Skisprung-Ass Geiger übernimmt die Wintersport-Hauptrolle
Neureuther und Dahlmeier sind abgetreten, Wellinger und Freund noch verletzt. Da übernimmt der bescheidene und ruhige Karl Geiger aus Oberstdorf ganz plötzlich die Rolle des deutschen Hoffnungsträgers. Trainer und Experten sind vom neuen Gesamtführenden begeistert.
Das Wichtigste in Kürze
- Jahrelang waren grosse Erfolge und besondere Typen für Millionen deutscher Wintersport-Fans an den TV-Geräten garantiert.
Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier beherrschten die Biathlon-Szene gemeinsam fast ein Jahrzehnt lang, der verrückte Felix Neureuther rauschte begeisternd die Alpin-Strecken dieser Welt hinunter und auf den Skisprungschanzen gewannen nacheinander Severin Freund und Andreas Wellinger. Und jetzt, da alle Stars entweder abgetreten oder wegen Verletzungen längere Zeit unpässlich sind, trägt der zurückhaltende Karl Geiger diesen Status - auf seine Weise.
«Auf jeden Fall nimmt er diese Rolle ein. Das hat er sich auch lange und hart erarbeitet. Er ist der Hauptdarsteller und zieht erst einmal alles auf sich», sagte der ehemalige Tournee-Sieger Sven Hannawald der Deutschen Presse-Agentur. Der 26 Jahre alte Geiger ist das genaue Gegenteil von dem, was man unter einem Star versteht. Er ist bescheiden und ruhig, er haut keine Parolen raus und verfügt erst recht über keinerlei Starallüren.
Aber der «Karle», wie seine Teamkollegen ihn nennen, ist der derzeit beste Skispringer der Welt und damit zum Jahresstart 2020 auch Deutschlands erfolgreichster Wintersportler. «Es freut mich unglaublich, wie der Karl vorneweg marschiert mit einer Ruhe und einer Selbstverständlichkeit. So kann es weitergehen», sagte der deutsche Teammanager Horst Hüttel zum Vorzeigespringer.
Das herrliche Fleimstal hat Geiger mit zwei souveränen Siegen und dem Gelben Trikot des Gesamtführenden verlassen. Der heimatverbundene Allgäuer freut sich immer wieder auf die Rückkehr in sein geliebtes Oberstdorf. Der Freibergsee ist sein Ruhepol, die Familie sein Rückzugsort. Als er von zwei schlauchenden Wochen Tournee heimkam, musste er erstmal eines erledigen: ganz viel schlafen. Über Boulevard-Wortspiele, in denen er nur «die dritte Geige spielt» oder etwas «vergeigt», kann der nüchterne «Bachelor of Engineering» in Energie- und Umwelttechnik daher nur müde schmunzeln.
Das begehrte Gelbe Trikot, mit dem er am kommenden Wochenende auch beim Heimspiel in Titisee-Neustadt antreten darf, ist für Geiger eine Bestätigung jahrelanger Detailarbeit auf den Schanzen. «Ein Traum wird wahr», beschrieb er. Das leuchtende Souvenir bekomme deshalb einen Spezialplatz und werde eingerahmt, sagte Geiger. Die grossen Erfolge von Freund, Wellinger und seinem Zimmerkollegen Markus Eisenbichler erlebte er hautnah mit - jetzt ist er selbst dran.
Auch der neue Bundestrainer Stefan Horngacher ist begeistert von seinem Top-Athleten - und dessen ruhiger Art, mit dem neuen Rummel umzugehen. «Er verstellt sich nicht. Er ist so, wie er ist. Er ist ein super Mann. Es ist schön, mit ihm zu arbeiten», lobte der Tiroler, der Geiger schon länger kennt. So nimmt auch Hannawald den Allgäuer wahr. «Die wichtigste Voraussetzung für alles, dass er nicht abhebt, ist sein ruhiges Temperament. Hin und wieder verliert jemand den Boden unter den Füssen mit dem Erfolg, das sehe ich bei Karl überhaupt nicht», sagte der heutige TV-Experte.
Sportlich sieht Horngacher vor der nächsten Herausforderung im Schwarzwald keine Grenzen mehr, wie er der ARD sagte: «Er wird immer besser. Mit so einer Form kann man jedes Springen gewinnen.»