Halleluja-Kolumnist: Hört bei Flüchtlingen die Menschlichkeit auf?

Sam Urech (35) aus dem Zürcher Oberland ist Halleluja-Kolumnist. Er schreibt auf Nau.ch das Wort zum Freitag.

Flüchtlingskrise an der griechischen Grenze. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Sam Urech aus dem Zürcher Oberland ist Halleluja-Kolumnist auf Nau.ch.
  • Schreiben Sie uns Ihre Meinung in den Kommentarspalten.
  • Den Autoren erreichen Sie für Fragen und Anregungen direkt per E-Mail unter sam@hiSam.ch.

Eine prima Sache, dass auf Nau.ch anonym kommentiert werden darf. So können sich auch jene Menschen zu Wort melden, die sich mit ihrem Namen lieber verstecken.

Bisher hatte mich noch nie ein Leserkommentar verletzt und ich dachte, das würde auch so bleiben. Dann aber der Schock am vergangenen Mittwoch!

In einem Nau-Artikel über die Flüchtlingskrise an der griechischen Grenze ist ein Bild mit einem Mädchen zu sehen (oben). Es wurde so kommentiert.

Ein User-Kommentar auf Nau.ch zum Bild des Mädchens. - Nau.ch

Dieser Satz bricht mir das Herz und gleichzeitig könnte ich kotzen! Wir sehen ein Kind, das anstehen muss, um Wasser zu bekommen.

Ein Kind, mitten in dieser scheusslichen Misere, umgeben von dieser Hoffnungslosigkeit und Angst.

Dieses Kind steht da – und was sehen wir? Propaganda.

Oder anders formuliert: «Die wollen uns manipulieren, damit wir die Grenzen öffnen. Aber es sind doch keine Kinder, die fliehen – nein, es kommen junge Männer: Terroristen, Vergewaltiger! Wehret Euch!»

Was ist nur mit uns passiert? Mit diesen 31 Personen, die diesen Wahnsinn liken? Ist uns die Menschlichkeit gänzlich abhandengekommen?

Warum sehen wir nicht einfach dieses traurige Kind, sondern denken sofort an uns und unsere Ängste?

Sam Urech ist Kolumnist auf Nau.ch. - zvg

Bomben sind easy, Corona nicht?

Wir nerven uns darüber, dass die Leute vor Bomben fliehen. «Ist das nötig? Die sollen doch da bleiben!», habe ich letzthin gehört.

Wir selber räumen aber jeden Grossverteiler leer, sobald uns eine Grippe erschreckt. Was für eine himmelschreiende Doppelmoral.

Umfrage

Wie gefällt Ihnen diese Kolumne?

Super!
52%
Geht gar nicht.
48%

Und diese Doppelmoral geht weiter. Ich bin froh, wenn Flüchtlingen geholfen wird, aber will ich mit ihnen meinen Kühlschrank teilen? Wohnt eine syrische Familie in unserer Wohnung? Nein.

«Lasst sie alle rein. Aber bitte bloss nicht zu mir nach Wetzikon.» Leider jagen mir manchmal tatsächlich solche Gedanken durch den Kopf. Wie erbärmlich!

Was denke ich als Christ dazu?

Es gibt kaum ein Thema, das uns so stark herausfordert. Mein Leitfaden bei schwierigen Fragen: Ich orientiere mich an christlichen Werten. Aber was bedeutet das?

Es gibt Parteien, wie die EDU, EVP und CVP, die einen christlichen Anspruch haben und doch oft mannigfacher Meinung sind.

Was also ist die richtige Einstellung gegenüber dieser Flüchtlingskatastrophe am griechischen Zoll? Stacheldrähte runter? Refugees Welcome? Kommt das gut?

Es sind Menschen. Keine Wellen oder Ströme!

Ich bin zum Glück kein Politiker und muss diese Entscheidungen nicht treffen. Ich schreibe über Menschlichkeit in meiner Kolumne, bevor ich den vollen Kühlschrank öffne. Dann ein Guinness herausnehme und im Bezahlfernsehen Fussball gucke.

Was ich weiss: Es ist wichtig, dass ich nicht an Flüchtlingsströme denke – sondern an Menschen. An Menschen, die offenbar so verzweifelt sind, dass sie ihre Heimat verlassen. Und hoffen, als Fremde in der Fremde ein neues Leben aufbauen zu können.

Sie hatten möglicherweise mehr Glück bei Gottes Auswahl Ihres Geburtkanals. Es hätte uns alle treffen können und wir wären jetzt auf der Flucht. Oder in Trümmern und Angst.

Lächeln, Respekt und Dankbarkeit

Es ist wichtig, dass wir keinem Menschen mit Hass begegnen. Schenken wir doch dem Fremden, den wir heute sehen, einfach mal ein Lächeln. Und denken wir nicht sofort an die Tausenden, die noch kommen könnten und an unsere Ängste.

Und zeigen wir unseren Politiker*innen Respekt und Dankbarkeit.

Dafür, dass sie sich Fragen annehmen, die ich nicht beantworten könnte. Und dafür, dass sie unser Land so führen, dass wir nicht fliehen müssen.

Zum Autor:

Sam Urech ist 35-jährig. Er ist verheiratet und Vater eines kleinen Jungen (2). Er hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet, ist heute Inhaber der Marketing-Agentur «RatSam».

Sam liebt seine Familie, Guinness, Fussball, Darts, den EHC Wetzikon, Preston North End und vor allem Jesus Christus. Sam schreibt wöchentlich auf Nau.ch über seine unverschämt altmodischen Ansichten.

Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu diesem Text in die Kommentarspalten!