Wahlkampf in Russland: Opposition am Boden, Kremlpartei siegessicher
In Russland hat der Wahlkampf begonnen. Amtsinhaber Putin kann zuversichtlich sein: Sein grösster Konkurrent sitzt im Straflager fest.
Das Wichtigste in Kürze
- In Russland findet am 19. September eine Abstimmung statt.
- Die Kremlpartei um Präsident Wladimir Putin ist siegessicher.
- Die Opposition dringt mit ihren Botschaften nicht durch, so ein Politologe.
Um das Machtmonopol der Kremlpartei Geeintes Russland muss sich Präsident Wladimir Putin wohl kaum noch Sorgen machen. Rechtzeitig zu Beginn des Wahlkampfes für ein neues Parlament ist der führende Oppositionelle Alexej Nawalny im Straflager kaltgestellt.
Der 44-Jährige wollte bei der Abstimmung am 19. September die Dominanz der «Partei der Gauner und Diebe», wie er sie nennt, brechen. Auch die Mitstreiter des bekanntesten politischen Gefangenen Russlands sehen sich als Extremisten und Volksfeinde an den Pranger gestellt. Strassenproteste sind wegen der Corona-Pandemie verboten. Doch aufgeben will die zersplitterte Opposition trotz allem nicht.
Kremlchef Putin spricht von einer «grossen Bedeutung der Wahl für die Entwicklung und die Souveränität» Russlands. Die Staatsduma mit ihren fast durchweg systemtreuen Kräften auf den 450 Sitzen ist seine Machtbasis.
Der 68-Jährige hat gerade Wahlleiterin Ella Pamfilowa für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt, damit alles nach Plan läuft. In der Vergangenheit kritisierten Beobachter immer wieder Wahlmanipulation. Pamfilowa aber lächelt das weg.
Urnengang soll Putin-Zustimmung messen
Der Urnengang sei eine Art Referendum, um den Grad der Zustimmung zu Putin und zum Machtapparat zu messen, schreibt der Politologe Andrej Kolesnikow in einer Analyse der Denkfabrik Moskauer Carnegie Zentrum.
«Es ist ein ritueller Automatismus: Der artige Bürger stimmt für den ewigen Präsidenten, die regierende Partei und die Kandidaten des Machtapparats.» Der Durchschnittsrusse sei angesichts geringer Löhne und verbreiteter Armut zwar äusserst unzufrieden. Er lasse das Negative - wie von Nawalny herausgekehrt - aber nicht an sich heran.
Opposition dringt nicht durch
Die Opposition dringe mit ihren Botschaften nicht durch, viele Russen verliessen sich lieber auf das derzeitige autoritäre System als Quelle verlässlicher sozialer Hilfe, sagt Kolesnikow. «Angesichts einer wachsenden Abhängigkeit vom Staat - in puncto Finanzen und Arbeitsplätzen - befürchtet der Durchschnittsbürger wie früher, dass es bei einem politischen Regimewechsel nur schlimmer werden könnte.»
Neben der Kremlpartei sind bisher die Kommunisten, die rechtspopulistische Liberaldemokratische Partei des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski und die unlängst nach einer Fusion mit anderen politischen Kräften erweiterte Partei Gerechtes Russland im Parlament vertreten. Eine echte Opposition gibt es in der Duma schon seit Jahren nicht mehr.