St. Gallen: Gerichtsschreiber kündigt aus Protest gegen Asyl-Urteil
Das Bundesverwaltungsgericht schickt einen Syrer zurück nach Kroatien. Ein Gerichtsschreiber protestiert dagegen und kündigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Gerichtsschreiber kündigt aus Protest gegen ein Urteil.
- Dieses sieht vor, Asylsuchende zurückzuschicken, wenn ihr Erstland Kroatien ist.
- Das Urteil führe kausal zur Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Nach nur drei Monaten kündet Gerichtsschreiber Martin Daniel Küng seine Stelle beim Bundesverwaltungsgericht St.Gallen. Eine eigentlich unspektakuläre Meldung, wäre da nicht der Kündigungsgrund, den Küng auf Linkedin mitteilt: ein Urteil.
Im März entschied das Gericht, einen syrischen Asylsuchenden zurück nach Kroatien, wo er das Erstgesuch eingereicht hatte, zu schicken. In Kroatien wurde der Syrer erniedrigt, misshandelt und 18-mal an die bosnische Grenze zurückgeführt. All dies wusste das Gericht und erwähnte es im Urteil.

Es handelte sich um ein Referenzurteil, auch andere Abteilungen des Bundesverwaltungsgerichts müssen sich daranhalten. Deswegen wurde es vor der Publikation anderen Abteilungen vorgelegt.
Küng kritisiert, dass das Gericht die systemischen Mängel hinsichtlich der Menschenrechte dokumentiere, aber keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sehe. Er prangert weiter an, dass schutzbedürftige Personen nach Kroatien geschickt werden, ohne die Situation materiell zu prüfen.

Er habe sich deshalb geweigert, Entscheide im Sinne des Referenzurteils zu verfassen, so Küng. «Ich werde nie mit meinem Namen für Handlungen einstehen, welche kausal zur Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention führen.»
Gerichtsschreiber Küng kritisiert die Richter
Auch Amnesty International und die Schweizer Flüchtlingshilfe machen Kroatien Vorwürfe: Es gebe illegale Pushbacks, gegen Schutzsuchende werde Gewalt angewendet. Das Land verstosse damit gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen.
Martin Küng kritisiert auch die Richter, ein «rechtsbürgerlicher Spruchkörper» habe das Urteil gefällt. Das Bundesverwaltungsgericht widerspricht gegenüber Tamedia: Dies sei «nicht korrekt». Das Urteil sei durch die versammelte Richterschaft von drei Abteilungen koordiniert und entschieden worden. Als durch 36 Richter aller Parteien.
Gegenüber Tamedia schreibt Küng, er habe die mediale Aufmerksamkeit nicht gesucht. Er habe sein berufliches Umfeld über seine Beweggründe informieren wollen. «Ich finde es wichtig, dass nicht sämtliche Gerichtsschreiber hinter der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts stehen.»