Afghanistan: Taliban auf dem Vormarsch

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Afghanistan,

Die Taliban sind wieder auf dem Vormarsch. Seit fünf Tagen umzingeln sie die strategisch wichtige Stadt Ghazni. Was geschieht nun mit den Friedensbemühungen?

Särge mit Leichen in einem Spital in Afghanistan. Die afghanische Regierung bestätigt am 13. August, dass über 300 Menschen bei der Offensive der Taliban auf die Stadt Ghazni getötet wurden.
Särge mit Leichen in einem Spital in Afghanistan. Die afghanische Regierung bestätigt am 13. August, dass über 300 Menschen bei der Offensive der Taliban auf die Stadt Ghazni getötet wurden. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die letzten fünf Tage haben die Taliban in Afghanistan eine Grossoffensive lanciert.
  • Die afghanische Regierung kontrolliert nur rund 56 Prozent des Landes.
  • Die Hoffnung der Regierung liegt auf einem weiteren Waffenstillstand mit den Taliban.

Seit letztem Freitag erschüttert eine grossangelegte Offensive der radikalislamischen Taliban Afghanistan. Rund 1000 Kämpfer stürmten die Provinzhauptstadt Ghazni südwestlich der Hauptstadt Kabul. Afghanische Beamte behaupten, dass auch ausländische Kämpfer aus Pakistan, Tschetschenien und Al-Kaida-Kämpfer am Überfall beteiligt waren. Über 100 Sicherheitskräfte, rund 20 bis 30 Zivilisten und bis zu 200 Talibankämpfer werden laut dem afghanischen Verteidigungsminister getötet.

Die Taliban schafften es, einen Fernmeldeturm zu zerstören. Zudem griffen sie Büros mehrerer Medien an. Das Strom- und Mobilfunknetz kam zum Erliegen. Inzwischen sollen sich die Gefechte in die Aussenbezirke der Stadt verlagert haben. Am Samstag hiess es noch bei der afghanischen Regierung und Vertretern der USA, dass sich die Stadt unter Kontrolle der Regierungstruppen befinde. Doch nun dauert die Belagerung der Taliban bereits fünf Tage – die Lage sei «chaotisch».

US-geführte Intervention

Die Taliban traten erstmals 1994 in der südlichen Stadt Kandahar in Erscheinung. Im September 1996 nahmen sie die Hauptstadt Kabul ein und herrschten daraufhin über grosse Teile Afghanistans, bis sie 2001 durch die US-geführte Intervention gestürzt wurden. Die Intervention war die Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September, für welche die mit den Taliban verbündete Terrororganisation al-Kaida verantwortlich gemacht wurde.

Taliban
Kämpfer der Taliban feiern den Fall der Hauptstadt Kabul. - Keystone

Die inzwischen 17 Jahre Kampf gegen die Miliz vermochten bisher nicht, die Taliban ganz zu zerschlagen. Seit dem Ende der Nato-Kampfmission 2014 hat nun die afghanische Armee den Lead im Kampf gegen die Miliz – und diese scheint nun wieder stärker zu werden. Die US-Armee steht der afghanischen Armee weiterhin beratend zur Seite, hat die Truppen aber auf rund 14'000 Mann reduziert.

Zudem unterstütz die US-Armee die lokale Armee mit Luftschlägen. Rund 3000 Bomben wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres abgeworfen. Doch das alleine scheint nicht zu reichen, um die Taliban endgültig zu besiegen.

Afghanistan.
Afghanistan. - Google-Maps

Doch keine Fortschritte?

Der Angriff auf die rund 280'000 Einwohner zählende Stadt zeigt, dass die Fortschritte im Kampf gegen die Taliban – von denen die afghanische Regierung und die US-Armee immer wieder sprechen – nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Die Stadt liegt nur knapp 150 Kilometer von Kabul entfernt und mitten auf der strategisch wichtigen Nord-Südachse zwischen den zwei grossen Städten Kabul und Kandahar. Seit Monaten wird Ghazni nun schon von den Taliban umzingelt. Teilweise blockierten sie Strassen und verlangten Wegzoll. Bald könnten sie auch Kabul umzingeln, so fürchten nun viele.

Ghazni liegt knapp drei Autofahrstunden von Afghanistans Hauptstadt Kabul entfernt.
Ghazni liegt knapp drei Autofahrstunden von Afghanistans Hauptstadt Kabul entfernt. - Google-Maps

Ohnehin kontrolliert die Regierung laut der US-Armee nur gerade mal 56 Prozent des Landes. Die Taliban ihrerseits 14 Prozent. Die restlichen Gebiete sind umkämpft. Dies hängt auch mit lokalen Stammesfehden zusammen, die mit ein Grund sind, weshalb es für die Regierung schwierig ist, die Regionen unter Kontrolle zu halten. So etwa auch in der Region um Ghazni, wo es immer wieder zu Zwist zwischen Paschtunen und Hazara-Stämmen kommt.

Hoffnung auf weiteren Waffenstillstand

Im letzten Juni kam es seit der US-geführten Intervention 2001 erstmals zu einem landesweiten Waffenstillstand. Daraufhin fanden erstmals direkte Gespräche zwischen US-Diplomaten und Vertretern der Taliban statt. Diese Entwicklungen lassen aufhorchen, tut sich doch damit eine Mini-Chance auf ein Ende des Krieges auf.

Im Juni 2018 kommt es zum ersten landesweiten Waffenstillstand. Talibankämpfer und die Bevölkerung von Surkhroad District feiern diesen kurzen Frieden.
Im Juni 2018 kommt es zum ersten landesweiten Waffenstillstand. Talibankämpfer und die Bevölkerung von Surkhroad District feiern diesen kurzen Frieden. - Keystone

Am 20. Oktober sollen nun in Afghanistan die Parlamentswahlen stattfinden. Seit über 3 Jahren sind diese nun überfällig, da sie mehrmals wegen Sicherheitsbedenken und logistischen Problemen verschoben wurden. Nun liegt die Hoffnung der Regierung auf einem zweiten Waffenstillstand. Doch die erneuten Angriffe der Taliban trüben diese Hoffnung und machen es für die Regierung schwierig, der Bevölkerung ihre Bemühungen für einen weiteren Waffenstillstand zu begründen.

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