Trump wollte Wahl offenbar mit Justizministerium kippen

Brachte Ex-Präsident Donald Trump die USA an den Rand einer Verfassungskrise? Im Untersuchungsausschuss zum inzwischen berüchtigten 6. Januar kommen weitere pikante Details an die Öffentlichkeit.

Der ehemalige geschäftsführende US-Justizminister Jeffrey Rosen (l) lauscht der Aussage seines damaligen Stellvertreters, Richard Donoghue. - Jacquelyn Martin/AP/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Ex-Präsident Donald Trump wollte das US-Justizministerium nach Angaben der damaligen Führung des Ressorts dafür missbrauchen, seine Niederlage bei der Präsidentenwahl 2020 abzuwenden.

Der damalige geschäftsführende Justizminister Jeffrey Rosen und dessen Stellvertreter Richard Donoghue schilderten bei einer Anhörung des Untersuchungsausschusses zur Erstürmung des US-Kapitols, wie Trump sie vehement unter Druck gesetzt habe. Bei der Sitzung am Donnerstag gaben Zeugen ausserdem an, dass mehrere republikanische Abgeordnete um eine vorauseilende Begnadigung Trumps gebeten hätten.

Dokumente und aufgezeichnete Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern des Weissen Hauses zeigten bei der Sitzung des Ausschusses, dass sich nach dem 6. Januar unter anderem die Abgeordneten Matt Gaetz, Mo Brooks, Scott Perry und Louie Gohmert um eine solche Begnadigung auch für sich selbst bemüht haben, um vor Strafverfolgung geschützt zu sein. Auch der Name der für die Verbreitung von rechten Verschwörungstheorien bekannten US-Kongressabgeordneten Marjorie Taylor Greene fiel in der Anhörung in diesem Zusammenhang - die Zeugin gab an, von einer solchen Anfrage Greenes gehört zu haben. Einige Angeordnete wie Perry und Gohmert wiesen den Vorwurf zurück. Greene warf dem Ausschuss vor, sich auf Hörensagen zu verlassen.

Die Zeugen Donoghue und Rosen, die unter Trump im Justizministerium arbeiteten, gaben an, dass der damalige Präsident ihnen damit gedroht habe, die Spitze des Hauses neu zu besetzen, um ein Vorgehen der Behörde gegen angeblichen Wahlbetrug zu erreichen. Rosen erklärte, in seiner kurzen Amtszeit an der Spitze des Ministeriums habe Trump ihn vom 23. Dezember 2020 bis zum 3. Januar 2021 praktisch täglich angerufen oder in Videoschalten mit ihm gesprochen. Donoghue erklärte, Trump habe «ein Arsenal an Behauptungen» zu angeblichen Fällen von Wahlbetrug gehabt, «auf das er sich stützen wollte». Der Präsident habe mit Nachdruck gefordert, das Justizministerium solle diese untersuchen. Es habe sich dabei aber um grundlose Behauptungen oder Verschwörungstheorien gehandelt. «Diese Behauptungen waren schlicht gegenstandslos», sagte Donoghue.

Führungsspitze drohte kollektiv mit Rücktritt

Das Justizministerium habe sich an das Recht und die Fakten gehalten, betonte Rosen. Trump habe unter anderem versucht, das Ressort dazu zu bewegen, in einem Schreiben zu erklären, dass die Wahl korrupt gewesen sei, schilderte Donoghue. Trump sagte demnach, den «Rest» - also das Kippen des rechtmässigen Wahlergebnisses - würden dann er und seine republikanischen Verbündeten im Kongress erledigen. Donoghue betonte, das Schreiben hätte das Ministerium auf gefährlich Weise politisch instrumentalisiert. «Es hätte uns wohl in eine Verfassungskrise abgleiten lassen», sagte er.

Angesichts der Weigerung der Ministeriumsspitze, ihn zu unterstützen, drohte Trump demnach damit, Rosen durch den Spitzenbeamten Jeffrey Clark zu ersetzen, der willens war, die Behörde zur Untergrabung der Wahl zu nutzen. Bei einem dramatischen Meeting im Weissen Haus sei Trump deswegen am 3. Januar klargemacht worden, dass in diesem Fall fast die gesamte Führungsspitze des Ministeriums sofort zurücktreten würde, schilderten Rosen und Donoghue übereinstimmend. Rosen betonte, auch der Rechtsberater des Weissen Hauses, Pat Cipollone, habe Trump abgeraten, die Spitze des Ministeriums zu feuern.

Ein Mitglied des Untersuchungsausschusses, der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger, fasste es so zusammen: «Präsident Trump hat versucht, seine Wahlniederlage durch die Ernennung eines unqualifizierten Manns an der Spitze des Justizministeriums ungeschehen zu machen. Es war ein Schachzug, um um jeden Preis zu gewinnen - unabhängig vom Willen der Menschen in Amerika.» Für Trump seien Tatsachen dabei «irrelevant» gewesen. «Was bringen ihm Fakten, wenn diese nur seine Niederlage bestätigen würden?», fragte Kinzinger, der bei den Republikanern im Kongress einer der wenigen prominenten Trump-Kritiker ist. «Zusammengefasst: Er war bereit, unsere Republik zu opfern, um seine Präsidentschaft zu verlängern.»

Trump-Lager scheiterte mit Dutzenden Klagen

Rosen und Donoghue waren erst im Dezember 2020 für die letzten Wochen von Trumps Amtszeit auf ihre Posten gekommen, nachdem Justizminister William Barr im Streit über das Ergebnis der Präsidentenwahl seinen Rücktritt eingereicht hatte. Barr hat Trumps Betrugsfantasien inzwischen als «Schwachsinn» (Original: Bullshit) und «verrückt» bezeichnet. Trump behauptet bis heute ohne Belege, durch Betrug um den Sieg bei der Wahl im November 2020 gebracht worden zu sein. Sein Lager scheiterte mit Dutzenden Klagen. Über Wochen hinweg versuchte der Republikaner mit fragwürdigsten Methoden, den Erfolg des Demokraten Joe Biden zu kippen. Der Widerstand gipfelte im Angriff auf das Kapitol, den Sitz des Parlaments.

Dokumente und aufgezeichnete Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern des Weissen Hauses bestätigten bei der Sitzung des Ausschusses, dass sich nach dem 6. Januar mehrere republikanische Abgeordnete um eine vorauseilende Begnadigung durch Trump bemühten. Unter anderem die Abgeordneten Matt Gaetz, Mo Brooks, Scott Perry und Louie Gohmert hätten sich darum bemüht, um angesichts ihrer Unterstützung von Trumps Bemühungen vor möglicher Strafverfolgung geschützt zu sein.

Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Bidens Wahlsieg zu zertifizieren. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Der Angriff auf das Herz der US-Demokratie erschütterte das Land.