlichere Stellen. Problematisch wird es aber nach Brooklands bei der Anfahrt zur Arena-Sektion.
Hier zeigt sich das volle Ausmass der Probleme, wenn man eine Strecke «umdreht». Nach der langen Geraden hin zu Kurve fünf bietet sich schlicht keine Auslaufzone. Auf der anderen Seite dieser Begrenzungsmauer liegt die Kurvensektion Chapel-Becketts-Maggots. Selbst mit baulichen Massnahmen wäre hier nicht viel zu machen – es fehlt schlicht der Platz.
Von da an bis zur Ziellinie ist es dafür wieder eine durchaus unterhaltsame Angelegenheit. Die Arena-Sektion wird gegen die Fahrtrichtung zwar etwas unrhythmisch, stellt aber kein Problem dar. Die langezogene Farm-Corner macht den blitzschnellen Linksknick Abbey auf die Start-Ziel-Gerade aber zur Mutkurve.
Formel 1 wohl zu Kompromissen bereit
Eine Formel-1-Rennstrecke einfach so umzudrehen ist nicht so problemlos möglich, wie es erscheinen mag. Das heisst nicht, dass es gänzlich unmöglich ist – viele Probleme von Silverstone-Reverse liessen sich beheben.
Es ist nicht undenkbar, dass die Formel 1 in der aktuellen Situation bereit ist, gewisse Sondergenehmigungen zu erteilen. Allerdings ist fraglich, ob Silverstone in umgekehrter Fahrtrichtung wirklich Formel-1-tauglich ist.