«Hacker» drohen Schweizern: «Habe gefilmt, wie du masturbierst»

Betrüger schreiben Schweizern, sie hätten sie im Geheimen beim Porno-Schauen gefilmt – und würden die Aufnahmen veröffentlichen, wenn sie kein Geld bekommen.

Vorsicht vor diesen Mails: Betrüger schreiben auf gut Glück Schweizerinnen und Schweizern, sie hätten sie beim Masturbieren gefilmt. (Symbolbild) - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Betrugsmasche kursiert in Schweizer E-Mail-Postfächern.
  • Angebliche Hacker behaupten, sie hätten Schweizer heimlich beim Porno-Schauen gefilmt.
  • Dem Bund sind bislang sechs Fälle von Personen bekannt, die darauf hereingefallen sind.

In dicken, schwarzen Buchstaben steht im E-Mail-Postfach von Selina Imhof*: «Du wurdest gehackt». Für die 28-Jährige, die sich im Netz gut auskennt, normalerweise kein Grund zur Sorge – sie würde an Spam denken.

Doch diesmal ist es anders – denn: Die Nachricht wurde von ihrer eigenen Mail-Adresse versendet. «Als ich das sah, bekam ich Angst», erzählt die Bernerin bei Nau.ch. «Hätte jemand Zugriff auf meine E-Mail, dann könnte er sich ja in all meine Konten einloggen!»

Imhof liest weiter. «Hallo, Perversling», steht da. Der angebliche Hacker spricht über ein Programm, mit dem er sich unter anderem Zugriff auf Webcams und Telefongespräche verschaffen könne.

Und weiter: «Seit ich es auf all deinen Geräten installiert habe, sind ein paar Monate vergangen. In dieser Zeit habe ich zahlreiche Videos von dir gefilmt, wie du zu höchst kontroversen Porno-Videos masturbierst.»

Als sie das liest, wird sie skeptisch. «Ich habe gar keine solchen Videos geschaut», sagt sie. «Also musste das irgendeine Standard-Nachricht sein.»

Betrüger können E-Mail-Adressen fälschen

Schnell googelt Selina Imhof den Inhalt der Nachricht. Und siehe da: «Schon das erste Suchresultat bestätigte meinen Verdacht – die Drohung ist fake. Und der angebliche Hacker hat mich wohl nicht gehackt, sondern meine Mailadresse gespooft.»

Spoofing kennt man beispielsweise von Anrufen: Betrüger verändern ihre Nummer technisch so, dass eine Schweizer Handynummer angezeigt wird. Im April berichtete Nau.ch über eine Welle solcher Anrufe.

Das funktioniert auch bei E-Mail-Adressen, bestätigen sowohl die Schweizerische Kriminalprävention SKPPS als auch das Bundesamt für Cybersicherheit BACS.

E-Mail «ist ein Bluff»

Die Masche mit den angeblichen Masturbations-Videos «kommt in Wellen immer wieder vor», sagt SKPPS-Sprecher Fabian Ilg zu Nau.ch.

Dabei handelt es sich laut dem BACS um eine sogenannte Fake-Sextortion. Also eine Erpressung mit sexuellen Inhalten, die in Wirklichkeit nicht existieren.

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Hast du schon einmal eine Betrugs-E-Mail von deiner eigenen Mailadresse aus erhalten?

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«Die E-Mail ist ein Bluff», betont Manuela Sonderegger vom BACS. «Solche Schreiben werden von den Erpressern auf gut Glück und in Massen versandt. Durch die Drohung, das Material zu veröffentlichen, sollen die Empfänger zur Zahlung von Lösegeld bewogen werden.»

Auch im Fall von Selina Imhof: Der angebliche Hacker fordert von ihr 1300 Dollar (über 1100 Franken) in der Kryptowährung Litecoin.

Dieses Jahr schon sechs Opfer reingefallen

Solche Sex-Erpressungs-Mails werden dem Amt immer wieder gemeldet, sagt Sonderegger. Eine Erhöhung gegenüber dem Jahresdurchschnitt beobachtete das BACS in den letzten Monaten aber nicht.

Anders die Kantonspolizei Obwalden: «In den letzten Wochen erhielten wir vermehrt Meldungen dieser Art», sagt Sprecher Alain Stadelmann zu Nau.ch.

In Obwalden wurden zuletzt vermehrt Personen mit angeblichen Videos bedroht, die sie beim Masturbieren zeigen sollen. (Symbolbild) - keystone

Es sei aber niemand tatsächlich bei sexuellen Handlungen gefilmt worden. Und: «Keine der betroffenen Personen erlitt einen finanziellen Schaden.»

Schweizweit wiederum sind schon Personen auf solche Drohungen hereingefallen. Sonderegger sagt: «Dem BACS wurden in diesem Jahr sechs Fake-Sextortion-Fälle gemeldet, in denen ein finanzieller Schaden entstanden ist.» In den restlichen 1697 gemeldeten Fällen wurde kein Geld überwiesen.

Junge Männer fallen «allzu oft» auf Fake-Frauenprofile herein

Im Kanton Zug ist die Masche ebenfalls bekannt. Die Dunkelziffer der Personen, die hereingefallen sind, dürfte hoch sein, heisst es auf Anfrage: «Aus Scham getrauen sich Geschädigte oftmals nicht, eine Anzeige einzureichen.»

Auch die Kantonspolizeien Zürich, Bern, Graubünden, Solothurn und Aargau kennen die Mails. Der Aargauer Polizeisprecher Bernhard Graser schliesst nicht aus, dass es in seinem Kanton schon Fälle gab, wo Opfer Geld überwiesen.

Häufiger tun dies jedoch Opfer bei Erpressung mit tatsächlich existierenden sexuellen Inhalten, sagt er: «Allzu oft sind junge Männer betroffen, die auf Social Media von attraktiven Damen angeflirtet werden. Selbstverständlich sind das Fake-Profile, hinter denen sich Betrüger verbergen.»

Auf solche Profile auf Social Media fallen junge Männer «allzu oft» herein, warnt die Kapo Aargau. - Instagram

Gehen die Betroffenen darauf ein, dränge die angebliche Frau darauf, dass sich das Opfer «vor der Kamera auszieht». Graser warnt: «Tut es dies, folgt umgehend die Drohung, das mitgeschnittene Video zu veröffentlichen. Es sei denn, das peinlich berührte Opfer zahlt.»

Im Aargau sei es 2024 bereits zu rund 70 solchen Delikten gekommen. Insgesamt haben die Opfer den Betrügern fast 100'000 Franken überwiesen.

Bund ist kein Fall bekannt, wo Opfer gefilmt wurde

Das BACS spricht im Fall von Imhof von einem Bluff. Doch kann es tatsächlich sein, dass Hacker uns im Geheimen filmen?

«Grundsätzlich sollte man nichts zu befürchten haben», sagt Ilg von der Kriminalprävention. Aber nur, «sofern man niemandem Zugriff auf den Computer gewährt hat, die Webcam nicht eingeschalten hat oder gehackt wurde».

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Wurdest du schon einmal mit Nacktbildern erpresst?

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89%

Sonderegger vom BACS ergänzt: «Bisher sind uns keine Fake-Sextortion-Fälle bekannt, in denen kompromittierendes Bildmaterial vorhanden gewesen wäre.» Wer eine solche Mail erhält, kann also von einer leeren Drohung ausgehen.

Darum rät sie: «Ignorieren Sie Fake-Sextortion-E-Mails und lassen Sie sich nicht einschüchtern! Wenn das betroffene Mail-Passwort von Ihnen verwendet wird, sollten Sie es dennoch dringend ändern.» Denn mit Sicherheit sagen, dass die Betrüger keinen Zugriff aufs Mail-Konto haben, kann das BACS nicht.

Zur Sicherheit ist es laut der Kriminalprävention zudem ratsam, eine Zwei-Faktor-Authentifizierung einzuschalten. Und zuletzt sollte man den Vorfall beim BACS melden.

*Name von der Redaktion geändert