Deutsche Politik debattiert über verschärfte Messer-Gesetze
Nach dem Solinger Angriff mit Toten und Verletzten positionieren sich deutschen Parteien zum Umgang mit Messergewalt. Strengere Gesetze stehen zur Diskussion.
Nach dem Messerangriff von Solingen und vor den Landtagswahlen im Osten scheint Bewegung in die festgefahrene Ampel-Debatte über ein strengeres Waffenrecht zu kommen. Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an.
FDP kündigt Beratungen an
«Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen», sagte der FDP-Politiker der «Bild am Sonntag». Bisher hat die FDP Vorschläge von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu schärferen Verboten abgelehnt.
Die SPD verlangt eine deutliche Verschärfung der Gesetze, ebenso Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und die oppositionelle Unionsfraktion. Ein Hauptproblem bei möglichen schärferen Regeln zum Mitführen von Messern ist deren Umsetzbarkeit, wie etwa die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden zur Kontrolle im öffentlichen Raum.
Stärkt möglicher Terror AfD und BSW?
Bei einem Stadtfest in Solingen waren am Freitagabend drei Menschen mit einem Messer getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Tatverdächtigen wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Hintergrund für die aktuellen politischen Ankündigungen dürften auch die im September anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sein. Politiker in Ampel und Union befürchten ein weiteres Ansteigen der dort ohnehin hohen Zustimmungswerte zu Parteien wie der AfD oder des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW).
Habeck plädiert für rechtliche Verschärfungen
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte zwar: «Ob die schreckliche Tat von Solingen mit strengeren Gesetzen hätte verhindert werden können, das weiss man nicht.» Aber einige rechtliche Verschärfungen seien richtig und notwendig.
Er ergänzte: «Mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze – Hieb- und Stichwaffen braucht niemand in Deutschland in der Öffentlichkeit. Wir leben nicht mehr im Mittelalter.»
Klingbeil: «Deutschland hat Problem mit Messergewalt»
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte der «Bild am Sonntag» über die Vorfälle in Solingen: «Dieser wahrscheinliche Terrorangriff zeigt: Deutschland hat ein Problem mit Messergewalt.»
Er fordert ein nahezu komplettes Messerverbot auf Strassen: «Für mich gibt es keinen Grund, warum Menschen Stichwaffen im Alltag mit sich führen. Es müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Messer von Deutschlands Strassen und Plätzen verschwinden.»
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese plädierte in dem Blatt für mehr Messerverbotszonen, die Ausweitung des Trageverbots für straffällig gewordene Personen, ein Messerverbot in Bus und Bahn und eine rasche Strafverfolgung bei Verstössen.
Union für mehr Polizeibefugnisse
Die Unionsfraktion fordert anlassunabhängige Messerkontrollen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte der «Rheinischen Post» (Montag):
«Statt immer nur öffentlich über den richtigen Kurs zu streiten, muss die Bundesregierung handeln.» Faeser und Buschmann müssten «nun endlich ein tragfähiges Konzept vorlegen, wie sie die ansteigende Messergewalt bei jungen Männern effektiv bekämpfen wollen».
Dazu könnten Messerverbotszonen und die Verschärfungen des Waffenrechts zählen «sowie mehr Befugnisse für die Polizei, die etwa anlassunabhängige Messerkontrollen ermöglichen».
Brandenburgs CDU-Landes- und Fraktionschef Jan Redmann forderte: «Mehr Sicherheit auf Volksfesten erreichen wir nur durch moderne Videoüberwachung mit Gesichtserkennung und anlassunabhängige Taschenkontrollen.» Redmann will bei der Landtagswahl am 22. September Ministerpräsident werden.
AfD glaubt nicht an Messerverbotszonen
Der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, warf Innenministerin Faeser vor, ihr «Gerede von lächerlichen Messerverbotszonen» zeige nur «den grundsätzlichen Unwillen, sich mit den eigentlichen Ursachen einer derart hohen Gewaltaffinität einer immer grösser werdenden Täter-Klientel auseinanderzusetzen».
Deutlicher Anstieg registrierter Messergewalt
Zuletzt hatte die Zahl der Messerangriffe in Deutschland deutlich zugenommen – und damit die öffentliche Debatte über diese Art von Gewalt. 2023 registrierte die Polizei 8.951 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, bei denen Messer zum Einsatz kamen, entweder um jemanden zu verletzen oder damit zu drohen – ein Anstieg um knapp 9,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Nach den Plänen von Faeser sollen Messer in der Öffentlichkeit nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser soll es ein generelles Umgangsverbot geben.
Der ärztliche Direktor am städtischen Klinikum Solingen, Thomas Standl, sprach mit Blick auf die Klingenlänge bei Welt TV von einer Scheinsicherheit. «Das ist eine Debatte, die uns – glaube ich – nicht wirklich weiterbringt», sagte er. «Gerade im Hals, muss man sagen, reichen auch drei bis vier Zentimeter, um die grosse Halsschlagader bei normalen Menschen zu treffen.» In dem Krankenhaus werden vier der Freitagabend verletzten Menschen behandelt.
Waffen- und Messerverbotszonen nur «ein Baustein»
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, eine Waffenrechtsverschärfung könne nur ein Baustein zur besseren Bekämpfung der Messerkriminalität sein. Messerverbote müssten konsequent durchgesetzt werden, so wie es die Bundespolizei mit Kontrollen an Bahnhöfen mache.
Zudem sollten Waffen- und Messerverbotszonen durch die Behörden vor Ort verhängt werden, wenn an bestimmten Orten Gewalttaten zu befürchten seien.