Räikkönen über Kumpel Vettel: «Mit Sebastian war es enger»

20 Jahre nach seinem Debüt macht Kimi Räikkönen in der Formel 1 Schluss. «Ich bin sehr glücklich», sagt der Finne im dpa-Interview. Räikkönen spricht ausserdem über Kumpel Vettel und Schumacher-Duelle.

Will seinen ehemaligen Ferrari-Kollegen Sebastian Vettel (r) in Zukunft wieder öfter treffen: Kimi Räikkönen. Foto: Luca Bruno/AP/dpa
Will seinen ehemaligen Ferrari-Kollegen Sebastian Vettel (r) in Zukunft wieder öfter treffen: Kimi Räikkönen. Foto: Luca Bruno/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Kimi Räikkönen überzieht.

Aus vereinbarten 15 Minuten Interview mit dem finnischen Formel-1-Piloten werden 16,5. Das ist für den eigenwilligen 42-Jährigen ungewöhnlich.

Aber zum Ende seiner Karriere lässt der Alfa-Romeo-Fahrer seine Wortkargheit vergessen. «Es gibt Leute, die mich mögen, es gibt auch Leute, die mich nicht mögen, das ist völlig okay. Ich bin nicht hier, um mich anzubiedern», sagt das Rennfahrer-Original im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Räikkönen spricht ausserdem übers Heimwerken, den Genuss der Planlosigkeit und Badmintonduelle mit Sebastian Vettel.

Herr Räikkönen, danke für Ihre Zeit.

Ich habe leider keine andere Wahl, nimms nicht persönlich (lacht).

Wir haben 15 Minuten für das Interview.

Hm.

Ich würde gerne mit Ihnen abgesehen von der Formel 1 über Handwerken und Heimarbeiten sprechen. Zuletzt gab es ein Video von Ihnen, auf dem Sie am Wagen Ihrer Frau Minttu die Reifen gewechselt haben. Als Sie noch bei Ferrari waren, haben Sie 2017 mal die Toilette in der Hospitality repariert.

Ich sehe daran nichts Unnormales. Wir konnten als Kinder viel Tüfteln, haben Dinge ausprobiert und versucht dazuzulernen. Mein Bruder und ich hatten zuhause die Freiheit, vieles auszuprobieren, zur Schulzeit kamen Autoschraubereien dazu. Für mich wäre es sogar weniger normal, wenn du sowas nicht könntest. Es ist ja eine einfache Sache, also zum Beispiel Reifen zu wechseln. Ich weiss nicht, warum es so kompliziert sein soll. Ich verstehe, dass viele Leute sich da nicht ran wagen, das ist für die wiederum normal. In meinem Fall verstehe ich nicht, warum ich jemanden dafür bezahlen sollte (lacht). Es geht ja auch viel schneller so. Du musst den Wagen nirgendwo hinbringen und es dauert auch nur zehn Minuten, das ist ja nix.

Gibt es irgendetwas, das Sie nicht reparieren können?

Ich bin mir sicher, dass es da eine Menge Sachen gibt, die ich nicht reparieren kann. Ich versuche es aber jedes Mal zumindest.

Ist es Ihnen wichtig, dass auch Ihre beiden Kinder Robin und Rianna selber etwas reparieren können?

Ich lasse sie sich ausleben. Es ist wichtig, dass sich Kinder ausprobieren und versuchen können, Dinge selber wieder in Ordnung zu bringen. Sie sollen ihre Hände benutzen, egal ob sie schreiben oder malen oder was auch immer. Vieles im Leben lernst du nur, indem du es selber ausprobierst.

Stehen in Ihrem Haus in Finnland demnächst grössere Heimwerken-Projekte an?

Das weiss ich noch nicht. In Finnland hat man viel Platz, da kann man sich ausleben. In einem Haus fällt auch immer etwas an. Kleinere Sachen kann ich selber übernehmen, bei grösseren Sachen kann ich zumindest genau hinschauen, wenn da jemand herumwerkelt.

Ihr ehemaliger Ferrari-Teamkollege und Kumpel Sebastian Vettel hat früher sehr gerne Badminton gegen Sie gespielt und Ihr Können gelobt. Haben Sie ihn jemals gewinnen lassen?

Wir haben schon ein paar Jahre nicht mehr gegeneinander Badminton gespielt. Ich habe früher sogar ein paar mal versucht, ihn gewinnen zu lassen. Wahrscheinlich besteht sein Plan darin, dass ich so alt werde, dass er mich endlich mal schlagen kann (lacht).

Gehört Vettel zu jenen Menschen aus der Formel 1, mit denen sie auch nach ihrem Karriereende Kontakt halten werden?

Ganz sicher. Früher haben wir in der Schweiz näher beieinander gewohnt und hatten auch zusammen mehr Zeit ausserhalb des Rennfahrens. Heute leben wir etwas weiter auseinander. Ich habe aber bald mehr Zeit, ich bin sicher, dass wir uns ab und an sehen werden.

Haben Sie die Zeit mit Ihrem Kumpel Sebastian Vettel bei Ferrari besonders genossen?

Wir hatten eine gute Zeit miteinander, wir kannten uns ja schon zuvor, das macht einiges einfacher. Ich verstehe mich hier mit Antonio (Giovinazzi) auch gut, es war eigentlich mit allen okay, mit Sebastian war es aber enger.

Wissen Sie eigentlich schon, was Sie nach dem Karriereende in der Formel 1 genau machen wollen?

Ich habe keine Pläne und ich mache auch keine Pläne. Das will ich auch so haben. Wir werden sehen, was in der Zukunft passiert. Ich habe mein Leben ausserhalb der Formel 1 immer als viel wichtiger erachtet als die Formel 1 selbst. Sie verlangt einem viel Zeit ab, die Formel 1 war aber nie das wichtigste in meinem Leben. Irgendwelche Leute fangen schon an mir zu erzählen, dass ich mich langweilen würde zuhause. Ich antworte: Wenn du so ein schlimmes Zuhause hast und dich selber langweilst, dann solltest du lieber das Haus austauschen oder die Menschen, mit denen du zusammenlebst. Ich habe solche Probleme nicht (lacht). Ich war nie ein Fan vom Reisen. Ich konnte die Woche auch einfach daheim verbringen können, ohne aus dem Haus zugehen.

Machen Sie eigentlich nur mit der Formel 1 Schluss oder überhaupt mit dem Motorsport?

Ich weiss es wirklich noch nicht, ehrlich, ich habe da echt keine Pläne. Wenn es etwas Interessantes gibt, mach ich vielleicht noch was, wenn aber nichts kommt, kümmere ich mich vielleicht nur noch um das Go-Kart meines Sohnes, wenn er das möchte. Motocross werde ich aus Spass auf jeden Fall weitermachen, weil ich auch ein eigenes Team habe.

Könnten Sie sich vorstellen, eine Rolle im Management eines Formel-1-Teams zu übernehmen?

Nein, da steckt zuviel Blödsinn und Politik drin. Ich finde das lächerlich. Aber so ist es eben, es scheint, dass es schlimmer und schlimmer wird.

Fühlen Sie sich erleichtert, dass Sie Ihre Formel-1-Karriere beenden?

Ich bin sehr glücklich. Kommenden Sonntag verlasse ich das Fahrerlager von Abu Dhabi und bin weg. Ich habe das Rennfahren immer genossen - und nur das. Ich war dem Rennfahren vom ersten Tag an gegenüber sehr aufgeschlossen, aber es sind in der Formel 1 eben viele Sachen dazugekommen, die nichts mit dem Fahren zu tun haben. Vielleicht werde ich das Rennfahren vermissen, vielleicht aber auch nicht.

Sie sind früher gegen Michael Schumacher gefahren, in dieser Saison gegen seinen Sohn Mick. Ist Ihnen dabei irgendwann in den Sinn gemacht, dass Sie als Rennfahrer alt geworden sind?

Ich finde das nicht komisch, mir gefällt das. Ich bin ja nicht nur gegen Mick und dessen Vater Michael gefahren, sondern auch gegen Jos (Verstappen) und dessen Sohn Max. Ich finde, das ist ziemlich schön, alt komme ich mir nicht vor. Man kommt sich erst alt vor, wenn man im Kopf alt ist. Ich fühle mich aber nicht alt. Irgendwann kommen sicher kleine körperliche Beschwerden dazu. Aber jetzt? Ich fühle mich glücklicherweise normal, alles ist gut.

Als Sie Ihre Karriere begonnen haben, wurde noch nicht alles in der Formel 1 so genau beleuchtet. Hatten Sie als Fahrer damals mehr Freiheiten?

Waren da mehr Freiheiten? Auf jeden Fall wurden weniger Rennen gefahren, dafür wurde zwischen den Grand Prix mehr getestet. Das Testen war generell immer die härtere Geschichte. Wir haben um neun Uhr begonnen, um 18 Uhr waren wir am Ende, dazwischen eine Stunde Pause. Ein Rennen dauert ja nur knapp zwei Stunden. Die Art der Interviews haben sich sicher auch geändert, aber die ganze Welt hat sich in diesen 20 Jahren gewandelt.

Sie sind eigen. Vermutlich deshalb gelten Sie auch als eine der beliebtesten Personen im Fahrerlager. Was ist Ihr Geheimnis?

Ehrlich, das ist mir egal. Ich mache Dinge so, wie ich sie für richtig halte. Der Rest kümmert mich nicht. Jeder lebt sein eigenes Leben und sollte sich nicht darüber Sorgen machen, was ihm andere erzählen. Man kann natürlich vorgeben jemand anderes zu sein, das geht ein Jahr, vielleicht auch zwei Jahre gut. Auf lange Sicht macht einen das aber kaputt. Die Leute mögen vermutlich, dass ich mich so gebe, wie ich auch tatsächlich bin. Es gibt Leute, die mich mögen, es gibt auch Leute, die mich nicht mögen, das ist völlig okay. Ich bin nicht hier, um mich anzubiedern. Ich mag auch nicht alle Menschen, die ich treffe. Das ist doch eine ganz normale Geschichte.

Der ehemalige Ferrari-Geschäftsführer Louis Camilleri hat Sie einmal dafür gelobt, dass sie einer Toilettenfrau genauso viel Respekt entgegenbringen wie einem Wirtschaftsboss. War Ihnen das wichtig, Menschen gleich zu behandeln?

Ich bin mir sicher, dass ich nicht jeden gleich behandelt habe, weil jeder von uns auch mal Mist baut. Ich habe es aber zumindest versucht, ich habe gegen die meisten Leute auch nichts. Wir reisen viel, wir treffen eine Menge Menschen, aber am Ende führen wir, also die meisten von uns zumindest, ein normales Leben.

Verkörpern Sie noch am ehesten den Stil der 70er Jahre, als ganz spezielle Charaktere, die auch das Leben sehr genossen haben, die Formel-1-Wagen gesteuert haben?

Ich bin schliesslich in den 70ern geboren (lacht). Jeder ist doch anders. Heute fahre ich gegen Jungs, die halb so alt sind wie ich. Das ist eine neue Generation, die werden sich im Laufe ihres Lebens auch verändern. Wenn ich das Bedürfnis habe, ein Bier zu trinken oder eine Zigarette zu rauchen, dann mache ich das. Daran ist auch nichts Schlimmes.

ZUR PERSON: Kimi Räikkönen (42) feierte 2001 sein Debüt in der Formel 1. Der Finne wurde 2007 Weltmeister - bis heute ist er der letzte Ferrari-Pilot, dem das gelang. Abu Dhabi ist das letzte Rennen des einst als «Iceman» titulierten eigenwilligen Ausnahmefahrers.

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