Coronavirus: Impfpflicht für Stadioneinlass grundsätzlich möglich
Vereine und Hotels könnten rechtlich gesehen eine Impfpflicht einführen – doch würden sie dadurch die Massnahmen gegen das Coronavirus nicht umgehen können.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat plant keine Impfpflicht, doch private Akteure könnten sie einführen.
- Gastrobetriebe oder Fussballvereine etwa könnten die Impfung für den Einlass voraussetzen.
- Ein Rechtsanwalt erklärt die Situation.
Alain Berset hat wiederholt betont: Der Bundesrat plant keine Impfpflicht. Doch Menschen, die eine Impfung gegen das Coronavirus verweigern, könnten künftig trotzdem mit Einschränkungen konfrontiert sein.
Entsprechende Pläne gibt es bereits – bisher jedoch nur im Ausland. Australiens Fluggesellschaft Qantas will eine Impfpflicht für Passagiere einführen. Grossbritannien will mit dem «freedom pass» geimpften Menschen gar einen Alltag ohne Corona-Beschränkungen ermöglichen.
Coronavirus: Ohne Impfung, kein Einlass?
Ähnliche Szenarien zur Eindämmung des Coronavirus sind auch in der Schweiz denkbar. Doch dazu müsste vorher eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein, wie Rechtsanwalt Martin Steiger auf Anfrage erklärt. So müsste primär für die breite Öffentlichkeit ein gut verträglicher Impfstoff vorhanden sein. Dieser müsste wirksam vor Ansteckungen schützen und die epidemiologische Situation müsste eine Impfpflicht rechtfertigen.
Eine Impfpflicht bei Impfungen, die nur Geimpfte vor schweren Vorläufen schützt, aber keine Ansteckungen verhindert, wäre aber nicht verhältnismässig.
Impfobligatorium auf Bundesebene unrealistisch
Doch Theorie zum Trotz: Weder auf Bundes- noch auf kantonaler Ebene ist ein Impfobligatorium realistisch, bestätigt Lorenz Langer. Er ist Assistenzprofessor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Zürich.
Auf privater Ebene hingegen bestünden die Grundlagen durchaus, um einen Impfnachweis verlangen zu können. Dies zum Beispiel als Voraussetzung zum Einlass in ein Stadion.
Dies ergebe sich aus der Wirtschaftsfreiheit – ein durch die Verfassung garantiertes Grundrecht. «Sie umfasst auch die Vertragsfreiheit und das Recht auf freie Gestaltung der Geschäftsbeziehungen», präzisiert Langer.
Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit nur mit gesetzlicher Grundlage
Ausnahmen von diesen Grundsätzen bedürften einer gesetzlichen Grundlage.
«Ein prominentes Beispiel dafür ist der Artikel 261 des Strafgesetzbuchs. Gemäss dieser Bestimmung ist es strafbar, eine ‹angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung› zu verweigern. Es wäre also strafbar, wenn ein Hotel einen Gast wegen dessen Ethnie etc. abweist.»
Oder aber das Verbot, etwa für einen Restaurantbesuch die Installation der Covid-App zu verlangen (Art. 60a Abs. 3 Epidemiengesetz). Das wäre ein weiteres Beispiel für eine gesetzliche Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit.
Nachteile für nicht geimpfte Menschen möglich
«Aus diesen Grundsätzen folgt, dass ein Gastwirt oder Hotelier Gäste abweisen kann, wenn er nur Gäste mit Impfnachweis zulassen will.» Auch ein Fussballverein könne von diesem Recht Gebrauch machen. Grundsätzlich gilt das wohl auch bei Skigebieten. Die Anbieter sind dabei durch die Vertragsfreiheit geschützt.
Dies sei jedoch nicht auf bereits abgeschlossene Verträge anzuwenden. Zimmerreservierungen, die vor der Einführung einer solchen Bedingung erfolgten, seien immer noch gültig. Bei den Sportvereinen würde dies bedeuten, dass Saison-Abo-Besitzer zumindest Anspruch auf Schadenersatz hätten.
Ob auch Menschen ausgeschlossen werden könnten, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht gegen das Coronavirus impfen lassen können, sei schwieriger zu beurteilen. «Grundsätzlich schützen Grundrechte vor staatlichen Eingriffen. Das gilt auch für das grund- und verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot», stellt Langer klar.
«Ebenfalls an die Grundrechte gebunden sind aber private Träger öffentlicher Aufgaben. Darunter fallen möglicherweise auch Seilbahnen.» Hier seien die Anforderungen höher; eine Diskriminierung von Menschen, die eine Impfung nicht vertragen, wäre klar unzulässig.
Keine Massnahmen gegen das Coronavirus dank Impfung?
«Auch wenn ein Impfausweis mit staatlichen Vorschriften verknüpft wird, dann handelt es sich nicht mehr um eine Rechtsbeziehung nur unter Privaten. Dies wäre etwa der Fall, wenn für Wirte, die einen Impfausweis verlangen, mildere Sicherheitsvorschriften gelten. Dann müsste vertieft geprüft werden, ob diese (indirekte) staatliche Diskriminierung und damit Grundrechtseingriff gerechtfertigt werden kann», so Langer.
Das Hauptinteresse der Fussballvereine, Gaststätten und Ski-Gebiete liegt jedoch genau darin, Lockerungen bei den Corona-Massnahmen zu erhalten. Wenn sie durch eine Impfpflicht dies nicht erreichen können, erscheint es auch sehr unwahrscheinlich, dass eine solche eingeführt wird.
Auch Lorenz Langer geht davon aus, dass es «angesichts der Diskussion in der Schweiz politisch undenkbar ist, entsprechende Regeln einzuführen. Und angesichts des weitverbreiteten Primats der wirtschaftlichen über die gesundheitlichen Aspekte scheint es mir auch wenig wahrscheinlich, dass private Anbieter eine Impfausweispflicht einführen werden.»