Corona-Inzidenz steigt zum fünften Mal in Folge deutlich
Die Pandemie nimmt in Deutschland wieder deutlich Fahrt auf. Die dritte Welle läuft - obwohl das Ausmass der Lockerungen bisher noch überschaubar ist. Wie schlimm droht die Lage zu werden?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ist zum fünften Mal in Folge deutlich gestiegen.
Am Montag lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 82,9 und damit weit höher als am Vortag (79,1), wie aus den Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorging. Einen solchen Wert hatte es zuletzt am 3. Februar gegeben. Danach war die Inzidenz noch einige Zeit gesunken, ein Tiefstand wurde mit 56,8 am 19. Februar erreicht.
Seither geht es mit dem Wert in der Tendenz wieder merklich aufwärts. Wie stark dabei neben ansteckenderen Virusvarianten und dem Verhalten der Menschen im Zuge erster Lockerungen zuletzt auch die eingeführten Schnelltests einen Einfluss haben könnten, ist noch unklar. Angenommen wird, dass sich darüber mehr Infektionen aufspüren lassen, die dann mit einem PCR-Test bestätigt werden und in die Statistik einfliessen. In den bisher verfügbaren Daten sticht allerdings noch keine sehr starke Zunahme bei der Zahl der wöchentlichen PCR-Tests ins Auge.
Der bisherige Höchststand der Inzidenz war am 22. Dezember 2020 mit 197,6 erreicht worden. Die dritte Welle könnte nach einer Prognose des RKI weitaus schlimmer werden: Das Institut prognostiziert in der Woche nach Ostern höhere Neuinfektionszahlen als rund um Weihnachten. Die Inzidenz könnte dann bei 350 liegen, wie es im Lagebericht vom Freitagabend heisst. Demnach zeigt sich bei der Variante B.1.1.7 ein exponentiell ansteigender Trend der Sieben-Tage-Inzidenz seit der zweiten Kalenderwoche. Alle zwölf Tage habe sich diese verdoppelt.
Bestätigt wird der Hinweis auf eine zunehmend in Schwung kommende dritte Welle von der Entwicklung der sogenannten Reproduktionszahl. Der im abendlichen Lagebericht des RKI angegebene bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag in den vergangenen zwei Wochen (seit 1. März) nur fünf Mal unter 1 und vor allem in den vergangenen Tagen deutlich darüber. Ein Wert über 1 bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch mehr als 100 weitere Menschen anstecken - ein anhaltend über 1 liegender Wert gilt darum als Signal für eine Zunahme beim Infektionsgeschehen. Das Sieben-Tage-R vom Sonntagabend lag laut RKI-Lagebericht bei 1,19 (Vortag 1,19). Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab.
Auch bei der Zahl gemeldeter intensivmedizinisch behandelter Covid-19-Patienten (Stand Montag: 2833) zeichnet sich nach Wochen sinkender Zahlen inzwischen eine Trendwende ab. Der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Fachgesellschaft Divi, Christian Karagiannidis, hatte kürzlich mit Blick auf die dritte Corona-Welle gesagt, dass nur genug Kapazitäten vorhanden seien, um eine leichte Infektionswelle zu verkraften. Eine starke Welle bedeute hingegen eine Katastrophe, weil die Zahl der freien Betten derzeit nicht rasch genug steige und das Personal erschöpft sei. «Entscheidend ist, dass die Ansteckungsrate nicht über den sogenannten R-Wert von etwa 1,2 steigt», sagte er. Das sei etwa die Grenze, bei höheren Werten werde es kritisch.
Experten nehmen an, dass sich die Covid-19-Impfungen von Menschen höherer Altersgruppen bereits auf die Zahl der Todesfälle auswirken: Es sterben demnach wohl bereits merklich weniger Menschen als ohne Impfungen der Fall wäre. Die Auslastung der Intensivstationen hingegen wird zunächst kaum beeinflusst: Von den bisherigen Corona-Impfungen bei Senioren und Pflegeheimbewohnern verspricht sich Divi-Experte Karagiannidis erst einmal keine unmittelbare Entlastung für diese Stationen, wie er vergangene Woche deutlich gemacht hatte. Der Grund: Schon in der ersten Welle waren lediglich etwa ein Viertel der Intensivpatienten über 80 Jahre alt. Die jüngeren Gruppen aber sind bisher kaum geimpft.
Warum aber machten über 80-Jährige einen vergleichsweise geringen Anteil auf den Intensivstationen aus, obwohl ihr Covid-19-Sterberisiko wesentlich höher ist als das von Menschen jüngeren Alters? Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen von der TU Berlin, hatte erklärt, dass weniger als jeder Dritte der Covid-19-Toten von 2020 auf Intensivstationen starb, alle anderen auf sonstigen Stationen oder gar nicht erst in Kliniken. Altenheimbewohner zum Beispiel sterben häufig in ihrer Einrichtung, nicht auf Intensivstation.
Binnen eines Tages meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland dem RKI zuletzt 6604 Corona-Neuinfektionen - 1593 mehr als vor einer Woche, wie aus den Zahlen des RKI vom Montag hervorging. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 47 weitere Todesfälle verzeichnet. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 6.30 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich. Vor einer Woche waren dem RKI binnen eines Tages 5011 Neuinfektionen und 34 Todesfälle gemeldet worden.
Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.575.849 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.365.100 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 73.418.