Zehntausende protestieren in Städten gegen «Mietenwahnsinn»

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Deutschland,

Die Mietenentwicklung vor allem in den grossen Städten kennt nur noch eine Richtung - aufwärts. Viele Menschen fürchten, sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten zu können. In Berlin startet ein bislang einmaliges Vorhaben.

Eine Demonstrantin bringt es in München auf den Punkt: «Letztes Hemd für letztes Loch!» Foto: Sven Hoppe
Eine Demonstrantin bringt es in München auf den Punkt: «Letztes Hemd für letztes Loch!» Foto: Sven Hoppe - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Aus Unmut über steigende Mieten sind in mehreren deutschen Städten Tausende Menschen auf die Strasse gegangen.

Die meisten Demonstranten versammelten sich beim bundesweiten Protesttag in Berlin, wo in manchen Teilen der Stadt kaum noch preiswerte Wohnungen im Angebot sind.

In der Hauptstadt begann gleichzeitig auch ein bislang einmaliges Volksbegehren zur Enteignung grosser Wohnungskonzerne.

Die Polizei in Berlin wollte keine konkrete Teilnehmerzahl nennen, sprach aber von einer Grössenordnung «weit über 10.000». Die Veranstalter nannten die Zahl von 40.000 Demonstranten, Beobachter zählten 20.000.

«Wohnen ist Grundrecht» und «Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn» stand auf Transparenten der Demonstranten. Die lange und bunte Demonstration zog vom Alexanderplatz durch die teuren Szene-Stadtteile Friedrichshain und Kreuzberg nach Treptow, wo in einer Halle eine Immobilienmesse stattfand. Trommel- und Tanzgruppen sorgten für Musik. Neben zahlreichen jungen Menschen waren auch auffällig viele Ältere dabei.

Auch in Städten wie München, Köln, Dresden, Göttingen und Hannover protestierten Menschen gegen steigende Mieten. Das Protestbündnis von Mietervereinen und weiteren Initiativen sprach von Demonstrationen in 19 Städten mit 55 000 Teilnehmern. In europäischen Metropolen wie Paris, Barcelona und Lissabon waren ebenfalls Proteste geplant.

Am Rande des Protestes in der deutschen Hauptstadt lagen auf Tischen Listen aus, auf denen man für das Volksbegehren unterschreiben konnte. «Man sieht ja, was hier los ist», sagte eine Frau in einer lila Weste der Initiative des Volksbegehrens. «Die Menschen stehen hier Schlange und unterschreiben die ganze Zeit.» Ein 50-Jähriger sagte nach seiner Unterschrift: «Wir müssen Druck machen auf die Politik. Die hat es ja probiert mit der Mietpreisbremse. Aber das hat ja nicht geklappt.»

Die Initiatoren haben jetzt sechs Monate Zeit, um für die erste Stufe des Volksbegehrens 20.000 Unterschriften zu sammeln. Das Volksbegehren fordert, dass Immobilienfirmen mit mehr als 3000 Wohnungen enteignet werden. Das Land Berlin soll die Wohnungen den Firmen zwangsweise abkaufen. Das könnte das hoch verschuldete Land Berlin mehr als 30 Milliarden Euro kosten. Allerdings ist das Volksbegehren für den Berliner Senat rechtlich nicht bindend. Es geht nur um eine Aufforderung, ein Gesetz zur Enteignung zu beschliessen.

Vor dem Start des Volksbegehrens hatten Wirtschaftsverbände und Politiker vor Enteignungen gewarnt. Ein Hauptargument ist, dass dadurch kein neuer Wohnraum entstehen würde.

SPD-Chefin Andrea Nahles sagte der «Bild am Sonntag», sie verstehe die Wut auf Wohnungskonzerne, «die jeden Cent aus den Mietern rauspressen wollen». Statt Enteignungen wolle die SPD einen «Mietenstopp und das verfügbare Geld in bezahlbaren Wohnraum investieren, damit mehr Wohnungen entstehen».

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte auf dem Parteitag der nordrhein-westfälischen Liberalen in Duisburg: «Mit Enteignungen wird nicht eine einzige neue Wohnung geschaffen.» Es würden nur private Investoren verschreckt, die neue Wohnungen bauen könnten. «Ich verstehe die Menschen, die für bezahlbares Wohnen demonstrieren, aber sie demonstrieren gegen die Falschen», sagte Lindner. «Sie sollten nicht vor die Wohnungsgesellschaften ziehen, sondern vor die Büros der Bürgermeister in Berlin und München und vor Horst Seehofers Bauministerium.»

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hatte sich dafür ausgesprochen, mehr günstigen Wohnraum zu schaffen, der dann auch günstig bleiben müsse. Dafür müsse der Bund auch Geld in die Hand nehmen, eine Milliarde im Jahr beispielsweise, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Zudem werde eine Mietpreisgarantie gebraucht, die es Menschen ermögliche, in ihren Wohnungen zu bleiben. Die Mietpreisbremse habe nicht gewirkt.

Die Proteste in anderen deutschen Städten blieben kleiner als in der Hauptstadt. In Leipzig sprachen die Veranstalter von 2000 Demonstranten, in Dresden von 500. In München demonstrierten nach Polizeiangaben etwa 300 Menschen - deutlich weniger, als von den Organisatoren erwartet. In Stuttgart, Freiburg, Heidelberg und Mannheim waren es zusammen mehrere Hundert Menschen, die auf die Strassen gingen. In der Bankenstadt Frankfurt beteiligten sich 150 Demonstranten, in Hannover und Göttingen waren es jeweils 70 bis 80 Teilnehmer.

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