Coronavirus: Häusliche Gewalt nimmt zu - Opfer berichtet

Wegen dem Coronavirus bleiben die Leute zuhause. Es kommt zu mehr häuslicher Gewalt. Eine 39-jährige Baslerin schildert ein aktuelles Beispiel.

Fast jede zweite Frau hat schon einmal Gewalt in ihrer Partnerschaft erlebt. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Corona-Krise schlägt auf die Beziehungen.
  • Die Frauenhäuser rechnen wegen häuslicher Gewalt mit einem Ansturm.
  • T.N. aus Basel (Name der Redaktion bekannt) schildert einen Vorfall mit dem Ex-Mann.

«Die Corona-Situation verstärkt die Risikofaktoren für häusliche Gewalt», warnt Nationalrätin Flavia Wasserfallen vor ein paar Tagen.

SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen warnt vor häuslicher Gewalt. Wegen dem Coronavirus bleiben ganz viele Leute jetzt zuhause. - Nau

Frauenhäuser rechnen wegen der Corona-Krise mit einem Ansturm. Die Opferhilfe-Organisation des Kantons Zürich hat bereits Sofortmassnahmen ergriffen. Zusätzliches Personal wird eingestellt, für die Opfer gibt es zusätzliche Räume.

Die Corona-Krise schlägt auf die Beziehungen. Es muss während des Teil-Lockdowns mit mehr Gewalt hinter verschlossenen Türen gerechnet werden.

Krise wegen Coronavirus verschärft Situation

Das hat T.N.* (Name der Redaktion bekannt) in den letzten Tagen bereits bitter erfahren. Die 39-jährige Baslerin lebt von ihrem langjährigen Ex-Partner und Vater der beiden Kinder seit zwei Jahren getrennt.

Laut heutigem Strafgesetzbuch muss sich eine Frau «genügend» wehren, damit eine Vergewaltigung anerkannt wird. - Keystone

Der Alltag sei schwierig, psychische Gewalt seitens des Vaters gegenüber der Mutter dominiere die Beziehung zwischen den Eltern. Ein normales Miteinander ist leider nicht möglich.

Die Corona-Krise verschärft jetzt die Situation zusätzlich, weil es den Alltag nicht mehr gibt. Vor ein paar Tagen kommt es zum ersten körperlichen Übergriff. Wir haben mit T.N. gesprochen.

Nau.ch: Was ist vor wenigen Tagen im Haus des Ex-Partners genau passiert?

T.N.: Mein Ex-Partner rastete bei der Übergabe der Kinder beim Gespräch komplett aus. Er drohte mir lautstark, sagte: Muss ich dich im Nacken nehmen? Verlass sofort dieses Haus, oder es «tätscht»! Und schon stand er da und packte mich. Ich schrie laut: «Fass mich nicht an!» Das hatte er bisher noch nie getan. Die Kinder waren in Hörweite. Es ist jetzt eine neue Dimension, ausgelöst durch eine normale Diskussion.

Eine neue Bestimmung soll Opfer von häuslicher Gewalt besser schützen. - Keystone

Nau.ch: Sie denken, das Verhalten Ihres Ex-Partners habe mit der Corona-Krise zu tun?

T.N.: Corona ist zumindest mitschuldig. Mit diesem herausfordernden, neuen Alltag können viele nicht umgehen. Klar, gestresst sind wir jetzt alle. Gleichzeitig dürfen wir es uns aber nicht anmerken lassen. Die Kinder sind jetzt immer um uns herum. Und viele Kids sind sehr sensibel.

Nau.ch: Der Alltag hat sich bei den meisten ja auch komplett verändert.

T.N.: Das ist so. Den normalen Alltag gibt es nicht mehr. Plötzlich sind wir Eltern auch noch Lehrer, Tagesschulleiter, Köche und Berufstätige gleichzeitig. Und das auf wenigen Quadratmetern. Da sind Krisen und Streits in den eigenen vier Wänden doch vorprogrammiert. Ich wage zu behaupten, dass speziell jene Elternteile, die bisher kaum Erziehungsarbeit geleistet haben – also zu 100% berufstätig sind, meist in höheren Positionen – mit Homeoffice und Homeschooling besonders überfordert sind.

Nau.ch: Was macht Ihnen Angst?

T.N.: Die unbestimmte Dauer des Teil-Lockdowns. Und die damit verbundenen psychischen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Und auch, dass der nächste körperliche Übergriff nicht mich, sondern eines der Kinder trifft.

Nau.ch: Kennen Sie weitere Fälle von häuslicher Gewalt?

T.N.: Zwei Bekannte haben mir unabhängig voneinander von ähnlichen Vorfällen in ihren Beziehungen respektive Familien berichtet. Überall wird jetzt heftiger gestritten. Was jetzt in vielen Wohnungen abgeht, darf nicht sein.

Wie gehen Sie bei der nächsten Übergabe der Kinder vor?

T.N.: Ich versuche, meinem Ex-Partner möglichst keine Angriffsfläche bieten. Das ist aber nicht neu.

Nau.ch: Holen Sie sich Hilfe?

T.N.: Ja, das ist wichtig. Die beiden Kinder und ich nehmen externe Hilfe in Anspruch. Das empfehle ich allen Betroffenen dringend! Wartet nicht ab, sondern weiht Freunde, Nachbarn oder den Vertrauensarzt ein. Oder wendet euch an Telefondienste wie die Dargebotene Hand (Tel. 143).