Bootsunglück in Budapest weckt in Südkorea Erinnerungen

Nach dem tödlichen Schiffsunfall auf der Donau in Budapest steht auch Südkoreas Regierung unter Druck, denn in dem Land weckt das Unglück in Europa Erinnerungen an ein traumatisches Erlebnis.

Das Unglück weckt bei vielen Südkoreanern dunkle Erinnerungen an den Untergang der Fähre «Sewol» vor fünf Jahren. Foto: Peter Lakatos/MTI/AP - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Reiseprogramme für Zentral- und Osteuropa werden in Südkorea immer beliebter.

Wird dabei ein Besuch in der ungarischen Hauptstadt Budapest im Rahmen der populären Mehr-Länder-Touren mitgebucht, zählt eine Nachtfahrt auf der Donau zu den Dingen, die man gemacht haben muss.

Auch die 30 südkoreanischen Touristen und ihre drei Reisebegleiter auf dem Ausflugsboot «Hableany» (Nixe) erfreuten sich am Mittwochabend trotz Regens am Anblick der Stadt vom Wasser aus - bis das Unerwartete geschah.

Für sie blieb keine Zeit, zu reagieren, als ihr Boot mit dem grösseren Flusskreuzfahrtschiff «Viking Sigyn» zusammenstiess. Die «Hableany» sei innerhalb weniger Sekunden gesunken, erklärte Oberst Adrian Pal von der ungarischen Polizei. Auf dem grösseren Schiff wurde niemand verletzt, auf der «Hableany» mit 35 Menschen an Bord überlebten vermutlich nur sieben. Sieben südkoreanische Touristen wurden tot geborgen, weitere 19 Südkoreaner sowie zwei ungarische Besatzungsmitglieder galten am Freitag noch als vermisst. Die Suche wurde fortgesetzt. Die jüngste Passagierin war ein sechsjähriges Mädchen. Die meisten waren 40 bis 50 Jahre und älter.

Die Schreckensnachricht ereilte Südkoreas Regierung im Morgengrauen am Donnerstag. Präsident Moon Jae In ordnete an, alle «möglichen Mittel» zur Rettung der Landsleute zu ergreifen und berief einen Krisenstab unter Leitung des Aussenministeriums ein. Eine Einsatzgruppe mit Beamten und Rettungskräften sollte nach Ungarn entsandt werden. Moon und Aussenministerin Kang Kyung Wha sagten Termine für den Tag ab und gingen ins Krisenmanagement über - nach aussen sichtbar macht das die Regierung in solchen Fällen durch das Tragen gelber Westen.

«Die Regierung von Moon hat bisher im Umgang mit dem Unfall schnell reagiert», kommentierte die Zeitung «The Korea Times». In Südkorea wird das Verhalten der Regierung im Umgang mit der Tragödie sehr genau beobachtet. Das Unglück weckt bei vielen dunkle Erinnerungen an den Untergang der Fähre «Sewol» vor fünf Jahren, obwohl das Ausmass jener Katastrophe und die Begleitumstände andere waren. Die Südkoreaner sprechen noch immer von einem traumatischen Erlebnis. Mehr als 300 Insassen der «Sewol» starben im April 2014, als ihr Schiff auf dem Weg zur südkoreanischen Ferieninsel Jeju kenterte und unterging. Die meisten Opfer waren Schüler auf einem Ausflug. Untersuchungen ergaben, dass die Fähre überladen war.

Damals wurde die Regierung unter Präsidentin Park Geun Hye dafür mitverantwortlich gemacht, dass es so viele Opfer gab. Sie habe unzureichend reagiert, hiess die Kritik. Die Tragödie wurde als ein weiterer Grund für die spätere Amtsenthebung Parks genannt.

Neben der Beobachtung der Rettungsbemühungen steht jetzt im Fall der Tragödie in Ungarn ebenfalls die Frage im Fokus, ob ausreichend Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden. Auch wird gefragt, warum die Insassen keine Rettungswesten trugen. Wurden sie vorher über das Verhalten in Notfällen aufgeklärt? War das Boot, das vor 70 Jahren gebaut worden sein soll, eigentlich nicht viel zu alt?

Auch der südkoreanische Reiseveranstalter Very Good Tour, der das Programm für die Reisegruppe zusammengestellt hatte, muss sich kritischen Fragen stellen. «Zusammen mit den Rettungsbemühungen muss das Krisenteam der Regierung herausfinden, warum die Reiseagentur die Fahrt trotz schlechten Wetters mit starkem Regen und kräftigen Windböen durchgezogen hat», schrieb etwa die Zeitung «JoongAng Ilbo».

Die Agentur entschuldigte sich bei den Opferfamilien und kündigte an, vorerst alle Flusstouren einzustellen. Very Good Tour deutete aber laut Berichten südkoreanischer Medien jetzt auch an, eventuell rechtlich gegen den Schiffsbetreiber des beteiligten grösseren Kreuzfahrtschiffes vorgehen zu wollen.