Belinda Bencic: «Tut weh, aber ich muss mir nichts vorwerfen»
Spiel verloren, Test bestanden und Selbstvertrauen gewonnen – so lässt sich der Auftritt der Flawilerin Belinda Bencic (26) in Wimbledon zusammenfassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Belinda Bencic scheitert in Wimbledon an Weltnummer eins Iga Swiatek.
- Gegen die Polin vergibt die Ostschweizerin zwei Matchbälle.
- Trotz der bitteren Niederlage gibt sich die 26-Jährige zuversichtlich.
Das Schlimmste hat Belinda Bencic gemäss eigener Aussage noch vor sich. Am späten Sonntagabend im zweitgrössten Interview-Raum von Wimbledon lacht sie aber oft, und es wirkt nicht gekünstelt. So sehen eigentlich keine Verlierer aus – und irgendwie fühlt sich die 26-jährige Ostschweizerin nicht wirklich wie eine.
Die Dreisatz-Niederlage gegen die Weltnummer 1 Iga Swiatek schmerzt – nicht zuletzt wegen der zwei vergebenen Matchbälle – und macht zugleich Mut. «Super stolz» sei sie auf ihre Leistung, sagt die Olympiasiegerin.
Belinda Bencic: «Ich kann mir nichts vorwerfen»
«Es tut verdammt weh, und es ist jetzt gerade sicher nicht einfach», bekräftigt sie. «Aber ich muss mir nichts vorwerfen. Ich habe einen super Match gespielt und bis zum Ende gekämpft. Ich weiss nicht, ob es deshalb mehr oder weniger weh tut.»
Offensichtlich lindert die gute Leistung den Schmerz eher. Das hat auch mit der Vorgeschichte zu tun. Nach einem hervorragenden Start ins Jahr hatte Belinda Bencic wegen Verletzungen an Bein, Hüfte und Schulter zwischen April und Juli bloss eine Partie (Erstrunden-Niederlage in Paris gegen eine Qualifikantin) bestritten und sich trotz sehenswerten Erfolgen nach nur acht Monaten von Trainer Dimitri Tursunow getrennt.
Bencic sprach vor dem Turnier in Wimbledon von einer «Negativspirale», in die sie «wieder einmal» geraten sei. Zudem hatte sie beim Event in Londons Südwesten, der ihr seit dem Sieg bei den Juniorinnen vor zehn Jahren so viel bedeutet, bei den Profis noch nie wirklich überzeugen können.
Entsprechend gering waren die Erwartungen, entsprechend gross nun trotz der unglücklichen Niederlage die Erleichterung. Dazu gehört, dass sie den zweiten Auftritt ihrer Karriere auf dem mythischen Centre genossen habe – «vom Anfang bis zum Ende».
Bereits der Weg auf den Platz, wenn die Türe aufgehe, sorge für absolute Gänsehaut. «Ich bin dagestanden und habe gedacht: 'Es wird nicht mehr besser als das.'» Dennoch wolle man natürlich gewinnen.
Aber: «Es wird nicht mein erstes und mein letztes Spiel sein, das ich nach vergebenen Matchbällen verliere. Es war auch mega oft schon umgekehrt. Ich bin genug erfahren, um zu wissen, dass das einfach Tennis ist.»
Flawilerin gibt sich kämpferisch
Dann wird Belinda Bencic geradezu philosophisch. «Vielleicht musste ich den Match jetzt verlieren, vielleicht kommt noch etwas Besseres, an solche Sachen glaube ich.» Und sie blickte auch zwei Jahre zurück, als sie nach einer Erstrunden-Niederlage in Wimbledon «mental vielleicht an meinem tiefsten Punkt» gewesen sei. «Und dann habe ich Olympia gewonnen.»
Ein ähnliches Hoch hat sie auch jetzt im Sinn, auch wenn die rechte Schulter noch immer nicht ganz in Ordnung ist. Die Verletzungen waren auch ein wichtiger Grund für die Trennung von Tursunow. Belinda Bencic führte sie auch auf Überlastungen im Training zurück.
Vor Wimbledon nahm sie sich eine Pause und verzichtete schweren Herzens und erstmals auf alle Vorbereitungsturniere, um die Schulter zu schonen. Es zahlte sich aus, und nun will sie wieder angreifen.
Ziel sind die Top-8
«Wimbledon war auch ein Test für mich, und ich bin mega froh, dass ich vier Matches auf hohem Niveau spielen konnte und die gute Form von Anfang Jahr wiedergefunden habe», stellt sie zufrieden fest. «Ich bin motiviert für Amerika und habe ein klares Ziel: die Top acht, das Masters. Da will ich dabei sein.»
Das Ziel ist absolut realistisch. Dank zwei Turniersiegen und einem Final sowie den Achtelfinals in Australien (Niederlage gegen die spätere Siegerin Aryna Sabalenka) und Wimbledon belegt sie trotz der langen Pause aktuell genau diesen 8. Platz im Jahresranking.
Vorerst stand aber noch die trotz allem schmerzhafte Verarbeitung der Niederlage gegen Swiatek an. «Keine Ahnung, wie ich das mache. Nach einer Niederlage ist man immer ein paar Tage leer und muss sich neue Ziele suchen.»
Das Schlimmste komme erst noch. «Wenn ich morgen (Montag) aufwache.» Ein Geheimrezept gebe es nicht. Weitere erfolgreiche Auftritte an Turnieren in den kommenden Monaten würden aber sicher helfen.