Coronavirus: Darum sind die Schweizer Todeszahlen so niedrig
Im Verhältnis zu den gemeldeten Fällen ist die Schweizer Zahl der am Coronavirus Gestorbenen stark gesunken. Doch das Virus ist nicht etwa harmloser geworden.
Das Wichtigste in Kürze
- In den letzten drei Wochen lag die Letalität der Coronavirus-Infizierten bei 0,33 Prozent.
- Über die ganze Epidemie ist die Sterberate jedoch deutlich höher bei etwa 5,1 Prozent.
- Verbessertes Monitoring und eine veränderte Demografie der Infizierten verändern den Wert.
Mittlerweile verzeichnet die Schweiz im Zusammenhang mit dem Coronavirus 1'688 Todesfälle. Auch wenn die Zahl hoch scheint – in den vergangenen Wochen ist die Anzahl Corona-Toter kaum noch angestiegen.
In den vergangenen drei Wochen starben in der Schweiz lediglich sechs Personen am Coronavirus. Im gleichen Zeitraum wurden 1'773 Neuinfektionen vermeldet – die Todesrate liegt bei lediglich 0,33 Prozent. Das ist markant niedriger als über die gesamte Epidemie betrachtet: Hier liegt die Todesrate bei 5,09 Prozent.
Dass die Unterschiede so markant sind, hat verschiedene Gründe. Doch das Coronavirus ist seit dem Ende des Lockdowns nicht harmloser geworden.
Das Coronavirus mutiert, wird aber nicht harmloser
Klar ist: Das Coronavirus mutiert auf natürliche Weise. Damit besteht die Möglichkeit, dass das Virus gefährlicher, oder auch harmloser wird. Der deutsche Virologe Christian Drosten stellte die Hypothese auf, dass das Virus langfristig zum «harmlosen Schnupfen» mutieren könnte.
Doch bisher hat die Wissenschaft keine Indizien gefunden, dass das Virus sich in eine harmlosere Richtung entwickelt. Auch gefährlichere Virenstämme wurden bisher nicht entdeckt: Die Letalität, also die Tödlichkeit des Virus, bleibt vorerst unverändert. Dass die Todesrate gesunken ist, liegt also nicht an Veränderungen des Virus selbst.
Mehr bestätigte Fälle bei Jungen, weniger bei Älteren
Im Vergleich zur ersten Welle hat sich die Fallverteilung mittlerweile stark verändert: Anfangs wurden viele Fälle bei älteren Personen aus der Risikogruppe registriert. Mittlerweile ist der prozentuale Anteil der Fälle bei über 50-Jährigen deutlich gesunken. Der Anteil der über 70-Jährigen sank gar von 21,4 Prozent auf gerade einmal 3,8 Prozent.
Dafür stieg der Anteil der unter 40-Jährigen stark. Bei den 20- bis 29-Jährigen verdoppelte sich der Anteil beinahe von 13,5 auf 26,6 Prozent.
Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern, erklärt: «Die jüngeren Leute, unter 60 Jahre alt, sind seit dem Ende des Lockdowns wieder aktiver.» Man pflege wieder mehr soziale Kontakte. «Das erhöht das Ansteckungsrisiko.»
Wie hoch ist die Dunkelziffer?
Im Vergleich zum Höhepunkt hat sich gerade bei den Jungen vieles geändert, so Giebel: «Sie erkranken häufiger, lassen sich aber auch häufiger testen.» Daher müsse man derzeit mit Aussagen sehr vorsichtig sein.
Klar ist, dass die Dunkelziffer der nicht getesteten Personen deutlich gesunken ist. In der grossen Welle wurden Personen, die nicht zur Risikogruppe gehörten, angehalten, sich nicht testen zu lassen. Die Testkapazitäten genügten nicht, um alle Fälle zu prüfen. Dementsprechend kurierten gerade die Jungen eine Corona-Erkrankung zu Hause aus, ohne dass diese registriert wurde.
Contact Tracing spiegelt sich in den Zahlen wider
Das mittlerweile umfassend durchgeführte Contact Tracing dürfte weiter zur Senkung der Dunkelziffer beitragen. Dennoch dürfte es nach wie vor zu nicht registrierten Fällen kommen. Die gesunkene Sterberate lässt sich also auf besseres Monitoring der Fälle und Veränderungen in der Altersstruktur der infizierten Personen zurückführen.
Viele Menschen mit einem starken Immunsystem haben keinerlei Symptome und lassen sich dementsprechend nicht testen. Damit dürfte es weiterhin eine Dunkelziffer nicht registrierter Fälle geben. «Es ist zu früh, um allgemeingültige Aussagen machen zu können», warnt Giebel.