Boris Johnson kämpft gegen Jeremy Hunt um May-Nachfolge
Boris Johnson gilt als kaum besiegbar in der Stichwahl um das Amt des britischen Premiers. Jetzt muss er nur noch einen Kandidaten ausstechen: Jeremy Hunt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Tories haben sich für zwei Stichwahl-Kandidaten für Mays Nachfolge entschieden.
- Favorit Boris Johnson tritt gegen Jeremy Hunt an.
- Bis Ende Juli soll feststehen, wer neuer Regierungschef wird.
«Boris Johnsons grösster Feind heisst Boris Johnson.» Mit dieser Weisheit versuchten sich lange diejenigen zu beruhigen, die den Einzug des umstrittenen Politikers in den Regierungssitz für eine Katastrophe halten.
Die Hoffnung war, der Ex-Aussenminister werde schon über seine eigenen Füsse stolpern mit einer unbedachten Äusserung. Doch nun scheint das Amt des Premierministers und damit die Nachfolge von Theresa May für ihn zum Greifen nahe.
Denn: nun steht ihm nur noch ein Gegenkandidat im Weg. Die Tory-Fraktion hat entschieden, dass Boris Johnson nun gegen Jeremy Hunt zur Stichwahl antreten muss. Hunt stach in der letzten Runde Michael Gove um nur zwei Stimmen aus. Johnson erhielt 162, Hunt 77 und Gove 75 Stimmen.
Deshalb ist Boris Johnson Favorit
In der konservativen Fraktion war Boris Johnson lange wenig populär. Doch dank einer generalstabsmässig geplanten Kampagne ist der 55-Jährige nun haushoher Favorit.
Ein Grund dafür könnte sein, dass ihm viele zutrauen, enttäuschte Brexit-Wähler wieder einzufangen, die sich von den Konservativen abgewendet haben. Er gilt als Gewinner, der sich sowohl gegen den Chef der Brexit-Partei, Nigel Farage, als auch gegen Labour-Chef Jeremy Corbyn bei einer Parlamentswahl durchsetzen könnte. Zwei Mal gewann er die Wahl zum Bürgermeister in der Labour-Hochburg London.
Der einst auch unter liberalen Wählern populäre Politiker ist für Wortwitz, aber auch Tollpatschigkeit bekannt. Seine Zeit als Aussenminister ist in keiner guten Erinnerung. Johnson, der am Mittwoch 55 Jahre alt wurde, ist alles andere als ein geborener Diplomat.
Grossen Schaden fügte ihm eine Äusserung über die Sorgen der Wirtschaft vor einem Brexit ohne Abkommen (No-Deal) zu. Johnsons Kommentar dazu, so berichteten Medien unter Berufung auf Diplomatenkreise: «Fuck business» («Scheiss auf die Wirtschaft»).
Frontmann der Brexit-Befürworter vor dem Referendum
Johnson war der Frontmann der konservativen Brexit-Befürworter im Wahlkampf vor dem Referendum im Juni 2016. Trotzdem gilt er als pragmatisch, wenn es für ihn von Vorteil ist.
Johnson will das Brexit-Abkommen mit der Europäischen Union nachverhandeln, was Brüssel aber ablehnt. Um die EU zum Einlenken zu bewegen, droht er mit einem No-Deal-Brexit am 31. Oktober. Seine Devise lautet, man müsse nur an die Grossartigkeit des eigenen Landes glauben – dann werde sich schon alles fügen.
Wie ernst Johnson es damit meint, ist umstritten. Er selbst schürte Zweifel an seiner Entschlossenheit, als er in einer TV-Debatte diese Woche keine Garantie für einen Austritt am 31. Oktober geben wollte. Der sei «höchst machbar», so die verschwurbelte Formulierung.
Ob Johnson Parteichef und damit Premierminister wird, sollen dann die rund 160'000 Parteimitglieder entscheiden. Bis Ende Juli soll feststehen, wer neuer Regierungschef wird.