Polizei wird für Frauen immer attraktiver
Der Polizisten-Beruf wird für Frauen immer attraktiver. Das ergab eine Studie der Agentur Keystone-SDA.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Frauen bilden sich als Polizistinnen aus.
- Im kantonalen Durchschnitt ist ein Drittel der Aspiranten weiblich.
Polizist ist kein Männerberuf mehr: In der Schweiz entscheiden sich immer mehr Frauen für einen Job bei der Polizei. Dies zeigt sich besonders beim Nachwuchs. Etwa ein Drittel aller Aspiranten sind heute weiblich, wie eine nicht repräsentative Umfrage der Agentur Keystone-SDA bei mehreren Kantonspolizeien der Deutsch- und Westschweiz ergab. In der Polizeiakademie in Savatan bei St. Maurice VS, wo Aspiranten der Kantone Genf, Waadt und Wallis ihre Ausbildung machen, liegt der Frauenteil seit 2013 jeweils zwischen 30 bis 35 Prozent.
Ähnliche Zahlen liegen für die Kantone St. Gallen und Neuenburg vor, wo aktuell 31,4 Prozent beziehungsweise 28 Prozent der Aspiranten Frauen sind. Deutlich grösser ist der Frauenanteil in diesem Jahr im Kanton Zürich mit 44 Prozent, etwas tiefer im Kanton Bern mit 25 Prozent.
Frauenpower im Aargau und St. Gallen
Es gibt sogar Kantone, in welchem die Frauen in der Überzahl sind. Im Aargau zum Beispiel stehen sich im Polizeilehrgang 2017, der unmittelbar vor dem Übertritt ins Polizeikorps steht, 9 Aspirantinnen und 8 Aspiranten gegenüber. Auch in Neuenburg und im französischsprachigen Teil des Kantons Bern machten 2016 erstmals mehr Frauen als Männer die Polizeiausbildung.
Am eindrücklichsten ist der Anstieg in St. Gallen: Dort hat sich der Frauenanteil in der Ausbildung seit 2012/13 mit rund 8 Prozent bis heute auf rund 31 Prozent erhöht. Der Agentur Keystone-SDA liegen Zahlen aus den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, St. Gallen, Zürich, Genf, Neuenburg Waadt und Wallis vor. Eine gesamtschweizerische Statistik gibt es nicht.
«Etwas Sinnvolles tun»
Ein einfache Erklärung für das gestiegene Interesse gibt es laut Stefan Blättler, Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS), nicht. «Die Gründe, warum sich Menschen für den Polizeiberuf entscheiden, sind sehr vielfältig», sagt der Kommandant der Kantonspolizei Bern.
Für viele sei die abwechslungsreiche und herausfordernde Tätigkeit ausschlaggebend, die den Mensch, seine Bedürfnisse und den Dienst an der Gesellschaft in den Mittelpunkt stelle. «Vielfach geben die jungen Aspirantinnen und Aspiranten aber auch einfach an, etwas Sinnvolles tun zu wollen», sagt der oberste Polizist der Schweiz.
«Früher war der niedrige Frauenanteil zweifellos in grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber der Eignung für den Polizeiberuf begründet», sagt Bernhard Graser, Sprecher der Aargauer Kantonspolizei. Einen Hauptgrund für den Umschwung sieht er in einem allgemein veränderten Rollenbild der Frau im Berufsleben. «Dieser gesellschaftliche Wandel zeigt sich ja auch in anderen, ehemals typischen Männerberufen wie zum Beispiel jenem des Piloten.» Das breitere Aufgabenspektrum, das mehrere Fähigkeiten erfordert, dürfte die Attraktivität des Polizeiberufs für Frauen ebenfalls gesteigert haben, betont die Kantonspolizei Neuenburg. Auch dass man bei der Polizei Teilzeit arbeiten kann, gilt als ein wichtiges Argument für die Berufswahl der Frauen.
«Nicht zuletzt stehen beiden Geschlechtern dieselben Laufbahnmöglichkeiten offen und sie werden gleich entlohnt», schreibt die Kantonspolizei Zürich. Dies gilt auch für Spezialeinheiten: So gibt es zum Beispiel bei der Waadtländer Polizei zwei Hundeführerinnen und eine Polizeitaucherin.
Gezielte Frauenförderung
In Genf und Neuenburg dürfte auch die bewusst geförderte Rekrutierung eine Rolle gespielt haben, dass heute mehr Frauen als einst bei der Polizei arbeiten. So achten die beiden Kantone zum Beispiel darauf, dass sich vor allem Frauen von den Rekrutierungsplakaten angesprochen fühlen.
«Wir haben echte Anstrengungen unternommen, um das Image einer rein männlichen Polizei zu verändern», betont Joanna Matta, Sprecherin der Kantonspolizei Genf. «Frauen in unseren Reihen zu haben, bringt uns unserem Wunsch näher, die Bevölkerung zu repräsentieren.»
Die Aufholjagd der Frauen wird erwartungsgemäss in allen befragten Kantonen begrüsst, doch eine direkte Förderung wie in Genf und Neuenburg gibt es andernorts nicht. «Die Geschlechterfrage steht nicht im Vordergrund, wir wählen jeweils die besten Bewerbungen aus», heisst es.
Abbild der Gesellschaft
Die Geschlechterdiversität gilt mittlerweile als Voraussetzung. Man versteht sich als Bürgerpolizei und will die Bevölkerung angemessen repräsentieren. «Weil die Polizei im Namen aller Bevölkerungsschichten ohne Unterschied von Rasse oder Geschlecht interveniert, ist es unerlässlich, dass sie einem Abbild der Gesellschaft entspricht», sagt Florence Maillard von der Kantonspolizei Waadt.
Befürchtungen, dass sich die körperliche Unterlegenheit der Frauen als nachteilig auswirken könnte, sind laut den Befragten unbegründet. Bei den Aufnahmeprüfungen für die Polizeiausbildung sind die physischen Anforderungen an die Geschlechter angepasst. Und im polizeilichen Alltag werden etwa Zweierpatrouillen grundsätzlich nach Geschlechtern gemischt eingeteilt.
Zudem gibt es Bereiche, wo der Einsatz von Frauen klare Vorteile aufweist. Dies kommt beispielsweise bei der Befragung weiblicher Opfer von Sexualdelikten oder von Kindern zum Tragen. Gleiches gilt bei der Leibesvisitation von Frauen.
Boom mit Verzögerung
Welchen Einfluss der gesellschaftliche Wandel auf das Geschlechterverhältnis bei der Polizei hat, zeigt der Kanton Aargau. Dort nahm die Kantonspolizei 1971 erstmals zwei Frauen auf. 1998 waren es 16 oder 2,9 Prozent. Heute sind 15 Prozent des Polizeikorps Frauen.
Noch vor rund zehn Jahren lag der Frauenanteil in den meisten befragten Kantonen bei 7 bis 10 Prozent. Heute liegen die Werte deutlich höher: 13 Prozent sind es im Wallis, 18,5 Prozent in Bern und etwa 20 Prozent in Basel-Stadt und Zürich. Mit dem moderaten Anstieg auf tiefem Niveau von 7 auf 8,5 Prozent seit 2013 stellt der Kanton St. Gallen am ehesten eine Ausnahme unter den befragten Kantonen dar.
Für die Tatsache, dass der weibliche Anteil in den Polizeikorps demjenigen der Polizeischulen hinterherhinkt, gibt es eine simple Erklärung. Die Zahl der Aspiranten im Vergleich zu den Gesamtkorps ist schlichtweg zu klein, als dass der Frauenboom in den Polizeischulen unmittelbar zu einer starken Veränderung des Geschlechterverhältnisses führen könnte. Dies veranschaulichen folgende Zahlen: Im Kanton Zürich gab es 2017 50 Aspiranten, davon 28 Männer und 22 Frauen. Dem standen insgesamt 2323 Korpsangehörige gegenüber.