Vier Mal mehr resistente Keime
Bei jedem fünften Bewohner eines Schweizer Pflegeheims finden sich Kolibakterien, denen Antibiotika nichts anhaben können – vier Mal mehr als vor zehn Jahren.
Das Wichtigste in Kürze
- Krankheitserreger, denen Antibiotika nichts anhaben können, breiten sich aus – vor allem in Pflegeheimen.
- Jede fünfte Probe aus Pflegeheimen enthielt resistente Kolibakterien – vier Mal mehr als vor zehn Jahren.
- In der Romandie gibt es mehr Resistenzen als in der Deutschschweiz, denn dort ist der Antibiotikakonsum höher.
Eine der grössten Gefahren für die Gesundheit der Menschheit sind für die Weltgesundheitsorganisation Bakterien, gegen die gängige Antibiotika nichts ausrichten können. Speziell gefährdet sind ältere Personen in Pflegeheimen. Diese leiden oft an Krankheiten, deren Behandlung Antibiotika erfordert, etwa Harnwegsinfekte. Doch der häufige Einsatz der Medikamente hat zur Folge, dass sich in den Pflegeheimen besonders viele resistente Keime tummeln. Nun hat Philipp Kohler, Infektiologe am Kantonsspital St. Gallen, erstmals untersucht, wie oft solche Erreger in Schweizer Pflegeheimen vorkommen. Dazu hat er Daten einer nationalen Datenbank ausgewertet, bestehend aus Bakterienproben unter anderem aus dem Urin von erkrankten Altersheimbewohnern aus der ganzen Schweiz.
Das Resultat: 2017 enthielt jede fünfte Probe resistente Darmbakterien der Art Escherichia coli – noch vor zehn Jahren war es erst jede zwanzigste. Das seien zwar tiefere Werte als in anderen Ländern, sagt Andreas Kronenberg, Infektiologe an der Uni Bern und Mitautor der Studie. Dennoch sei die Lage ernst. Denn wenn resistente Keime auftreten, sind für die Behandlung aggressivere Antibiotika nötig, und diese können wiederum zu neuen Resistenzen führen. «Je mehr Antibiotika die Ärzte verschreiben, desto mehr resistente Keime gibt es», sagt Kronenberg. Ein Teufelskreis also.
Unispital ist Einfallstor
Das bestätigen auch die Daten aus der Romandie: In den dortigen Pflegeheimen gibt es mehr resistente Kolibakterien, und zwar, weil dort der Antibiotikakonsum höher ist als in der Deutschschweiz. Auch die Nähe zu Frankreich spiele eine Rolle, sagt Kronenberg. Denn in Frankreich werden nochmals mehr Antibiotika verschrieben. «So bringen französische Patienten resistente Bakterien ins Unispital Genf.» Und weil Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen auch oft im Spital sind, würden sich die Keime von Ort zu Ort weiterverbreiten. «Resistente Erreger machen nicht an Grenzen Halt», sagt Kronenberg. «Als einzelnes Land ist es schwierig, etwas gegen Antibiotikaresistenzen zu tun.»
Was kann man also tun? Neben weniger Antibiotikaverschreibungen hilft auch die schnelle Isolation von betroffenen Patienten. Dies zeigt die Entwicklung bei resistenten Erregern des Typs Staphylococcus aureus. Das ist der klassische Spitalkeim, von dem es heute weniger resistente Keime gibt als vor zehn Jahren.
Noch sei die Forschung zu Resistenzen in Altersheimen ganz am Anfang, sagt Studienleiter Kohler. Deshalb plant er, in einigen Altersheimen der Deutsch- und Westschweiz systematisch sowohl gesunde wie kranke Bewohner zu auf Resistenzen zu testen. Dies wird die Grundlage für weitere Massnahmen sein. Vorstellbar wäre es laut Kohler etwa, dass sich künftig alle Patienten aus Pflegeheimen bei Spitaleinweisungen Resistenztests unterziehen müssen. Oder dass neue Richtlinien für jene Hausärzte geschaffen werden, die Patienten in Pflegeheimen behandeln, um so den Antibiotikaverbrauch in diesen Institutionen zu senken. Doch auch so wird sich die Gefahr nicht so leicht bannen lassen.
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