Belgien droht wegen dramatischer Corona-Lage erneuter Lockdown

Belgien hat bisher versucht, auf nationaler Ebene allgemeine Lockdown-Massnahmen zu vermeiden – nun kommen sie offenbar doch.

Stühle vor einem geschlossenem Restaurant in Brüssel. - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • In Belgien steigen die Corona-Infektionszahlen rasant an.
  • Im französischsprachigen Landesteil und in Brüssel gilt bereits ein «teilweiser Lockdown».
  • Flandern könnte nach einer Krisensitzung am Abend nachziehen.

In Belgien drohen angesichts rasant steigender Ansteckungszahlen mit dem neuartigen Coronavirus erneut drastische Einschränkungen. Im stark betroffenen französischsprachigen Landesteil und in der Hauptstadt Brüssel galt am Dienstag bereits ein «teilweiser Lockdown», Flandern könnte nach einer Krisensitzung am Abend nachziehen. Auf nationaler Ebene war bislang versucht worden, allgemeine Lockdown-Massnahmen zu vermeiden – nun kommen sie offenbar doch.

Landesweit wurden in Belgien in den vergangenen sieben Tagen im Durchschnitt jeweils über 13'000 neue Fälle festgestellt – mehr als im um ein vielfaches grösseren Deutschland. In Europa verzeichnet relativ zur Einwohnerzahl derzeit nur Tschechien mehr Ansteckungen. Die Lage ist besonders schlimm in den fünf Provinzen der französischsprachigen Wallonie sowie in der Hauptstadtregion.

Menschen warten dicht gedrängt vor einer Covid-19-Teststation am Flughafen Brüssel-Zaventem, um sich auf das Coronavirus testen zu lassen. - dpa

Besonders in der wallonischen Grossstadt Lüttich nahe der deutschen Grenze bei Aachen haben die meisten Krankenhäuser ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Patienten mussten auf umliegende Provinzen und teilweise nach Deutschland verlegt werden. Medizinisches Personal ohne Symptome wurde angewiesen, selbst bei positiven Corona-Befunden weiterhin zur Arbeit zu kommen.

Momentan werden über 5000 Corona-Patienten in belgischen Krankenhäusern behandelt, rund 800 davon liegen auf der Intensivstation. Unter den Intensiv-Patienten ist auch die Aussenministerin und ehemalige Regierungschefin Sophie Wilmès.

Virologen fordern schon lange strengere Massnahmen

Virologen hatten schon länger deutlich strengere Massnahmen für das ganze Land gefordert. Die flämische Regionalregierung lehnte dies aber unter Verweis auf die bislang bessere Lage vor Ort ab. Landesweit gilt nun seit dieser Woche etwa eine nächtliche Ausgangssperre zwischen Mitternacht und 5.00 Uhr und das Arbeiten von zu Hause wird empfohlen. Restaurants und Bars sind schon länger dicht.

Eine Mitarbeiterin und eine Kundin tragen Mund-Nasen-Bedeckung in einem Bekleidungsgeschäft in Brüssel. - dpa

Brüssel und die Wallonie weiteten ihrerseits die Ausgangssperre auf zwischen 22.00 und 6.00 Uhr aus und schreiben Heimarbeit vor, wenn dies machbar ist. In der Hauptstadt und weiteren französischsprachigen Grossstädten gilt eine allgemeine Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Museen, Kirchen und Sportstätten mussten schliessen. Französischsprachige Politiker sprachen von einem «teilweisen Lockdown».

Die mit Abstand höchsten Zuwachsraten bei den Corona-Ansteckungen verzeichnen mittlerweile allerdings die flämischen Provinzen Ostflandern, Westflandern und Limburg. Experten gehen für den Norden von einer zeitversetzten ähnlichen Entwicklung wie im französischsprachigen Süden Belgiens aus.

In Flandern war deshalb für Dienstagabend eine Krisensitzung der Regionalregierung angesetzt. Die Flamen hatten es zuvor bereits bei Massnahmen wie der Verlängerung der Herbstferien widerwillig den Wallonen gleich getan. Seit Beginn der Pandemie verzeichnet Belgien mit seinen elf Millionen Einwohnern rund 334'000 bestätigte Ansteckungen und fast 11'000 Covid-19-Tote.