Frankreich will Ärztegeheimnis bei Gewalt gegen Frauen lockern
Zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen hat Frankreich unter anderem eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht und verschärfte Gesetze gegen Gewalttäter angekündigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Regierung kündigt auch verschärfte Gesetze und «Männerhäuser» an.
Das geht aus einem 30-Punkte-Plan hervor, den Premierminister Edouard Philippe am Montag in Paris vorstellte. Es gehe darum, «Leben zu retten», sagte Philippe. Frauenrechtlerinnen reagierten enttäuscht auf die Ankündigungen.
Künftig sollten französische Ärzte ihr Schweigegelübde brechen können, wenn «unmittelbare Gefahr für das Opfer besteht», heisst es in dem Plan der Regierung, der rund zweimonatigen Beratungen mit Frauenverbänden folgt. Bisher schlägt bei häuslicher Gewalt in nur fünf Prozent der Fälle das Gesundheitspersonal Alarm.
Die Regierung will es den Opfern zudem ermöglichen, direkt im Krankenhaus Anzeige zu erstatten, wie sie zuvor bereits angekündigt hatte. Zudem soll es künftig unter bestimmten Umständen strafbar sein, «psychologischen Druck» auf Frauen auszuüben - denn dieser gehe «körperlicher Gewalt oft voraus», sagte Philippe.
Die Staatssekretärin für Gleichstellung, Marlène Schiappa, kündigte zudem die Einrichtung von speziellen «Männerhäusern» an, in die Gewalttäter aufgenommen werden sollen, damit nicht die Frauen die gemeinsame Wohnung verlassen müssen. Einem Mann, der seine Frau getötet hat, soll das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder zudem künftig automatisch aberkannt werden.
Bereits zu Beginn der sogenannten «Generalstände» gegen häusliche Gewalt im September hatte die Regierung tausend zusätzliche Plätze in Frauenhäusern und ähnlichen Einrichtungen in Aussicht gestellt. Nach Ansicht von Hilfsorganisationen wären mindestens doppelt so viele nötig. Die betroffenen Frauen müssten aber nicht nur untergebracht, sondern auch psychologisch betreut werden, erklärte die Fédération nationale Solidarité Femmes FNSF.
Die Regierung beziffert die verschiedenen Massnahmen auf rund 360 Millionen Euro. Frauenrechts-Organisationen reagierten hatten dagegen einen «Marshall-Plan» mit bis zu einer Milliarde Euro an Hilfen verlangt.
Die Aktivistinnen beklagen eine hohe Zahl sogenannter «Femizide», also Tötungen von Frauen durch ihren Ehemann Lebensgefährten. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AFP gab es in diesem Jahr mindestens 117 Femizide in Frankreich, nach 121 im gesamten vergangenen Jahr.
Die Feministin Caroline De Haas von dem Kollektiv #NousToutes (Wir alle) äusserte sich auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter «angewidert» von den Ankündigungen. Die Regierung wolle im kommenden Jahr nicht mehr Geld ausgeben als bisher, um der Gewalt gegen Frauen entgegenzutreten, erklärte sie.
Nach einem Aufruf von #NousToutes hatten am Samstag in Paris und anderen Städten zehntausende Menschen gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Die Organisatorinnen sprachen von 150.000 Teilnehmern im ganzen Land.
Interpol veröffentlichte anlässlich des Tags gegen Gewalt einen Aufruf zur Fahndung nach mehreren Frauenmördern. Gewalt gegen Frauen und Mädchen sei einer der «am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverstösse», erklärte Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock. Vier der insgesamt acht Täter sollen ihre Frau oder ihre Ex-Partnerin ermordet haben, drei weitere andere Frauen. Ein achter Mann wird wegen sexueller Gewalt international gesucht.
Nach UN-Angaben wurden 2017 weltweit rund 87.000 Frauen getötet. Davon wurden mehr als die Hälfte Opfer ihres Partners oder ihrer eigenen Familie.