Morbus Crohn hat mein Leben auf den Kopf gestellt

Seline hat die Krankheit Morbus Crohn. Sie erzählt, wie die Erkrankung ihr Leben veränderte und welchen Leidensweg sie gehen musste. Teil 1 ihrer Geschichte.

Seline hat die Krankheit Morbus Crohn. - unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Krankheit Morbus Crohn ist eine chronische, unheilbare Darmschleimhautentzündung.
  • Für Nau.ch erzählt Seline ihren Leidensweg mit der Krankheit.
  • Nicht immer ist eine Krankheit sichtbar, die die Menschen mit sich herumtragen, so Seline.

Von heute auf morgen wurde ich mit jemandem bekannt gemacht. Dieser irgendjemand stellte sich nicht vor, fragte nicht, ob ich ihn kennenlernen wollte und dennoch war er plötzlich da.

Bei mir war es die Krankheit Morbus Crohn, eine chronische Darmschleimhautentzündung.

Als hätten sich meine schlechten Kindheitswünsche erfüllt

Als ich in die Primarschule ging, wünschte ich mir häufig eine Krankheit, da ich das Mobbing nicht länger aushalten wollte. Da sage mir jemand, Wünsche werden nicht wahr!

Im April 2014 erhielt ich meine Periode zwei Wochen zu früh. Ich hatte schlimmere Krämpfe als sonst, war wie in Trance und hatte mehr Stuhlgänge als sonst (zwischen 20 und 40 Minuten dauerte eine «Sitzung»). Innerhalb von zwei Tagen nahm ich von 62 auf 57 Kilogramm ab.

Ich dachte aber, dass Unregelmässigkeiten während der Menstruation normal sind.

Die Krankheit Morbus Crohn ist eine chronische Darmschleimhautentzündung. - unsplash

Nach den besagten Tagen wurden meine Blutungen schlimmer und meine Mutter und ich vereinbarten einen Arzttermin. Unzählige Untersuchungen später schickte mich mein damaliger Arzt zu einem Gastroentrologen für eine Magen- und Darmspiegelung.

Der erklärte uns, dass ich eine Darmschleimhautentzündung habe. Die «Sitzungen» auf dem Klo kämen daher, dass mein Enddarm den Stuhlgang nicht mehr selbst halten kann, während ich Schübe habe.

Daher könne es vorkommen, dass ich mir in die Hose mache. Ich solle mich nicht schämen und immer eine frische Hose und eine Rolle Klopapier dabeihaben.

«Wieso ich?»

Ich wollte diese Krankheit nicht an mich ranlassen. Das einzige, das sich innerlich immer wieder im Kopf wiederholte war «Wieso ich?» und «Das kann nicht sein». Ich funktionierte die nächste Zeit nur noch. Mit meiner Mutter bin ich von einer Untersuchung zur nächsten Blutabnahme gerannt.

Das ganze Prozedere nagte an mir. Ich fühlte mich gestresst und hatte somit mehr Schübe. Mein damaliger Partner versprach, mich zu unterstützen.

Irgendwann habe ich aus Angst vor den Schmerzen nichts mehr gegessen.

Ich dachte, wenn ich nichts esse, habe ich keine «Sitzungen» und somit bin ich schmerzfrei. Das ging aber nur einen Tag lang gut. Durch die «Sitzungen» im Klo verlor ich nicht nur an Gewicht und Eisen, sondern auch viel Blut. Meine Kleider in Grösse 40 wurden zu gross und schlabberten nur noch an mir rum.

Mein damaliger Chef sagte, ich solle mich zusammenreissen

Ich hatte damals gerade einen neuen Job angefangen, der wirklich toll war. Auf den ersten Blick zumindest.

Nach der Probezeit entpuppte er sich als Choleriker und seine Laune war jeden Tag aufs Neue eine unschöne Überraschung.

Die Beleidigungen und seine laute Stimme waren noch das Harmloseste. Während dieses Jobs waren meine Schübe sehr schlimm. Ich roch aus dem Mund, egal wie viele Rucolas oder Tick Tacks ich einwarf. Ich hatte dauernd Klositzungen, auch während der Arbeit. Dieser Job war die Hölle und dennoch blieb ich zweieinhalb Jahre da.

Mein damaliger Chef kaufte mir Medikamente. - unsplash

Ich brauchte das Geld. Der Chef wusste das und nutze es aus. Er kaufte mir Medikamente, Ging- Seng-Tabletten, die ich vor Ihm einnehmen musste, da er sonst getobt hätte.

Er meinte, dass ich wie eine Sau aus dem Mund rieche. Ein paar Mal habe ich die von ihm gekauften Medikamente eingenommen, mich danach aber geweigert.

Bei einer Infusion im Spital erhielt ich plötzlich eine allergische Reaktion und wurde mit einem ärztlichen Zeugnis nach Hause geschickt. Der Chef wollte dies nicht hören und meinte daraufhin, ich solle mich zusammenreissen.

Neue Therapiemöglichkeit

Das Spital setzte sich zu einem späteren Zeitpunkt für eine neue Therapiemöglichkeit mit mir in Verbindung. Ein Humira-Pen, den ich wie bei einem Diabetespatienten, in den Bauch spritzen musste.

Als das Spital einmal einige Tage mit der Spritze im Verzug war, erhielt ich Entzugserscheinungen: Schüttelfrost, Zitteranfälle, Schweissausbrüche und Stottern. Von heute auf morgen setzte ich deswegen diese Spritze ab.

Ich konnte nicht mehr, war innerlich müde und ausgelaugt. Jeden Tag verlor ich mehr Gewicht. Ich hatte auf nichts mehr Bock und wollte nur noch schlafen. Mein damaliger Partner sah es überhaupt nicht ein, wieso ich bei diesem Chef kündigen und nur noch ins Bett krabbeln wollte.

Er meinte, wer schlafen kann, kann auch arbeiten. Er konnte sich nur schlecht in mit hineinversetzten und überredete mich durchzubeissen.

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Beitrag verfasst von Seline, 26, aus Brienz

Im zweiten Teil des Artikels berichtet Seline, wie sie es geschafft hat, sich aus der toxischen Beziehung zu lösen und beruflich einen Schlussstrich zu ziehen. Morgen hier auf Nau.ch.