Adolf Ogi: Die Schweiz braucht die Rennen am Lauberhorn
Das Wichtigste in Kürze
- Die Fronten im Streit um die Lauberhorn-Rennen sind völlig verhärtet.
- Es braucht einen Mediator von aussen, um zwischen den Parteien zu vermitteln.
- Die Politik wendet sich jetzt mit einem offenen Brief an die Parteien.
Die Politik wendet sich heute mit einem offenen Brief an die beteiligten Parteien im Zoff um die Lauberhorn-Rennen. Für alt Bundesrat Adolf Ogi ist klar: «Die Schweiz braucht die Skirennen am Lauberhorn!»
Wie bei einem Streit so üblich, sind die Fronten zwischen den Organisatoren der Lauberhornrennen und dem nationalen Skiverband Swiss Ski verhärtet. Und es dreht sich, wie so oft, um Geld. Um viel Geld.
Das OK in Wengen beansprucht mehr von den durch die Veranstaltung generierten und an Swiss Ski fliessenden TV-Geldern. Die Rede ist von einer Million Franken im Hinblick auf das nächste Rennen. Swiss Ski hat laut eigenen Angaben nachgebessert, aber nicht in der vom OK gewünschten Höhe.
Verstehen Sie Swiss Ski?
«Diese zusätzliche rund eine Million Franken pro Jahr, die das OK Wengen fordert, würden ansonsten dem Sport, sprich unseren Athletinnen und Athleten, sowie unserem Nachwuchs fehlen», hält Bernhard Aregger, CEO von Swiss-Ski, fest.
Neben dieser einen Millionen für die Lauberhornrennen 2021 gibt es laut Schweizer Fernsehen nämlich auch noch eine rückwirkende Forderung von insgesamt vier Millionen Franken für die vergangenen vier Jahre. Swiss Ski schliesst mit den Veranstaltern jeweils Verträge über fünf Jahre ab.
Statt Wengen steht nur «SUI» im Kalender
Seit 2016 haben sich der Verband und die Organisatoren der Lauberhornrennen für die Zeit von 2017 bis 2021 nicht einigen können. Die Rennen 2017 bis 2020 sind quasi im vertragslosen Zustand über die Bühne gegangen.
Es folgte die vom OK Lauberhorn eingebrachte Klage beim Sportgerichtshof CAS und ein seit einigen Wochen vorliegendes Zwischenurteil. Beide Parteien sprechen nicht öffentlich über den Inhalt dieses Zwischenurteils. Es dürfte tendenziell eher zugunsten des Lauberhorn-OKs ausgefallen sein.
Swiss Ski hat nun im provisorischen Langzeit-Weltcup-Kalender der FIS ab 2022 «Wengen» durch das Nationenkürzel «SUI» ersetzen lassen. Will heissen: Das Rennwochenende im Januar findet wohl auch ab 2022 in der Schweiz statt. Der Austragungsort aber ist noch offen. Er könnte, wenn man sich doch noch findet, aber auch weiterhin Wengen heissen.
Urs Näpflin, Präsident OK-Lauberhorn, hatte zu Wochenbeginn von dieser möglichen Option gehört. «Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass Swiss Ski beim FIS-Meeting tatsächlich so weit gehen wird», sagt Näpflin gegenüber skinews.ch.
Swiss Ski will Lauberhorn «nicht um jeden Preis»
Offenbar aber war er seiner Sache nicht ganz sicher, denn die am Mittwochmittag verschickte Medienmitteilung dürfte schon vor der Einreichung des Antrages am Mittwochmorgen verfasst worden sein. «Das ist keine Partnerschaft. Swiss Ski übt hier eine Diktatur aus und verweigert, obwohl wir die Hand mehrfach gereicht haben, das Gespräch», wettert Näpflin.
Aregger gibt sich zurückhaltender und streicht die Bedeutung, die Qualität und die Strahlkraft der Lauberhornrennen hervor. «Auch wir von Swiss Ski möchten das Rennwochenende am Lauberhorn beibehalten. Nicht aber um jeden Preis», sagt er. Der Skisport in der Schweiz finde nicht nur während der drei Tage der Lauberhornrennen statt und müsse eben auch an diesen andern Tagen finanziert werden können.
Die Lage ist verworren und verzwickt. Dass Swiss Ski und das OK-Lauberhorn gemeinsam einen Weg finden, scheint – Stand heute – nur mit einem Wunder möglich zu werden. Unter dem Strich droht, dass es durch diesen Streit letztlich nur Verlierer geben wird.
Wenn nicht rasch gehandelt wird, droht ein Stück Schweizer Sportgeschichte, ein Ski-Klassiker, ein touristisches Verkaufsargument für die Schweiz, ein fixer Bestandteil im Veranstaltungskalender des Berner Oberlandes und ein sportlicher Leckerbissen zu verschwinden.
Weltcup-Kalender ohne den Klassiker vorstellbar?
Man stelle sich die Formel-1 ohne den Grand-Prix in den Häuserschluchten von Monaco vor. Oder den Rad-Klassiker Paris-Roubaix ohne Kopfsteinpflaster-Passagen. Die Laufveranstaltung Grand-Prix von Bern ohne den Heart-Break-Hill am Aargauerstalden. Denkbar zwar, wie so vieles, aber sicher nicht wünschenswert.
So verhält es sich auch mit einem Weltcup-Kalender ohne Lauberhornrennen in Wengen. Weil sich das Organisationskomitee und Swiss Ski seit rund vier Jahren um die Finanzen streiten und dieser Streit am 20. Mai eskaliert ist, ist man dem Wegfall der traditionsreichen Rennen im Berner Oberland so nahe wie seit den späteren 1960er-Jahren nicht mehr.
Damals hätte die Durchführung der Wengener Rennen immerhin noch im Turnus mit Austragungsorten im Wallis und im Bündnerland stattfinden sollen. Damals machte sich (neben anderen) ein junger Mann im Schweizerischen Skiverband (SSV) stark dafür, dass die Lauberhornrennen ihren fixen Platz im Kalender bekommen.
Adolf Ogi: «Aus für Lauberhorn wäre Katastrophe»
Ist dieser Mann heute wieder gefragt? Denn es scheint klar, dass ohne Hilfe von Aussen das Verschwinden der Lauberhornrennen droht. Muss also Adolf Ogi, heute 77 Jahre alt, nach seinen Verdiensten von damals, seinen Tätigkeiten als Entscheidungsträger im SSV, als Politiker und Bundesrat, wieder eingreifen?
Es scheint so, dass der Karren ziemlich im Dreck sitzt und aus diesem durch Swiss Ski und das Lauberhorn-OK nur unter Mithilfe eines Mediators befreit werden kann. «Ich habe mich im falschen Film gewähnt, als ich diese Meldungen gelesen habe. Das war wirklich ein Schock für mich und ich hoffe inständig, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist», sagt Ogi, der seit 1965 bei jedem Lauberhornrennen vor Ort dabei gewesen ist.
Dass es in dieser Situation eine Vermittlung braucht, sieht der Alt-Bundesrat auch so. «Es muss mit allen Mitteln versucht werden, den schon angerichteten Schaden in Grenzen zu halten. Ein Aus für die Lauberhornrennen wäre eine Katastrophe für den internationalen Skirennsport, für die FIS, für Swiss Ski für den Schweizer Tourismus und für Wengen.»
Man spürt in den Worten des ehemaligen SSV-Direktors, dass ihn die Angelegenheit schmerzt. «Ja, das tut richtig weh. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es soweit kommt.»
Politik und Wirtschaft sind gefragt
Ogi, der sich in der aktuellen Situation nicht in der Rolle des Vermittlers sieht, aber bei Bedarf als Berater mit seinem Erfahrungsschatz zur Verfügung stehen würde, verlangt eine «starke, und von den streitenden Parteien unabhängige Persönlichkeit» als Mediator. Da sich die offenen Fragen aber sowohl um Sport wie auch um Wirtschaftlichkeit drehen, sieht Ogi primär einen CEO einer national bedeutenden Firma oder auch eine Grösse aus der Politik in dieser Funktion.
«Der Skisport kann solche Querelen wirklich nicht brauchen. Aber der Imageschaden ist spätestens seit heute da und es geht nur noch um Schadensbegrenzung. Und diese liegt im Interesse aller», betont Adolf Ogi. Einen Vorschlag, wer denn Mediator sein könnte, macht der Alt-Bundesrat auch noch: «Alt-Nationalrat Franz Steinegger hätte das Zeug dazu.»
«Er ist dem Skisport stark verbunden, kommt als Urner aus der Mitte der Schweiz und hat als Mensch und als ehemaliger Politiker die Grösse für eine solche Aufgabe.» Franz Steinegger ist schon bei einem Streit zwischen der SBB-Leitung und Streikenden von SBB Cargo als Mediator aufgetreten und als Leiter des kantonalen Krisenstabes bei den Unwetterkatastrophen von 1977 und 1987 in Uri verdiente er sich dank seines umsichtigen Handelns den Beinamen «Katastrophen-Franz».
Bundesamt für Sport «nicht der richtige Partner»
Denkbar wäre auch, dass Swiss Olympic als Dachverband des Schweizer Sports die beiden Parteien an einen Tisch bringen könnte. «Das ist grundsätzlich eine Möglichkeit», hält Alexander Wäfler, Leiter Medien und Information bei Swiss Olympic, fest. «Aber es müssen beide Parteien mit uns als Mediator einverstanden sein.»
Beim Bundesamt für Sport (BASPO) sieht man sich nach einer entsprechenden Frage von skinews.ch hingegen nicht in der Lage, eine solchen Rolle übernehmen zu können. «Wir wären hier sicher nicht der richtige Partner», sagt Christoph Lauener, Leiter Kommunikation beim BASPO.
Ob Ogi, Swiss Olympic, eine starke Persönlichkeit aus Politik oder Wirtschaft – Fakt ist, dass rasch ein Vermittler auf den Plan treten muss. Denn die von skinews.ch geführten Gespräche mit Bernhard Aregger (Swiss Ski) und Urs Näpflin (OK-Lauberhorn) zeigen eines deutlich: die Fronten sind verhärtet, es braucht rasch externe Hilfe. In einem Jahr wird bestimmt, wo das traditionelle «Lauberhorn-Wochenende» 2022 stattfinden wird – in Wengen, wo es hingehört, oder ob andernorts eine neue Ära anbricht.