Mehr als 450 Verletzte bei Grosskundgebung in Bukarest (RO)

30 Festnahmen und 450 Verletzte – eine Demonstration in Bukarest ist völlig eskaliert.

Ein Tränengaskanister der Polizei explodiert über Demonstranten bei einer Grosskundgebung in Bukarest (ROU). - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In Bukarest sind bei regierungskritischen Demonstrantionen 450 Menschen verletzt worden.
  • Die Kritik gegen Sicherheitskräfte ist scharf – sie seien «brutal» gewesen, heisst es.

Bei einem Polizeieinsatz gegen regierungskritische Demonstranten in Rumänien sind mehr als 450 Menschen verletzt worden. Die Polizei verteidigte den von Präsident Klaus Iohannis als "brutal" verurteilten Einsatz am Samstag als «angemessene» Reaktion auf gewalttätige Demonstranten. Etwa 30 Menschen seien bei den Zusammenstössen am Freitagabend festgenommen worden. Für Samstagabend war eine weitere Kundgebung in Bukarest geplant.

Die Polizei hatte eine Grosskundgebung zehntausender Regierungskritiker am Freitagabend mit Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst. Laut Berichten örtlicher Medien nahmen zwischen 50'000 und 80'000 Menschen an der Demonstration teil, die sich gegen Korruption in Regierung und Verwaltung richtete.

Nach Angaben der Rettungskräfte mussten zahlreiche Verletzte nach dem Einatmen von Pfefferspray oder Tränengas medizinisch behandelt werden. Andere erlitten demnach Quetschungen oder Prellungen. Zudem seien etwa 30 Polizisten verletzt worden.

Unverhältnismässige Vorgehensweise

Präsident Iohannis, der mit der Regierung politisch über Kreuz liegt, kritisierte das Vorgehen der Sicherheitskräfte als "unverhältnismässig". Er forderte den Innenminister zu einer Erklärung auf. "Jede Form der Gewalt ist inakzeptabel", schrieb Iohannis im Netzwerk Facebook.

Viele der Demonstrationsteilnehmer waren Auslandsrumänen, die für die Kundgebung in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Mehrere dutzend Demonstranten versuchten, eine Polizeikette zu durchbrechen und warfen Steine und Flaschen auf die Sicherheitskräfte.

Auch in den Grossstädten Cluj, Sibiu und Temeswar gingen tausende Menschen aus Protest gegen die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dancila auf die Strasse.

Lockerung der Korruptionsbekämpfung

Die regierenden Sozialdemokraten wollen die Gesetze zur Korruptionsbekämpfung lockern und das Justizsystem umbauen. Kritiker werfen der Regierung vor, dadurch die Tür für noch mehr Korruption in Rumänien zu öffnen, das ohnehin als eines der korruptesten EU-Länder gilt.

Im Juli sprach sich eine Mehrheit im Parlament für die Lockerung der Korruptionsbekämpfung aus - trotz vieler Warnungen aus dem In- und Ausland. Zuvor war auf Druck der Regierung die angesehene Vorsitzende der unabhängigen Anti-Korruptions-Behörde entlassen worden.

Treibende Kraft hinter den Gesetzesänderung ist der Parteichef der regierenden Sozialdemokraten, Liviu Dragnea. Infolge einer Verurteilung wegen Wahlbetrugs durfte Dragnea selbst nicht das Amt des Ministerpräsidenten antreten. Er gilt aber als der eigentliche starke Mann der Regierung.

Bevölkerung angestachelt

Dragnea reagierte am Samstag auf Iohannis' Kritik: Der Präsident instrumentalisiere die Vorkommnisse und "stachelt die Bevölkerung gegen die Sicherheitskräfte auf"

Präsident Iohannis ist ein Gegenspieler der Regierung, er hat sich den Kampf gegen Korruption und für Rechtsstaatlichkeit auf die Fahnen geschrieben. Auch die EU mahnt Rumänien regelmässig zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen die Korruption.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte im Kurzbotschaftendienst Twitter "die gewaltsamen Zusammenstösse" in Bukarest scharf. Kurz, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, bekannte sich zudem zu den "Grundfreiheiten der EU", freie Meinungsäusserung und Pressefreiheit.