Schwingen: Das sagen die Athleten und der Verband zum Entscheid

Philip Schären
Philip Schären

Bern,

Die besten 120 Schwinger dürfen wieder im Sägemehl stehen. Das spaltet die Schwingerszene. Der ESV, Aktivenrat Gnägi und Eidgenosse Reichmuth beziehen Stellung.

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Florian Gnägi (links) schwingt am ESAF 2019 gegen Armon Orlik. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Christian Stucki, Armon Orlik und Co. können ab heute Mittwoch wieder schwingen.
  • Der ESV hat eine Sonderregelung für die 120 besten Schwinger erlassen.
  • Der Entscheid sorgt bei den weniger qualifizierten Schwinger für Frust.

Während ein grosser Teil zuhause trainieren muss, können die 120 besten Schwinger ab heute wieder im Sägemehl zusammengreifen.

Das hat der Eidgenössische Schwingerverband (ESV) in Zusammenarbeit mit Swiss Olympic und dem Bundesamt für Sport (Baspo) am Montag beschlossen.

Noch vor einem Monat sah der ESV davon ab, eine «Zweiklassengesellschaft» im Schwingen zu etablieren.

Der Verband entschied sich Mitte Februar gegen Privilegien für eine spezifische Gruppe. Spätestens mit den Bundesrats-Lockerungen für unter 20-Jährige musste dieses Prinzip allerdings über Bord geworfen werden. Und jetzt folgt der nächste Schritt.

60 Prozent der lizenzierten Schwinger wieder im Einsatz

«Mit dem Entscheid, dass die bis 20-Jährigen in allen Sportarten wieder trainieren und sogar Wettkämpfe bestreiten können, hat sich unsere Situation grundlegend verändert.» Das sagt Rolf Gasser, Geschäftsführer des ESV, auf Nau.ch-Anfrage.

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Rolf Gasser ist Geschäftsstellenleiter des Eidgenössischen Schwingerverbandes. - Keystone

Dank der Lockerungen seien weit über 60 Prozent «aller gesamt versicherten beziehungsweise lizenzierten Schwinger nun vom Trainingsverbot befreit», so Gasser weiter.

Das Privileg für die Top-Schwinger sei als «schrittweise Öffnung» zu verstehen, meint Gasser. Das sorgt bei jenen für Frust, die nicht schwingen dürfen.

Dass die Bevorzugung der Spitzenschwinger für viele unbefriedigend ist, kann Gasser nachvollziehen. «Wir sind im ständigen Kontakt mit Swiss Olympic, um einen zukünftigen Zeitstrahl für eine allgemeine Öffnung im Einklang mit den Öffnungsschritten des BAG zu definieren.»

«Wer sich nicht wohl fühlt, soll sich testen lassen»

Auch Florian Gnägi, der die Berner Schwinger im Aktivenrat vertritt, zeigt Verständnis für die frustrierten Schwinger.

Es sei jetzt ein Test, um Bundesbern zu beweisen, dass auch eine Kontaktsportart in Pandemie-Zeiten funktionieren könne. Das müssten die «U20» und die Besten des Landes nun zeigen.

«Wer sich nicht wohl fühlt, soll nicht ins Training gehen und sich testen lassen», appelliert er an sie. Nur so kann der Schwingsport ein gutes Bild abgeben und weitere Öffnungsschritte fordern.

Schwingen Florian Gnägi
Sven Schurtenberger (links) und Florian Gnägi (rechts) schwingen gegeneinander. - Keystone

Beim Seeländer überwiegt nach dem Entscheid leicht die Freude. «Es machte sich eine grosse Erleichterung breit, als ich davon erfahren habe.» Klar, relativiert er, sei Situation nicht optimal.

Es sei allerdings essenziell, dass in diesem Jahr eine Saison stattfinden könne, findet Gnägi. Für die Erwachsenen, für die Jungschwinger und die Nachwuchsförderung. Und das sei der erste Schritt – und so schnell wie möglich könne «hoffentlich» der zweite folgen.

Letztes Schwingtraining ist gefühlte Ewigkeit her

Bei den privilegierten Athleten stösst der Entscheid allgemein auf Wohlwollen. «Super, dass wir den Nationalsport endlich wieder im Sägemehl ausüben dürfen», schrieb Schwingerkönig Christian Stucki bei Instagram.

Ins selbe Horn bläst Pirmin Reichmuth: «Ich freue mich riesig, endlich wieder unserem geliebten Sport nachgehen zu können.»

Was halten Sie von den Lockerungen für 120 Schwinger?

Es sei eine gefühlte Ewigkeit her, seit er das letzte Mal im Sägemehl gestanden habe, meint der 25-Jährige. Der Zuger gehört zu den 38 selektionierten Schwingern des Innerschweizer Verbandes.

Pirmin Reichmuth
Pirmin Reichmuth (links) jubelt nach seinem Sieg am ESAF über Schwingerkönig Kilian Wenger. - Keystone

Von einer Zweiklassengesellschaft will Reichmuth nichts wissen. «In jedem Sport ist es so, dass die Besseren etwas mehr Privilegien erhalten, als die weniger Qualifizierten. Man darf nicht vergessen, dass die Spitze meistens noch härter und noch konsequenter trainiert, um irgendwann vorne mitschwingen zu können.»

Reichmuth: «Verband muss sich besser in Lage der Schwinger versetzen»

Er verstehe den Frust aber sehr gut. Sogar sein eigener Bruder Marco dürfe jetzt nicht in die Zwilchhose steigen. «Aber eben. Das ist nun mal der Sport», meint der zweifache Eidgenosse.

Unverständnis zeigt er hingegen für seinen Teilverband, den Innerschweizer Schwingerverband (ISV). Dieser stellte sich offenbar, so berichtet der «feldwaldwiesenblog», lange gegen die Lockerungen.

«Wie gesagt, ich verstehe beide Seiten», wiederholt er. «Aber ich würde mir manchmal wünschen, dass sich unsere Verbandsspitze etwas mehr in die Lage von uns Schwinger hineinversetzen würde.»

Jemand, der ‹nur› auf seinem Bürostuhl sässe und nicht jede Woche fünf- bis sechsmal trainiere, könne das Verlangen der Schwinger nach dem Schwingsport nur schwer nachvollziehen.

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