Schwing-Zoff geht weiter: Ostschweizer boykottieren Trainingsstart
In der Ostschweiz stösst der Trainingsentscheid auf Unmut. Ein Grossteil der Topschwinger hält sich zurück – zur Freude von Teilverbandspräsident Rolf Lussi.
Das Wichtigste in Kürze
- Der ESV gab Anfang Woche bekannt, dass 120 selektionierte Schwinger trainieren dürfen.
- «Dieser Entscheid strapaziert unsere Werte», sagt NOSV-Präsident Rolf Lussi im Interview.
- Wenn nur Basel und YB trainieren dürften, wäre das nicht fair, meint er.
Die 120 besten Schwinger des Landes dürfen seit vergangenem Mittwoch wieder im Sägemehl trainieren. Der Entscheid sorgt in Teilen der Schwingerszene für grossen Unmut. Der Nordostschweizer Schwingerverband (NOSV) stellte sich gegen die Einführung einer Zweiklassengesellschaft.
Ein Grossteil der selektionierten Athleten aus der Ostschweiz wird weiterhin nicht in die Zwilchhosen steigen. Das gab der Teilverband am Montag bekannt. NOSV-Präsident Rolf Lussi nimmt Stellung.
Nau.ch: Die 120 besten Schwinger dürfen wieder trainieren. Wie nehmen Sie diesen Entscheid wahr?
Rolf Lussi: Wir haben vorgängig eine grosse Umfrage bei unserer Basis durchgeführt. Da hat sich gezeigt, dass die grosse Mehrheit der Schwinger gegen diese Idee war. In der Nordostschweiz wurde es nicht als guter Plan betrachtet. Daher haben wir dagegen gestimmt.
NOSV-Präsident: «Dieser Entscheid strapaziert unsere Werte und Traditionen»
Nau.ch: Sie wurden aber im Zentralvorstand überstimmt und jetzt zeigt sich die Schwingerszene gespalten. Das zeigt sich bestens in Ihrem Teilverband – einige schwingen, andere nicht. Fühlen Sie sich verraten?
Rolf Lussi: Alle freuen sich, wenn wieder jeder in das Sägemehl steigen kann. Gleichzeitig wollen wir es aber niemandem verbieten, jetzt zu trainieren. Daher gibt es Athleten, die mitmachen, andere, die sich solidarisch mit ihren Kollegen zurückhalten.
Verraten fühlen wir uns aber überhaupt nicht. In den anderen Teilverbänden dürfen auch nicht alle schwingen, das ist das Problem.
Nau.ch: Durch die Schwinger, die jetzt trainieren, bildet sich aber eben diese aus Ihrer Sicht ungewünschte Zweiklassengesellschaft.
Rolf Lussi: Ich verstehe jeden, der brennt und wieder trainieren will. Es gibt aber keine Ligen im Schwingen, alle kämpfen gegeneinander, um sich für grössere Anlässe zu qualifizieren. Jetzt ist dieser Sonderweg da, und je länger dieser anhält, desto grösser sind die Auswirkungen für die ausgeschlossenen Schwinger. Dieser Entscheid strapaziert unsere Werte und Traditionen extrem – es herrscht eine grosse Ungleichheit.
Nau.ch: Es sei eine Härteprüfung für die Schutzkonzepte, sagten etliche Schwinger – unter anderen der Schwingerkönig Christian Stucki – gegenüber Nau.ch. Was halten Sie von der Aussage?
Rolf Lussi: Es ist sicher richtig, dass es die Konzepte gibt und diese nun geprüft werden müssen. Ich verstehe einfach nicht, weshalb diesen Test die besten Schwinger absolvieren dürfen. Man hätte zufällig auswählen können, wer jetzt wieder trainieren darf. Oder die Unter-20-Jährigen, die vom Bundesrat grünes Licht erhalten haben, hätten es versuchen können.
Wäre es fair, wenn nur Basel und YB trainieren dürften?
Nau.ch: Aber die mittelklassigen Schwinger verdienen nicht ihren Lebensunterhalt durch das Schwingen. Und sind nicht die grossen Werbegesichter dieser Sportart.
Rolf Lussi: Es darf nicht ums Geld gehen. Nehmen wir das Beispiel Super League und gleichen es unserer Situation an. Die U20-Mannschaften der zehn Klubs dürfen trainieren.
Bei den Profis können lediglich YB und Basel auf dem Rasen stehen. Das wäre doch nicht fair. Und eine Verfälschung der Meisterschaft – es ist eine Ungleichbehandlung.
Nau.ch: Eine letzte Frage: Sie wollen nun auf weitere Bundesratsentscheide warten, sagen aber, dass man die Position vielleicht wieder überdenken muss. Denn nach grossen Öffnungsschritten sieht es angesichts der steigenden Fallzahlen nicht aus. Weichen Sie in den nächsten Tagen schon von Ihrer Aufstandsposition ab?
Rolf Lussi: Das können wir noch nicht sagen. Nach den nächsten Bundesratsentscheiden werden die technischen Leiter der kantonalen Verbände zusammensitzen. Und über das weitere Vorgehen entscheiden.
Wie ihre Position in den nächsten Wochen aussieht, kann ich noch nicht sagen. Wir müssen schauen, was entschieden wird und werden dann kommunizieren.