NFL: Playoff-Favoriten scheitern an miesem Coaching!
Die Situation der Chargers und Bengals zeigt, wie fatal eine inkompetente Übungsleitung sein kann. Das sind die Lehren aus der Woche 2 in der NFL.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bengals und Chargers haben ein Coaching-Problem.
- Der Preseason-Hype um die Bears und Justin Fields war masslos übertrieben.
- Die Cowboys-Defensive ist das Mass aller Dinge.
Es ist die Natur des Sportfans, auch nach nur wenigen Spieltagen grosse Prophezeiungen für den Ausgang der Saison aufzustellen.
So gross die Versuchung ist, schlecht in die Saison gestartete Teams abzustempeln. Und gut gestarteten den ganz grossen Erfolg zu prognostizieren. So gross ist auch die Gefahr, dabei völlig falsch zu liegen. Und trotzdem lassen sich bereits nach Woche 2 erste Schlüsse ziehen.
Zac Taylor bei den Bengals: Ausgezeichneter Leader, eintöniger Playcaller
Mit einem neuen, rekordträchtigen Fünfjahresvertrag ausgestattet sollte Joe Burrow die Cincinnati Bengals heuer endlich zum ersten Super Bowl führen. Jetzt stehen er und seine Bengals in der NFL nach zwei Spielen sieglos da.
Das ist zum einen auf Burrows Wadenverletzung aus der Vorsaison zurückzuführen, die ihn offensichtlich immer noch plagt. Zum anderen geht der verpatzte Saisonstart auch auf das Konto von Cheftrainer Zac Taylor. Er kommandiert die explosive Bengals-Offensive schlicht zu einfältig. Nicht zum ersten Mal werden Stimmen laut, die seine Playcalling-Kompetenzen infrage stellen.
Nach dem brotlosen 3-zu-24 gegen die Browns wird die schematische Einfältigkeit der Bengals-Offensive auch am Sonntag gegen die Ravens ersichtlich. Sie wirkt vor allem in der ersten Halbzeit planlos und muss oft nach nur wenigen Spielzügen wieder vom Platz. Im ganzen Spiel steht die Offensive der Bengals gar nur 16 Minuten auf dem Feld! Damit bürdet sie der soliden Bengals-Defensive eine Aufgabe auf, die sie unmöglich stemmen kann.
Bengals-Receiver müssen brillant sein, um zu punkten
Die Bengals-Offensive lebt von den Fähigkeiten ihrer herausragenden Passempfänger, die ihre Gegner im 1-gegen-1-Duell schlagen. Und dann von Burrow haargenau bedient werden. Es fällt auf, dass sich Chase, Higgins oder Boyd nur selten wegen eines schematisch ausgeklügelten Spielzuges freilaufen können.
Vielmehr entstehen die Lücken in der gegnerischen Defense aufgrund der Brillanz der Spieler. Wenn diese ihre Duelle nicht gewinnen können oder Burrow einen schlechten Tag einfängt, kommt Zac Taylor ins Schwitzen. Es fehlt schlichtweg an Kreativität und Flexibilität.
Es ist nicht das erste Mal, dass Forderungen aufkommen, Taylor zum Headcoach ohne Offensive-Coordinator-Funktion zu degradieren. Das war sogar 2021 so. Als die Bengals bis in den Super Bowl der NFL vorstiessen und nur knapp an der Lombardi-Trophäe vorbeischrammten.
Schon damals fragten sich viele: Was wäre möglich gewesen, wenn ein kompetentes Spielschema die Stärken von Burrow, Chase und Co. voll auszunutzen vermochte?
Taylor ist ein herausragender Cheftrainer, ein grosser Motivator und ein Mann mit Rückgrat. Das hat er mit der Handhabung des Verletzungsdramas um Damar Hamlin unter Beweis gestellt. Taylor ist geschätzt unter seinen Spielern und auch seine Bilanz als Bengals-Cheftrainer kann sich sehen lassen.
In der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen die Ravens fordert Taylor Geduld mit seinen Bengals. Tatsächlich sind sie bereits letztes Jahr mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet. Und standen am Ende doch als AFC-North-Champion da.
Ob sie den Dreh auch diese Saison noch rauskriegen, wird sich zeigen. Vielleicht wäre es aber langfristig das Beste für die Bengals, wenn sich ein Neuer an das Playbook der Offensive wagt.
Brandon Staley ist bei den Chargers endgültig auf dem Schleudersitz
Justin Herbert ist der andere Superstar-Quarterback in der NFL mit Draft-Jahrgang 2020. Dessen Potenzial von einer scheinbar inkompetenten Führung verspielt wird. Gegen die Tennessee Titans wirft Herbert über 300 Yards, 2 Touchdowns und bleibt ohne Interception.
Auch die Defensive der Chargers agiert solide und hält Bulldozer Running Back Derrick Henry unter 100 Yards. Und trotzdem steht es nach Verlängerung 27 zu 24 für die Titans.
Es hat den Hauch von Déjà-Vu: Staley steht auch in seinem dritten Jahr mit den Chargers ein Kader mit Playoff-Kaliber zur Verfügung. Justin Herbert hat das Zeug zum MVP der NFL.
Die Offensive ist mehr oder weniger lückenlos. Die Defensive geschmückt mit Stars wie Khalil Mack oder Joey Bosa. 2021 scheiterten die Chargers in der ersten Runde der Playoffs. Vergangene Saison verpassten sie die Playoffs gänzlich.
Staley sass darum bereits vor Saisonauftakt auf dem Schleudersitz. Die Chargers sollen kurz vor der Verpflichtung von Cheftrainer-Legende Sean Payton gestanden sein. Der ehemalige Saints-Super-Bowl-Coach entschied sich für die Broncos und Staley blieb im Amt.
Dieses hat er jedoch alles andere als auf sicher – und scheinbar schlägt sich das auch in seinen Entscheidungen nieder. Früher noch durch seine draufgängerische Art bekannt, wirkt er mittlerweile beinahe zurückhaltend und konservativ. Und das kostet Siege. Wenn die Chargers so weiterfahren, könnte es bald einen Tapetenwechsel in Los Angeles geben.
Der Fields-Hype bei den Chicago Bears war inflationär
Wer im Vorfeld der Saison der NFL die MVP-Debatte in den amerikanischen Wettbüros verfolgte, staunte nicht schlecht: Bei einigen Wettbüros gingen mehr MVP-Votes für Justin Fields ein als für Patrick Mahomes und Joe Burrow zusammen!
Justin Fields spielt sein drittes Jahr als Quarterback für die Chicago Bears. Der laufstarke Ohio-State-Alumni zeigte in der vergangenen Saison, dass er einer der gefährlichsten Quarterbacks der Liga sein kann. Fields erlief über 1100 Yards und 8 Touchdowns.
Gleichzeitig warf er jedoch nur knapp über 2400 Yards – zum Vergleich: Patrick Mahomes warf mehr als doppelt so viele (5250 Yards). Dennoch muteten ihm viele Experten heuer eine Durchbruchs-Saison à la 2019-Lamar-Jackson zu.
Denn die Chicago Bears haben in der vergangenen Offseason alles unternommen, um Fields' Leben leichter zu machen. Sie tauschten den Nummer-1-Draft-Pick mit dem Panthers unter anderem für D. J. Moore, einer der besten Passempfänger der Liga.
Ausserdem wurde die Offensive-Line aufgepolstert. In der Vorsaison brillierte Fields derweil in der umgebauten Offensive. Der Weg für den Durchbruch schien geebnet.
Nichts da! Auch die Bears stehen bei null und zwei. Justin Fields spielt schwach, wirkt orientierungslos und übersieht klar freistehende Passempfänger.
Sein Defizit im Passspiel wird endgültig offenbart. Hätte er doch nun endlich die benötigten Waffen, die ihm in den Jahren zuvor noch fehlten ...
Mit der Durchbruchs-Saison in der NFL wird es wohl nichts. Das haben auch die Wettspieler in den USA erkannt: Justin Fields ist längst aus den Top Ten der MVP-Odds gefallen.
Diese Cowboys-Defensive ist das Mass aller Dinge in der NFL
Der Überflieger der ersten zwei Wochen NFL ist «America’s Team»: Die Dallas Cowboys dominieren in der Nacht auf Montag die dezimierten New York Jets und gewinnen mit 30 zu 10. Nach zwei Spielen und zwei Siegen haben sie eine Punktebilanz von plus 60. Die Offensive klickt – und die Defensive ist die Beste der Liga.
Die Defensive-Line um Superstar Micah Parsons holt in zwei Spielen zehn Sacks – Ligabestwert. Die Linebacker lassen kaum Raumgewinn über den Boden zu. Und die Kirsche auf der Torte stellt die Passverteidigung um Stephon Gilmore und Trevon Diggs dar. Beide konnten bereits eine Interception verbuchen.
Die Cowboys-Defensive profitiert von den offensivschwachen Gegnern der ersten zwei Wochen. Auch nächste Woche bahnt sich für die Cowboys mit den 0-und-2-Arizona-Cardinals ein Festmahl an. Der erste wahrhafte Test in der NFL: Die San Francisco 49ers in Woche 5.