Ukraine spricht deutsche Bedenken an - Die Nacht im Überblick

Die Ukraine bekräftigt ihre Forderung nach Marschflugkörpern Taurus aus Deutschland und versucht Bedenken in Berlin gegen die Lieferung auszuräumen.

Ein Tornado-Kampfjet der Bundeswehr ist mit einem Marschflugkörper Taurus bestückt. Liefert Deutschland die Waffen an die Ukraine? - Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Der ukrainische Aussenminister Kuleba versichert Einsatz der Raketen in der Ukraine.
  • Die Ukraine braucht die Waffen, um russische Stützpunkte anzugreifen.

Wegen ihrer hohen Reichweite würden die Taurus militärisch dringend benötigt – genauso wie die ebenfalls erbetenen ATACMS aus den USA, erklärte Aussenminister Dmytro Kuleba in Kiew. Er sicherte zu: «Beide werden ausschliesslich innerhalb unserer Grenzen eingesetzt werden.» Ähnlich äusserte sich Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar.

Die Befürchtung, dass die Ukraine mit den bunkerbrechenden Waffen russisches Gebiet beschiessen könnte, gilt als Grund für das Zögern in Berlin.

Druck auf Olaf Scholz steigt

Allerdings steigt der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Taurus-Lenkraketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine zu liefern. Einem «Spiegel»-Bericht zufolge wird erwogen, die Waffen so zu programmieren, dass sie nicht gegen Ziele in Russland gerichtet werden können.

Schwere Gefechte im Nordosten

An der Front im Osten und Süden der Ukraine gab es unterdessen weiter schwere Gefechte, wie der ukrainische Generalstab am Freitagabend meldete. Die Militärverwaltung von Sumy berichtete zudem erneut von russischem Beschuss des ukrainischen Gebiets im Nordosten nahe der Grenze zu Russland.

Grosse Teile der Region Sumy bleiben weiterhin umkämpft. - Keystone

Über Teilen der von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim wurde in der Nacht die Flugabwehr aktiviert. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine dauert bereits fast anderthalb Jahre. Samstag ist der 535. Kriegstag.

Russische Angriffe an allen Frontabschnitten

Der ukrainische Generalstab berichtete für Freitag von heftigem russischem Artilleriebeschuss und von Luftangriffen an fast allen Frontabschnitten. Am Boden versuchten russische Truppen bei Kupjansk, Bachmut, Awdijiwka und Marjinka vorzurücken. Diese Angriffe seien abgewehrt worden, hiess es im Abendbericht. Unabhängig überprüfbar sind die Militärangaben nicht. Es wurde nichts zu eigenen Angriffen im Rahmen der ukrainischen Gegenoffensive berichtet.

Bei einem russischen Raketenangriff sei es gelungen, eine von vier Hyperschallraketen des Typs Kinschal abzufangen. Einschläge gab es den Angaben nach im Westen des Landes, wo die ukrainische Luftwaffe ihre Stützpunkte hat.

Russische Flugabwehr über Krim aktiviert

Über Teilen der von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim wurde in der Nacht die Flugabwehr aktiviert. Das teilte Oleg Krjutschkow, ein Berater der Krim-Führung, am frühen Samstagmorgen bei Telegram mit.

In sozialen Medien war von möglichen Drohnenangriffen die Rede. Über der Krim hatte die russische Flugabwehr zuletzt angeblich mehrfach Drohnen abgewehrt.

Kiew fordert Zusage für Taurus-Lenkraketen

«Je grösser die Reichweite, desto kürzer der Krieg», schrieb Kuleba am Freitag im sozialen Netzwerk X (früher Twitter) über die erbetenen Marschflugkörper. «Wir bitten unserer Partner, sie so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen.»

Die Ukraine braucht diese Waffen, um russische Stützpunkte und Versorgungslinien weit hinter der Front auszuschalten. Von Grossbritannien und Frankreich hat die Ukraine bereits ähnliche Marschflugkörper des Typs Storm Shadow/Scalp bekommen. Auch diese wurden nicht gegen russisches Staatsgebiet, sondern nur gegen Ziele in den russisch besetzten Teilen der Ukraine eingesetzt.

Ein Tornado-Kampfjet der Bundeswehr ist mit einem Marschflugkörper Taurus bestückt. Liefert Deutschland die Waffen an die Ukraine? - Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa

Die Ukraine halte sich an Völkerrecht, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Maljar dem ZDF-«heute-journal». «Das bedeutet, dass die Ukraine sich nur auf ihrem Territorium verteidigt.» Strategisches Ziel sei die Befreiung der von Russland besetzten Gebiete.

Ukraine sucht Alternativrouten für Getreideexporte

«Wir tun alles, was möglich ist, damit die Ukraine weiter ein Garant für Ernährungssicherheit ist», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Auch brauche die Bevölkerung der Ukraine Zugang zu den Weltmärkten. Russland hatte Mitte Juli seine Sicherheitsgarantien für ukrainische Getreideausfuhren über das Schwarze Meer zurückgezogen.

Odessa nach einem Bombenangriff. (Symbolbild) - keystone

Mit Luftangriffen auf Häfen wie Odessa versuchte Moskau dann, die Infrastruktur für solche Exporte zu zerstören. Auch ukrainische Häfen an der Donau, durch die eine Ausweichroute läuft, wurden angegriffen. Der Transport von Agrarprodukten mit Eisenbahn oder Lastwagen ist aufwendiger und teurer als das Verschiffen.

USA verhängt Sanktionen gegen russische Bankchefs

Die US-Regierung hat Sanktionen gegen vier – wie es hiess – «prominente Mitglieder der russischen Finanzelite» verhängt. Sie seien mit der Alfa Gruppe verbunden, einem der grössten Finanz- und Industriekonzerne in Russland, teilte das Aussenministerium mit. Betroffen sind die Oligarchen Michail Fridman, Mitbegründer der Alfa Gruppe, German Chan, Alexej Kusmitschow und Pjotr Awen. Als eine Folge werden mögliche Vermögenswerte in den USA gesperrt.

Russische Wirtschaft wächst wieder

Die russische Wirtschaft ist im Frühjahr nach offiziellen Angaben wieder gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im zweiten Quartal um 4,9 Prozent zum Vorjahr zu, wie das Statistikamt bekanntgab. Zuvor war die russische Wirtschaft vier Quartale in Folge im Jahresvergleich geschrumpft. Allerdings beruht das Wachstum vor allem auf Staatsausgaben, auf den hohen Kosten für den Krieg gegen die Ukraine. Der private Konsum wird durch gestiegene Sozialleistungen und höhere Löhne beflügelt. Der Rubel ist zum Dollar und zum Euro auf den niedrigsten Stand seit März 2022 gefallen.

Was am Samstag wichtig wird

Das Augenmerk richtet sich weiter auf die ukrainische Gegenoffensive, die bisher nur mühsam vorankommt.