So gehen Hausärzte mit Patienten um, die sie nicht verstehen

Eine deutsche Praxis will nur Patienten, die Deutsch sprechen. «Die Problematik ist real», heisst es in der Schweiz. Doch dasselbe Vorgehen sei nicht denkbar.

Auch in Schweizer Arztpraxen kommt es vor, dass sich Ärztinnen und Ärzte mit Patientinnen oder Patienten nicht verständigen können. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Praxis in Deutschland behandelt nur Leute, die der deutschen Sprache mächtig sind.
  • Das sorgt für Kritik. Rassismus lautet der Vorwurf.
  • Auch in der Schweiz kämpfen Arztpraxen mit Sprachbarrieren. Sie agieren jedoch anders.

«Wir sprechen hier in der Praxis ausschliesslich Deutsch!» – mit diesem Aushang sorgt eine Kinder- und Jugendarztpraxis im deutschen Kirchheim in Baden-Württemberg für Furore. Der Vorwurf des Rassismus wird laut.

Denn die Ärzte schreiben weiter: «Sollte eine Kommunikation aufgrund fehlender deutscher Sprachkenntnisse nicht möglich sein und auch kein Dolmetscher persönlich anwesend sein, müssen wir eine Behandlung – ausser in Notfällen – zukünftig ablehnen.»

Sie begründen ihren Schritt damit, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet seien, ihre Patienten über alles aufzuklären. Zudem müssten sie über die Vorgeschichte, Vorerkrankungen oder Allergien Bescheid wissen. Ohne Sprache ein Ding der Unmöglichkeit.

Mit App oder Angehörigen aushelfen

«Diese Problematik ist real», sagt Marc Jungi, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH und Vorstandsmitglied der Haus- und Kinderärzte Schweiz. Sie komme jedoch zum Glück sehr selten vor.

Es gibt gemäss Jungi, der Hausarzt und stellvertretender CEO bei Sanacare ist, verschiedene Möglichkeiten, sich bei Sprachproblemen auszuhelfen. «Ist der Patient damit einverstanden, suchen wir in unseren grossen Gruppenpraxen Unterstützung für die Übersetzung durch weitere Teammitglieder, die der Sprache mächtig sind.»

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Wenn sich niemand finden lasse, werde versucht, mit einer Übersetzungsapp das aktuelle Problem zu verstehen und somit auch, wie dringlich das Anliegen ist. Ist es nicht dringlich, werde der Patient gebeten, Bekannte oder Angehörige zur nächsten Konsultation mitzubringen. «Im Wissen, dass dies je nach Problem nicht immer ideal ist», so Jungi.

Ansonsten versuche man, das eigene Netz oder Institutionen wie interkulturelles Dolmetschen zu aktivieren. «Falls sich niemand finden lässt oder der Patient damit nicht einverstanden ist, wird die Notfallanamnese mit der Übersetzungsapp erhoben. Das ist nicht ideal, nicht effizient, aber für die ganz seltenen dieser Fälle opportun», führt der Leiter Medizin, Innovation und Managed Care bei Sanacare aus.

Lediglich per Handzeichen zu kommunizieren, sei nur punktuell möglich. Denn es brauche auch immer die verbale Kommunikation, betont er.

Marc Jungi sind in der Schweiz keine Praxen bekannt, die nur deutschsprachige Patienten oder solche mit einer anderen Landessprache behandeln wollen.

Er hat eine klare Meinung zu diesem Vorgehen: «Ein Verbot für anderssprachige Patienten ist aus unserer Sicht diskriminierend und mit der Behandlungsphilosophie von Sanacare nicht vereinbar», sagt er. Mit etwas gutem Willen würden sich in der Regel Lösungen finden.

Dolmetscher ist eine Frage der Kosten

Auch bei Medbase, mit mehreren Praxis-Standorten in der ganzen Schweiz, soll die Sprache kein Hindernis sein. «Der Umgang mit Sprachbarrieren gehört für uns zum Alltag und wir sind gut darauf vorbereitet», sagt Isabel Gherbal, Leiterin Kommunikation, zu Nau.ch.

In vielen Fällen könne das medizinische Personal mit den Patienten in Englisch oder Französisch kommunizieren. «Zudem haben wir in den Teams der Medbase Medical Center viele Mitarbeitende, die weitere Fremdsprachen beherrschen und die sich beim Übersetzen gegenseitig unterstützen», so Gherbal.

In grösseren Teams könne man zudem viele weitere Sprachen abdecken.

Auch Gherbal erklärt, dass oft Angehörige oder andere Vertrauenspersonen als Übersetzer agieren würden. «Dabei ist es wichtig, dass wir die beteiligten Personen auf die Schweigepflicht hinweisen.»

In besonderen Fällen würden Dolmetscherdienste miteinbezogen. Hier stelle sich jedoch häufig die Frage der Finanzierung. Aktuell teste Medbase zudem ein spezielles Übersetzungstool für den Einsatz im medizinischen Umfeld.