Venedig testet neues «Mose»Projekt

Es soll Venedig künftig vor Hochwasser schützen: Die skandalumwobene Flutschutzanlage «Mose» feiert nun Premiere.

Barrieren des Hochwasserschutzprojekts «Mose» ragt aus dem Wasser. Venedig hat erstmals eine umstrittene Flutschutzanlage umfassend getestet. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In Venedig feiert heute die Flutschutzanlage «Mose» ihre Premiere.
  • Sie soll die Unesco-Stadt künftig vor Hochwasser schützen.
  • Es finden sich aber auch Gegner der Hochwasseranlage.

Es ist eines der meistgehassten und meist-herbeigesehnten Projekte in Venedig. Es soll die Unesco-Stadt künftig vor Hochwasser schützen: Eine skandalumwobene Flutschutzanlage feiert nun Premiere. Doch die Angst vor einem Flop ist gross.

Langsam erscheinen gelbe Barrieren auf der glatten Wasseroberfläche. An Hochwasser erinnert hier an diesem ruhigen Sommertag rein gar nichts. Doch die Flutschutzanlage «Mose» soll - wie ein Bibel-Prophet - Venedig künftig vor verheerenden Überschwemmungen schützen.

Politiker aus dem ganzen Land kommen zur Premiere

Heute wurde das Projekt erstmals komplett getestet und fast 80 mobile Flutschutzbarrieren wurden an drei Laguneneingängen ausgefahren. Es ist ein symbolischer Moment für Venedig. Entsprechend gross war das Aufgebot an Politikern. Selbst Regierungschef Giuseppe Conte kam, um den Test im Kontrollraum zu eröffnen.

Paola De Michelis, Ministerin für Infrastruktur und Verkehr in Italien, und Giuseppe Conte (r), Ministerpräsident von Italien, nehmen an der Präsentation des Hochwasserschutzprojekts «Mose» an Bord eines Schiffes teil. - dpa

Von aussen sieht «Mose» (modulo sperimentale elettromeccanico) ziemlich unspektakulär aus. In einem Koloss aus grauem Beton ist der Kontrollraum auf einer Insel in der Nähe vom Lido untergebracht. Dass hier High-Tech das Unesco-Welterbe schützen soll, erschliesst sich nicht sofort.

Erst unterirdisch lässt sich erahnen, was für ein kompliziertes Unterfangen das ist. In einem etwa 400 Meter langen Gang verlaufen grosse glänzende Edelstahlrohre und graue Schläuche. Druckluft soll bei Flut die Barrieren aus dem Wasser heben, die dann Adria-Wasser aus der Lagune fernhalten sollen.

Toxischer Mix

Rund sechs Milliarden Euro soll das kosten – viele befürchten mehr. Seit Jahrzehnten laufen die Planungen doch Korruption, Bürokratie, fehlende Entscheidungen, politische und wirtschaftliche Eigeninteressen sind ein toxischer Mix.

«Mose» wie so viele andere Grossbauprojekte in Italien zögert es ins schier Unendliche heraus. «Es ist richtig, Zweifel zu haben», sagte Conte. Nun sollten aber alle auf das Ziel hinarbeiten, das Projekt endlich zu beenden.

Barrieren des Hochwasserschutzprojekts «Mose» ragt aus dem Wasser. - dpa

Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro hält «Mose» für eine grossartige «Errungenschaft» und für das Symbol von italienischem «Einfallsreichtum». «Ich bin ein Fan dieser Anlage», bekennt er. Doch auch er weiss, wie heikel das Projekt ist. Zuletzt hatten Tests technische Schwierigkeiten offenbart, weil Sand die Funktion der Barrieren beeinträchtigt hatte.

Die Angst vor einem Flop ist also nicht unberechtigt. «Wir sprechen über ein gigantisches Projekt, das niemand auf der Welt vorher gemacht hat», sagte Brugnaro der Zeitung «La Stampa». Er schiebt das bisherige Chaos auf «Philosophen» und «Intellektuelle» in der Politik, die nichts von Technik verstünden.

Auch Gegner von «Mose»

Es gibt genügend Gegner der Flutschutzanlage in Venedig. Wer nur das Wort «Mose» in den Mund nimmt, bekommt entweder Schulterzucken oder resigniertes Abwinken zur Antwort. Oder dann eine längere Erklärung über Umweltschutz und das sensible Gleichgewicht in der Lagune sowie über die Unfähigkeit von Politikern.

«Nach dem Hochwasser vom 12. November 2019 haben sie uns gesagt, dass Mose die einzige Lösung sei, um Venedig zu retten: Es ist eine beschämende Lüge. Mose wird die Lagune töten, es wird dieses einzigartige und empfindliche Ökosystem zerstören», erklärte das Bündnis No Grandi Navi.

Einige Gegner fuhren daher auch am Freitag aufs Wasser, um zu protestieren. Manch einer befürchtet, dass «Mose» die Stadt noch mehr gefährdet und sie schlussendlich von einem «Tsunami» geflutet werden könnte.

Venedig braucht Hochwasserschutz

Doch dass Venedig einen Hochwasserschutz braucht, hat zuletzt die Flut im letzten Herbst deutlich gemacht. Am 12. November stieg das Wasser auf 187 Zentimeter über Normalnull und überflutetete den grössten Teil der Altstadt.

Es zerstörte Kulturmonumente, Museen, Archive und verschreckte Touristen, von denen Venedig lebt. Es war ein Weckruf für alle, wie gefährdet die wohl schönste Stadt der Welt ist.

:Tische und Stühle stehen auf dem überfluteten Markusplatz. - dpa

Denn der Klimawandel bedroht Venedig, davor warnen Wissenschaftler seit langem. «Mose» sei eine «gute Nachricht für die Welt», sagte Wasserexperte Giovanni Cecconi, der an der Universität Ca Foscari lehrt. «Venedig wird die erste Lagune sein, die Wasser nur bei Bedarf einlässt. Aber wir müssen schon jetzt über Mose hinaus denken.»

Venedig sei wegen des Klimawandels einem beschleunigten Anstieg des Wasserspiegels ausgesetzt. «Was früher in einem Jahrhundert angestiegen ist, steigt jetzt in 25 Jahren.»