Coronavirus: Experten rätseln über steigende Positivitätsrate
Die Positivitätsrate der Tests aufs Coronavirus steigt seit Wochen. Auch wenn die Zahl regelmässig veröffentlicht wird: Beim BAG rätselt man um die Bedeutung.
Das Wichtigste in Kürze
- In den vergangenen Wochen stieg die Positivitätsrate kontinuierlich an.
- Den Anstieg können sich die Experten des BAG jedoch nicht wirklich erklären.
Die Neuinfektions-Zahlen des Coronavirus sind in den vergangenen Wochen wieder gestiegen. Die Situation ist unter Kontrolle, aber angespannt: In den letzten drei Wochen blieben die Fallzahlen weitgehend stabil.
Doch auch wenn die Fallzahlen sich nur wenig ändern, registriert das BAG Veränderungen: Die Positivitätsrate der durchgeführten Tests steigt.
Die wöchentliche Positivitätsrate wird vom BAG erst seit dem 25. Juni kommuniziert. Für den Zeitraum vor dem 18. Juni liegen daher keine aufgeschlüsselten Daten vor.
Doch seit dem Abflachen der ersten Welle sank die Positivitätsrate kontinuierlich: Am ersten April betrug sie über den gesamten Epidemie-Zeitraum noch 15 Prozent, bis zum 1. Mai waren es 13 Prozent.
BAG rätselt über steigende Zahlen
Beim BAG weiss man noch nicht so recht, wie man die Zahlen interpretieren soll. Daher äussert man sich derzeit nur vage zur Positivitätsrate.
«Es ist nicht einfach, diese Zahl zu interpretieren», erklärte Mathys an der Pressekonferenz der vergangenen Woche, und fügte an: «Wir wissen nur beschränkt, wie diese starken Änderungen bei den Testzahlen zustande kommen.»
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YouTube/Der Schweizerische Bundesrat - Patrick Mathys (Bundesamt für Gesundheit) über die Positivitätsrate bei den Coronavirus-Tests.
Der BAG-Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten Stefan Kuster sagte am Mittwoch über die Positivitätsrate: «Es könnte sein, dass das einem effektiven Anstieg entspricht, dass sich aber grundsätzlich weniger Menschen testen lassen.»
Wer sich auf das Coronavirus testen lasse, sei von Woche zu Woche unterschiedlich. Es gebe Unternehmen, welche die gesamte Belegschaft testen lassen, so Mathys. Auch einmalige Test-Ereignisse wie das Testen sämtlicher Rekruten zu Beginn der Sommer-RS wirken sich auf die Resultate aus.
Task-Force Experte: «Tendenziell kein gutes Zeichen»
«Ein Anstieg der Positivitätsrate ist tendenziell kein gutes Zeichen», urteilt Christian Althaus, Mitglied der Covid-19 Science Task Force. Der Anstieg könne bedeuten, dass in der Bevölkerung wieder mehr Infektionen vorhanden seien, so der Wissenschaftler von der Universität Bern.
Andererseits werde es durch das intensivierte Contact Tracing einfacher, auf infizierte Personen zu stossen: «Das könnte den Anstieg der Positivitätsrate zumindest teilweise erklären.»
Die Statistik zeigt, dass in den letzten Wochen deutlich weniger getestet wurde. Dabei hat sich an den Testvoraussetzungen seit dem erneuten Anstieg der Fallzahlen nichts geändert.
Stefan Kuster vom BAG erklärt: «Wir sehen aus der ‹Sentinella›-Überwachung, dass die Zahl der Personen, die wegen respiratorischen Effekten einen Arzt aufsuchen, eher abnimmt. Die Leute sind eher weniger krank, die Sommergrippe-Zeit scheint vorüber zu sein.» Damit lassen sich wohl auch weniger Menschen testen, bei denen sich der Corona-Verdacht schlussendlich als Sommergrippe entpuppt.
Steigt die Dunkelziffer des Coronavirus wieder?
Während der ersten Welle war die Positivitätsrate deutlich höher als zurzeit. Gleichzeitig war auch die Dunkelziffer deutlich höher als aktuell, was sich anhand deutlich geringerer Todesraten nachvollziehen lässt. Wenn die Positivitätsrate nun wieder steigt, bedeutet das, dass auch die Dunkelziffer der nicht registrierten Fälle wieder steigt?
Althaus beschwichtigt: «Wie oben erwähnt ist das im Moment noch schwierig zu beurteilen. Man geht davon aus, dass die Dunkelziffer im Moment tiefer ist als im März.» Kuster ergänzte an der Pressekonferenz: «Die Dunkelziffer ist nach wie vor dunkel. Wie gross die effektive Dunkelziffer ist, weiss man auch aktuell nicht richtig.»
Dass die Positivitätsrate steigt, sagt nur also wenig über die tatsächliche Fallzahlen-Entwicklung aus. Wir erfahren lediglich, dass das Verhältnis der positiv getesteten zu den negativ getesteten steigt. Wichtiger für die Einschätzung der Lage bleibt daher die Entwicklung der täglichen Fallzahlen.