Curdin Orlik

«Curdin Orlik hatte sich in seinem Umfeld bereits geoutet»

Matthias Neuhaus
Matthias Neuhaus

Bern,

Interview mit dem «Magazin»-Journalisten Christof Gertsch. Beim Berner Journalisten outete sich Schwinger Curdin Orlik als homosexuell.

Curdin Orlik
Curdin Orlik nach seinem Sieg am Oberländischen Schwingfest. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Letzten Freitag outete sich Curdin Orlik öffentlich als homosexuell.
  • Der 27-Jährige publizierte sein Outing in Zusammenarbeit mit Christof Gertsch.
  • Der «Magazin»-Journalist äussert sich gegenüber Nau.ch über die Treffen mit dem Schwinger.

Nau.ch: Wie kam es zum Treffen mit Curdin Orlik?

Christof Gertsch: «Sein Sportpsychologe, den ich von früher kenne, kam auf mich zu und sagte, dass er mit jemandem zusammenarbeite, der etwas erzählen möchte. So kam es zu den ersten Treffen mit Curdin Orlik.»

Nau.ch: Wie liefen diese Treffen ab?

Christof Gertsch: «Das erste Treffen fand im Dezember statt. Bis im Februar dann immer wieder. Wir trafen uns immer im gleichen Café in Bern. Orlik fiel es leicht, über das Outing zu sprechen. Aber er hatte natürlich Respekt vor dem Moment der Veröffentlichung.»

Befürworten Sie das Outing von Curdin Orlik?

Nau.ch: Wollte Orlik mal einen Rückzieher machen, musste man ihn überreden?

Christof Gertsch: «Er hat sich während den letzten zwei Jahren in seinem persönlichen Umfeld bereits geoutet. Dort ist er auf viele positive Reaktionen gestossen. Deshalb fiel es ihm nicht schwer, sich gegenüber mir zu öffnen. Ich war bei weitem nicht der Erste, mit dem Orlik über dieses Thema sprach. Trotz Zweifel wurde ein Rückzieher nie in Betracht gezogen.»

Nau.ch: Haben Sie Druck ausgeübt?

Christof Gertsch: «Nein, natürlich nicht. Die Person Curdin Orlik stand für mich immer im Zentrum. Mir war klar, dass das die Geschichte von Orlik ist, nicht diejenige des ‹Magazins›.»

Nau.ch: Was muss man bei einem solchen Outing berücksichtigen?

Christof Gertsch: «Ich habe früh das Gespräch mit LGBT-Aktivisten gesucht. Auch mit Leuten, die sich selber schon geoutet hatten. Mir war bewusst, dass wir durch die Veröffentlichung der Geschichte eine grosse Verantwortung tragen. Wie wir das Ganze kommunizieren, war deshalb essentiell. Deshalb habe ich mich bei Experten informiert, wie man solche Gespräche führt. Bei Outings findet oft eine Problematisierung des Schwulseins statt. Das hat mir eingeleuchtet und mir geholfen zu verstehen, was Orlik bisher gehindert hat, sich zu öffnen.»

Christoph Gertsch
Bei ihm outete sich Schwinger Curdin Orlik: «Magazin»-Journalist Christof Gertsch. - zVg

Nau.ch: Wie verliefen die letzten Tage vor der Publikation?

Christof Gertsch: «Orlik war nervös, weil er nicht absehen konnte, wie die Reaktionen sein werden. Er hat sicherlich zum Teil auch schlecht geschlafen und konnte sich vielleicht weniger gut auf das Training vorbereiten. Es war auch für mich ein grosser Schritt, diesen Text zu schreiben. Orlik las den Text zwei Wochen vor der Veröffentlichung und hatte daran viel Freude. Auch sein Umfeld war überzeugt.»

Nau.ch: Wie waren die Reaktionen auf den «Magazin»-Artikel?

Christof Gertsch: «Das Feedback nach der Publikation war grossartig. Ich selber habe noch nie so viele schöne und positive Reaktionen erhalten. Orlik selber hat auch hunderte Nachrichten erhalten. Auch in den sozialen Netzwerken wurde er mit erfreulichen Kommentaren überhäuft.»

Nau.ch: Kommen jetzt schon weitere Anfragen für Outings?

Christof Gertsch: «Nein, es gibt keine Anfragen. Ich glaube, es war auch nicht der Antrieb von Curdin Orlik, andere Sportler zu einem Outing zu ermutigen. Es ging ihm erstmal um seine eigene Situation.»

Nau.ch: Wann outet sich der erste Fussballer?

Christof Gertsch: «Das weiss ich nicht. Der «Pink Cross»-Co-Präsidenten Michel Rudin sagte in der ‹Sonntagszeitung›: ‹Statistisch gesehen, müsste es im Schweizer Spitzenfussball mindestens zehn schwule Spieler haben.› Ob das Outing von Orlik Auswirkungen auf die Fussballwelt hat, kann ich aber natürlich nicht sagen.»

Nau.ch: Haben Schwinger mehr Mut als Fussballer?

Christof Gertsch: «Das kann ich nicht sagen. Es wäre auch anmassend, das aufgrund eines Einzelfalls zu bewerten. Ich bin von Curdin Orlik sehr beeindruckt, und die Reaktionen seiner Schwingerkollegen freuen mich.»

Nau.ch: Bereits SP-Nationalrätin Tamara Funiciello hat sich bei Ihnen als bisexuell geoutet. Sind Sie der Outing-Experte für Schweizer Promis?

Christof Gertsch: «Bitte nicht. Ich setze mich gerne mit Menschen auseinander. Es hat jetzt zwei Menschen gegeben, die mir vertraut haben – jedoch macht mich das nicht zum Outing-Experten.»

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