Unruhe in CDU und SPD nach Wahldebakel in Hessen (D)

Das deutsche Bundesland Hessen hat am Sonntag gewählt. Die Verluste der Regierungsparteien führen zu Rumoren.

Das Rednerpult wird auf der SPD-Wahlparty beim Abbau der Bühne mit Plastikfolie verpackt. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Das hessische Wahlvolk strafte die Regierungsparteien CDU und SPD ab.
  • Mitglieder beider Parteien fordern nun Konsequenzen.

Nach der zweiten schweren Niederlage von Union und SPD bei einer Landtagswahl innerhalb von zwei Wochen rumort es in beiden GroKo-Parteien. SPD-Linke stellen nun die grosse Koalition in Berlin infrage und CDU-Mitglieder fordern personelle Konsequenzen.

Wie zuvor schon in Bayern haben Union und Sozialdemokraten am Sonntag auch bei der Landtagswahl in Hessen (D) zweistellige Verluste eingefahren. Aus den Reihen der SPD-Linken wird nun zunehmend lauter der Fortbestand der grossen Koalition in Frage gestellt.

Personelle Konsequenzen?

In der CDU wurde der Ruf nach personellen Konsequenzen laut – wenn auch erst vereinzelt. Heute Montag wollen die Parteigremien in Wiesbaden (D) und Berlin über Konsequenzen aus dem Ergebnis beraten.

Bei der Wahl verlor die CDU mit Ministerpräsident Volker Bouffier an der Spitze nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 11,3 Punkte im Vergleich zur Wahl 2013 und kam auf 27,0 Prozent.

Die SPD mit Thorsten Schäfer-Gümbel an der Spitze erzielte 19,8 Prozent (minus 10,9). Grosser Wahlgewinner wurden die Grünen mit ebenfalls 19,8 Prozent (plus 8,7) und die AfD, die mit 13,1 Prozent (plus 9,0) erstmals in den Landtag einzog und nun in allen Landesparlamenten vertreten ist.

Die FDP erzielte 7,5 Prozent (plus 2,5) und die Linke 6,3 Prozent (plus 1,1). Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung: CDU 40, SPD 29, Grüne 29, AfD 19, FDP 11 und Linke 9.

Parteien in Berlin unter Druck

Dies reicht haarscharf für eine Fortsetzung der seit 2013 regierenden schwarz-grünen Koalition. Sie käme genau auf die erforderlichen 69 Mandate, ebenso wie Schwarz-Rot oder eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP. Wesentlich stabiler wäre aber ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP.

Die Parteivorsitzenden von CDU und SPD, Angela Merkel und Andrea Nahles, geraten durch dieses Ergebnis intern noch stärker unter Druck. Am kommenden Wochenende wollen die Spitzen beider Parteien über Konsequenzen aus den Wahlen in Bayern und Hessen diskutieren.

Auf Vorschlag von Nahles wollen die Sozialdemokraten bereits heute Montag in Präsidium und Vorstand über einen Kriterienkatalog beraten, wie die GroKo künftig besser arbeiten kann, und wann für die SPD eine rote Linie erreicht ist.

Vorbereitungen auf Neuwahlen?

Juso-Chef Kevin Kühnert appellierte an die SPD auf, sich auf Neuwahlen vorzubereiten. «Es ist offensichtlich, dass den Regierungsparteien die Kontrolle über die Existenz der Regierung ein bisschen entgleitet. Jedes kleine Feuerchen kann das Ganze zum explodieren bringen», sagte er dem Sender «Phoenix».

Die Parteilinke Hilde Mattheis forderte erneut das Ende des Bündnisses mit der Union. «Wir müssen raus aus der grossen Koalition und zwar ohne Wenn und Aber», sagte sie der «Augsburger Allgemeinen» von heute Montag.

Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh verlangte einen neuen Mitgliederentscheid über die grosse Koalition. «Die Menschen haben die Schnauze voll von der grossen Koalition im Bund und den Streitereien», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die SPD-Vizevorsitzende Malu Dreyer kündigte eine schärfere Abgrenzung ihrer Partei von der Union an. «Wir waren zu nachsichtig mit dem Koalitionspartner in Berlin», sagte sie der «Rheinischen Post» von heute Montag.

Der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD-Fraktion, Johannes Kahrs, warf der Union vor, ein «schreckliches Erscheinungsbild» der Koalition zu prägen und die SPD mit hineinzuziehen. «Die Union muss wissen: Wir sind nicht bereit, uns das noch lange anzutun», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten Linnemann, mahnte Konsequenzen in der CDU an. «Wer hier in Berlin dieses Ergebnis schönreden will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt», sagte er der «Rheinischen Post» von heute Montag. Spätestens bei der CDU-Vorstandsklausur am 4. und 5. November in Berlin müsse die Führungsspitze darlegen, wie die CDU die Wende schaffen solle.

Bleibt Merkel an der Parteispitze?

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Merkel-Kritiker Christian von Stetten liess sich von mehreren Blättern («Heilbronner Stimme», «Bild», «Stuttgarter Zeitung», «Stuttgarter Nachrichten») mit der Forderung zitieren: «Ich war und bin auch in Zukunft nicht bereit, tatenlos mit anzusehen, wie die CDU Monat für Monat an Zustimmung bei den Bürgern verliert. Wir brauchen ein inhaltliches Angebot mit klarem Kurs und neuen Personen.»

Alexander Mitsch, der Vorsitzende des konservativen Zusammenschlusses WerteUnion, forderte unumwunden «einen inhaltlichen Kurswechsel, verbunden mit einem personellen Neubeginn an der Parteispitze».

Merkel müsse den Parteivorsitz beim Bundesparteitag im Dezember zur Verfügung stellen, «um hierdurch den dringend notwendigen Neubeginn zu ermöglichen».

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte jedoch am Wahlabend, sie gehe aktuell davon aus, dass Merkel beim Parteitag in Hamburg (D) erneut kandidieren werde.

Thüringens CDU-Landeschef Mike Mohring sagte im «Welt»-Interview mit Blick auf Merkel: «Wenn sie auf dem nächsten Bundesparteitag wieder antritt als Parteivorsitzende, sind wir gut beraten, ihr Rückhalt zu gewähren.»