Nach Solingen: Braucht es in der Schweiz Messer-Verbot-Zonen?

Die Messertat in Solingen (D) schockiert und sorgt für politische Forderungen. Schweizer Sicherheitspolitiker sind skeptisch, ob es mehr Kontrollen braucht.

Kerzen und Blumen stehen in der Innenstadt von Solingen. Am Freitagabend waren bei einem Stadtfest im nordrhein-westfälischen Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet worden. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Freitag kam es in Deutschland zu einem tödlichen Messerangriff.
  • In Deutschland werden nun Forderungen nach strengeren Messerregeln laut.
  • In der Schweiz geben sich Politiker zurückhaltend.

Nach dem Messerangriff in Solingen (D) werden in Deutschland Forderungen für ein strengeres Waffenrecht für Messer laut.

In der «Bild am Sonntag» kündigte der deutsche Justizminister Marco Buschmann an: «Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messerkriminalität weiter voranbringen.»

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck ergänzte, dass es mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze bräuchte. Hieb- und Stichwaffen brauche in der Öffentlichkeit niemand. «Wir leben nicht mehr im Mittelalter.»

Keine Messerverbotszonen wie in Deutschland

In der Schweiz sind Messer verboten, deren Klinge mit einem einhändig bedienbaren automatischen Mechanismus ausgefahren werden kann. Auch Schmetterlingsmesser, Klappmesser, Wurfmesser und Dolche mit systematischer Klinge gelten als Waffe.

Andere Messer sind legal. Aber: Die Polizei kann auch legale Messer abnehmen, wenn diese missbräuchlich mitgeführt werden.

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Messerverbotszonen mit entsprechenden Bussen gibt es in der Schweiz keine. Systematische Kontrollen nur einzeln. Nach den Ereignissen in Solingen werden aber politische Forderungen laut. Auch in der Schweiz.

Der SVP-Sicherheitspolitiker und Zürcher Nationalrat Marco Tuena warnt bei Nau.ch: «Es ist beängstigend, wie viele Messer getragen werden.» Für ihn ist klar: Wer nicht gerade auf dem Weg zum Bräteln sei, habe «überhaupt keinen Grund», mit einem Küchen- oder Sackmesser rumzulaufen.

Dirk Baier, Kriminologe und Extremismusforscher der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), sieht in Messerverbotszonen Vorteile. «Die Zonen erlauben es der Polizei, Menschen einfacher bezüglich des Mitführens von Waffen zu kontrollieren.»

Kriminologe und Extremismusforscher Dirk Baier. - ZHAW

Der Experte verweist dabei auf bestehende Waffenverbotszonen, die als Reaktion auf frühere Messerangriffe eingeführt wurden. «In Deutschland hat sich gezeigt, dass die Zonen tatsächlich zur Folge haben, dass Messer abgenommen werden.» Insofern sei das schon ein kleiner Erfolg.

Er ergänzt: «Auch die häufigere Präsenz der Polizei an diesen Orten ist ein wichtiges Zeichen, wodurch das Sicherheitsgefühl erhöht werden kann.» Solche Zonen können kurzfristig die Situation beruhigen.

Schweizer Sicherheitspolitiker geben sich gegenüber Nau.ch skeptisch, ob auch hierzulande Messerverbotszonen verhängt werden sollen.

Sicherheitspolitiker fordern NDB-Ausbau

So sagt etwa Reto Nause: «Es braucht mehr als solche Messerverbotszonen.» Nause ist seit 16 Jahren Sicherheitsdirektor der Stadt Bern. Seit letztem Jahr politisiert er für Die Mitte im Nationalrat.

Die-Mitte-Nationalrat und Sicherheitsdirektor der Stadt Bern: Reto Nause. - keystone

Entscheidend im Kampf gegen Terror sei in erster Linie eine Aufstockung beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Auch eine Meldepflicht der Jugendstaatsanwaltschaften für Terrorverdächtige fordert Nause.

«Ganz am Schluss kann man sich eine Messerverbotszone überlegen», sagt er. Man müsste bei einer Umsetzung die Praxistauglichkeit und die Verhältnismässigkeit beachten. «Es stellt sich die Frage, ob sich ein Täter von einem solchen Verbot abhalten liesse. Oder wie man ein solches Verbot umsetzen würde.»

«Fraglich, ob Polizei Verbot durchsetzen könnte»

Ins gleiche Horn bläst die Zürcher SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf. «Ehrlich gesagt bin ich skeptisch, dass ein Messerverbot tatsächlich etwas bringt. Die Polizei müsste dieses Verbot auch wirklich konsequent durchsetzen können», sagt sie. Ein allgemeines Verbot im öffentlichen Raum halte sie daher für unrealistisch.

SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf. - keystone

Aber: «Man könnte bei Veranstaltungen und geschlossenen Territorien ein solches Messerverbot vorschreiben. So liesse es sich auch kontrollieren und durchsetzen.» Doch bei einem Stadtfest dürfte es nicht möglich sein, ein solches Verbot vollständig zu kontrollieren.

Klar sei: Im Kampf gegen den Terror brauche es mehr als ein solches Verbot. «Ganz wichtig finde ich die Früherkennung und Prävention sowie grosse Bemühungen im Bereich Integration. Und wir müssen meiner Meinung nach ernsthaft darüber diskutieren, ob wir dem Nachrichtendienst nicht mehr Ressourcen geben wollen.»

SVP-Nationalrat Mauro Tuena. - keystone

Der Zürcher SVP-Nationalrat Marco Tuena verweist darauf, dass bereits heute Messer abgenommen werden können. «Es braucht nicht mehr Regeln, diese müssen nur umgesetzt werden. An Brennpunkten sind intensive Messerkontrollen zwingend nötig», findet er. Basel zum Beispiel macht das schon heute.

Kriminologe: «Polizei braucht Ressourcen für Patrouillen»

Kriminologe Dirk Baier mahnt, den Effekt von Messerverbotszonen nicht zu überschätzen. «Langfristig erreichen sie aber die Risikogruppen messertragender Personen nicht und ändern nicht deren positive Einstellungen zum Messertragen.»

Und: Damit ein solches Verbot nicht zu einer Alibi-Übung verkomme, brauche es Kontrollen durch die Polizei. Eine symbolische Wirkung des Aufrufens einer solchen Zone bleibe aus. «Waffenverbotszonen müssen immer damit einhergehen, dass die Polizei auch Ressourcen erhält, in diesen Zonen zu patrouillieren.»