«Apokalyptische Zerstörung»: Hochwasser verwüstet Venedig
Gondeln werden fortgerissen, Gebäude zerstört, Hotels und der Markusdom geflutet: Venedig erlebt ein katastrophales Hochwasser mit schweren Schäden am Unesco-Welterbe. Schuld daran ist nicht nur der Klimawandel.
Das Wichtigste in Kürze
- Untergangsszenarien gibt es für Venedig seit jeher.
Jetzt sind die Bewohner der Unesco-Welterbestadt sehr eindrücklich daran erinnert worden, wie fragil die wohl schönste Stadt der Welt ist. Ein verheerendes Hochwasser hat Venedig heimgesucht.
Gepeitscht von starkem Wind und nach Dauerregen stieg das Wasser so hoch wie zuletzt vor 53 Jahren. «Wir haben es mit apokalyptischen Zerstörungen zu tun», sagte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia. Mindestens ein Mensch kam in der Nacht zu Mittwoch ums Leben.
Von einer «Katastrophe» sprach Bürgermeister Luigi Brugnaro und machte den Klimawandel dafür verantwortlich. Insgesamt gingen die Schäden - unter anderem am Markusdom - in die «Hunderte Millionen Euro».
Es sind erschreckende Bilder: Wasserbusse schleuderte der starke Wind ans Ufer und versenkte einige, mindestens 60 Schiffe wurden beschädigt. Gondeln und Boote wurden aus Vertäuungen gerissen und trieben durch Kanäle. Menschen kämpften in reissendem Wasser gegen den starken Wind. Hotels und Geschäfte wurden überschwemmt. Das Opernhaus «La Fenice» musste Vorführungen für Mittwoch und Donnerstag streichen.
Das «Acqua alta» flutete auch den Markusdom, bis zu 1,10 Meter hoch soll es gestiegen sein. Die Krypta glich einem Schwimmbad. «So etwas habe ich noch nie gesehen, (auf dem Markusplatz) waren Wellen so hoch wie an der Meeresküste», sagte der Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia. «Wir haben verzweifelte Menschen gesehen. Venedig ist eine verletzte Stadt, die nicht jedes Jahr wieder verletzt werden kann.» Die Bewohner sind Überflutungen gewöhnt, aber solch ein Ausmass haben die wenigstens schon erlebt.
Auf dem Markusplatz - einer der bekanntesten Touristenattraktionen der Welt - stiefelten zunächst noch schaulustige Besucher durch das hüfthohe Wasser. Doch dann wurde es zu gefährlich, Polizisten fuhren mit Booten über den Platz. Am Donnerstag sollte die Regierung in Rom den Notstand ausrufen. Ministerpräsident Giuseppe Conte brach nach Venedig auf und sprach von «dramatischen» Szenen.
Ein Mensch starb beim Versuch, als er versuchte, die Entwässerungspumpe in seinem überfluteten Haus wieder in Gang zu setzen, meldete die Nachrichtenagentur Ansa. Ein weiterer Bewohner sei tot in seinem Haus gefunden worden; eine natürliche Todesursache werde aber nicht ausgeschlossen.
Die Lage war auch am Mittwoch laut Augenzeugen düster, Venedig glich einer Geisterstadt. «Der Verkehr liegt lahm, die Geschäfte sind zu, der Handel, alles komplett paralysiert», sagte Petra Reski, deutsche Journalistin, die seit 30 Jahren in Venedig lebt, der Deutschen Presse-Agentur.
Bürgermeister Brugnaro ist wütend. Wütend und besorgt, dass die Stadt den Wassermassen bald nicht mehr gewachsen sein wird. «Venedig wurde in die Knie gezwungen. Der Markusdom hat schwere Schäden abbekommen, genauso wie die ganze Stadt und die Inseln», sagte er. «Hier geht es nicht nur darum, die Schäden zu beziffern, hier geht es um die Zukunft der Stadt.» Viele Menschen würden wegziehen, weil die Lebensumstände immer schwieriger würden.
Um kurz vor Mitternacht war das Wasser - angetrieben durch starken Wind - auf 187 Zentimeter über dem normalen Meeresspiegel gestiegen. Das sei der höchste Wert seit der verheerenden Überschwemmung im Jahr 1966, als 194 Zentimeter erreicht wurden, teilte die Gemeinde mit. Entwarnung gab es nicht: Auch in den nächsten Tag soll es weiter stürmen und regnen, erklärte der Zivilschutz.
Wissenschaftler warnen seit langem vor den Folgen des Erderwärmung für die Welterbestadt, die in einer Lagune an der Adria liegt. Schmelzen Eis und Gletscher, so erhöht sich der Meeresspiegel. Je mehr der Meeresspiegel steigt, desto höher ist das Risiko von Überflutungen. Auch sackt der Boden in Venedig ab. Ein Grossteil der Gebäude wurde auf Pfählen gebaut. Ebbe und Flut und Wellenbewegungen durch Schiffe nagen an den Bauten. Kritiker machen zudem das Ausbaggern von Fahrrinnen für grosse Schiffe für das Absacken verantwortlich.
«Was wir definitv wissen: Ereignisse wie jetzt in Venedig werden durch die Klimaerwärmung verstärkt», sagte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung der dpa. «Wenn sich Ozeane erwärmen, verdunstet mehr Wasser in die Atmosphäre und das muss wieder raus. Dadurch entsteht mehr Niederschlag für den ganzen Globus. Gleichzeitig häufen sich Starkregenereignisse.» Durch den CO2-Ausstoss werde Venedig künftig unter dem Meeresspiegel liegen. «Deshalb ist es entscheidend, was wir jetzt und in der Zukunft dagegen unternehmen.»
Küstenschutz ist da nur ein Element. In Venedig entstehen Barrieren in der Lagune, die bei Hochwasser ausgefahren werden können. Das Milliardenprojekt namens «Mose» hat sich allerdings unter anderem durch einen Korruptionsskandal verzögert und ist immer noch nicht komplett fertig.
Einige Bewohner sehen aber genau in dem Projekt, das sie schützen soll, den Untergang. «Dieses Hochwasser ist von Menschen gemacht», sagte die deutsche Bewohnerin Reski. «Das grösste Problem ist, dass das Wasser sehr schnell reinkommt, aber nicht abfliesst. Wegen des «Hochwasserschutzes» kommt das Wasser schneller rein und fliesst schlechter ab.»
Klimaforscher Levermann ist zurückhaltend. Der Küstenschutz «auf dem Niveau, das der Klimawandel verlangt, ist kompliziert». «Es ist alles andere als trivial, Städte wie Hamburg oder Venedig vor dem Meeresspiegelanstieg zu schützen. Einfach wird das nicht gelöst, um es milde auszudrücken.»