Welche Alternativen gibt es zur Plastik-Verpackung?
In der Klimaschutzdebatte steht die Verpackungsbranche besonders am Pranger. Auf ihrer Leitmesse in Nürnberg präsentiert sie Lösungsansätze, um Plastik zu reduzieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Meeresschildkröte steckt ein Plastik-Strohhalm in der Nase, der Magen des toten Wals ist voller Plastikkanister und -tüten, und der Delfin hat sich in einem Plastiknetz verheddert und musste elendig ertrinken.
Es sind grausame Bilder, mit denen die auf die verheerende Vermüllung der Meere durch Kunststoffabfälle aufmerksam macht. Plastik ist längst überall zu finden - denn in fast allen Lebensbereichen kommen Kunststoffe zum Einsatz, weil sie so viele praktische Eigenschaften haben. Sie sind stabil, beliebig formbar und lange haltbar - und gerade das macht Plastik zum Problem. Es bleibt vermutlich etliche Jahre in der Natur.
Für die Lösung des Plastikproblems werden viele Ansätze diskutiert, sie reichen von Müllvermeidung, Erhöhung der Mehrweg- und Recycling-Quoten über neue Materialien und biobasierte Kunststoffe bis zur besseren Abfalltrennung in den besonders von der Plastikflut gebeutelten Ländern. Am meisten gefordert aber ist die Verpackungsindustrie. Denn rund ein Drittel der Plastikproduktion wird für Verpackungen verwendet - und wiederum ein Drittel davon gelangt derzeit unkontrolliert in die Umwelt und damit in die Meere, vor allem in Südostasien.
Die inzwischen zu einer globalen Bewegung gewordenen «Fridays for Future»-Demonstrationen und das zu Jahresbeginn in Kraft getretene Verpackungsgesetz haben den Druck auf die Branche weiter erhöht. «Die Branche hat das verstanden», sagt Cornelia Fehlner, Chefin der Messe Nürnberg, wo noch bis zu diesem Donnerstag (26. September) die stattfindet, die europäische Leitmesse der Verpackungsindustrie - in diesem Jahr erstmals mit einem Leitthema: umweltgerechtes Verpacken. Die Branche gibt sich geläutert und will zeigen, dass sie sich der Herausforderung stellt. Jeder zweite der rund 1600 Aussteller habe Lösungen für umweltgerechtes Verpacken parat, so Fehlner.
Präsentiert werden zum Beispiel Lebensmittelverpackungsschalen aus Holzpapierfasern oder dem Blatt der Arekapalme, einem Agrarnebenprodukt aus Indien, das nur mit Hitze und Druck in Form gepresst werden kann. Gezeigt werden Isolierverpackungen aus Silikatpads oder Jute statt aus Styropor, wiederverwendbare Transportsicherungen statt Plastikfolien sowie Kosmetiktuben aus Zuckerrohrkunststoff.
Die Berliner Produktdesignerin Jonna Breitenhuber stellt ihre als Masterarbeit entstandenen müllfreien Seifenflaschen zur Aufbewahrung von Duschgels vor. Ist das Waschmittel aufgebraucht, kann die Verpackung der «Soapbottle» als Seife weiter genutzt werden. Interaktive Verpackungen ersparen Bedienungsanleitungen und erschliessen das Feld der sogenannten Augmented Reality (erweiterte Realität). Auf der Kartonage ist ein QR-Code aufgedruckt, den der Kunde mit seinem Smartphone einscannt - und die Produktinformationen in Form von Videos und dreidimensionalen Animationen bekommt.
Gezeigt werden aber auch ganz einfache Lösungen wie Mehrwegtabletts für den Pizzalieferdienst, die Pizzakartons ersetzen könnten. Denn weil an diesen Speisereste haften, sind nach Worten von Messechefin Fehlner im Altpapier fehl am Platz. «Die Altpapierverwerter fluchen über Pizzakartons, weil die mühsam aussortiert werden müssen.» Oder der zu Grossvaters Zeiten selbstverständliche Verkauf von Farbe in Pulverform und nicht klassisch im Farbeimer - was viel weniger Wasser, Energie und Kohlendioxid (CO2) verbraucht. Der tschechische Hersteller Tridas verspricht, dass seine Getränkebecherdeckel aus Holzfasern genauso stabil sind wie herkömmliche aus Plastik - aber klimaneutral und wiederverwertbar.
Nach Angaben des WWF verursacht jeder Deutsche jährlich knapp 25 Kilogramm Verpackungsmüll aus Plastik - das ist europaweit Spitze. Der wachsende Internethandel, mehr Essen und Trinken «to go» und der Trend zu kleineren Portionsverpackungen vergrösserten die Plastikmüllberge noch. «Hersteller müssen überall Verantwortung für ihre Verpackungen und deren Entsorgung übernehmen, damit Plastik nicht weiter in Umwelt und Meere gelangt», fordert Silke Hahn vom WWF.
Doch das Thema ist komplex. Weil Plastikverpackungen häufig verschiedene Kunststoffarten enthalten, kann nur ein Teil recycelt werden. Laut Umweltbundesamt beträgt die Quote aktuell 49,7 Prozent, nach dem neuen Verpackungsgesetz muss das Kunststoffrecycling bis 2021 auf 63 Prozent gesteigert werden. «Ohne Veränderungen an Verpackungen wird es nicht gehen», zitiert das Fachmagazin «Verpackungsrundschau» den Leipziger Professor für Verpackungstechnologie, Eugen Herzau. Künftig dürfe es etwa eine Polyethylen-Tube mit einem Verschluss aus Polypropylen nicht geben.
«Diese Tuben werden in Zukunft komplett aus Monomaterial hergestellt. Und auch Etiketten werden aus dem gleichen Material bestehen wie die Verpackung, auf der sie haften.» Auf diese Weise werde der Anteil aus wiederverwertetem Plastik erhöht und damit der Rohstoff Recyclinggranulat billiger, so Herzau. Denn zurzeit sei es günstiger, Plastik neu zu produzieren als aus recycelten Kunststoffabfällen zu gewinnen, sagt Sonja Bähr, Verpackungsingenieurin und Dozentin an der Beuth Hochschule für Technik Berlin.