So meistert die Post die Päckli-Schwemme
7,3 Millionen Päckli fanden vor und nach Black Friday den Weg zum Kunden – Rekord. Und der nächste steht bevor. Die Reportage aus dem Paketzentrum Härkingen SO.
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Nau.ch - In der Paketverarbeitung arbeitet im Dezember 50 Prozent mehr Personal.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Paketzentrum der Post in Härkingen geht dieser Tage sprichwörtlich die Post ab.
- Am 1. Dezember beförderte die Post schweizweit über eine Million Pakete.
- Normalerweise wird diese Menge erst Mitte Dezember erreicht.
Mittwoch, 2. Dezember, 6.45 Uhr vor dem grössten Paketzentrum der Post in Härkingen. Die gelben Lieferwagen stehen in Reih und Glied. Ein Teil ist bereits beladen. Rund 330 Päckli haben Platz in einem Fahrzeug, je nach Grösse der Päckli.
1999 wurde das Paketzentrum Härkingen zeitgleich mit denjenigen in Frauenfeld TG und Daillens VD gebaut. Konzipiert für 40 Fahrzeuge, die pro Tag Päckli ausliefern. Heute sind es 100.
Im Innern geht es zu und her wie in einem Bienenhaus. Mund und Nase von einer schwarzen Schutzmaske mit glitzerndem Totenkopf bedeckt, belädt Leila Meier mit einem Kollegen einen Lieferwagen. Es ist eine Wissenschaft. Das erste Päckli ihrer Tour muss als letztes geladen werden.
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Nau.ch - In der Zustellung müssen die Abläufe eingespielt sein.
Seit 13 Jahren arbeitet die lilahaarige Meier in Härkingen als Paketbotin. «So etwas hat es noch nie gegeben», sagt sie. Seit März und dem Lockdown gibt es kein Durchschnaufen und jetzt steht Weihnachten vor der Tür. Aber: «Man überlebt es.»
Corona beschleunigte Paket-Boom zusätzlich
33'000 Päckli werden die Boten an diesem Tag in der Grossregion ums Paketzentrum zustellen. Normalerweise sind es 20'000. Wobei, was heisst schon normal. Corona katapultierte die stetig steigende Entwicklung der Paketmenge von heute auf morgen zwei Jahre nach vorne.
Apropos Corona: Die Ausfälle aufgrund von Quarantäne oder Isolation sind überschaubar. Seit Mitte November herrscht bis zu den Weihnachtstagen Feriensperre. «Wenn man schon mehrere Jahre bei der Post ist, dann weiss man einfach, dass man im Dezember mehr arbeiten, mehr geben muss.»
Das sagt Manfred Ramseier, der Leiter der Distributionsbasis Härkingen. Er hat 200 Mitarbeiter unter sich, im letzten Monat des Jahres sind es 235. Die Stimmung in der Belegschaft sei gut. «Es kippt erst, wenn wir viele Ausfälle haben und Touren zusammenlegen müssen.»
Vorbei an Laufbändern geht es von Ramseiers in Lindeggers Reich. Beat Lindegger ist stellvertretender Leiter des Paketzentrums. Dass die Paketschwemme zugestellt oder in ein weiteres der insgesamt acht Zentren weiterverteilt werden kann, muss sie hier sortiert werden.
Rhythmus 21/6
60 Prozent der Päckli findet den Weg nach Härkingen auf der Schiene, der Rest auf der Strasse. Viele fleissige Hände speisen sie in den fast vollständig automatisierten Verarbeitungsprozess ein. Lediglich fünf Prozent der Pakete werden manuell codiert, weil beispielsweise die Adresse für die Maschine nicht lesbar ist.
Im «Rush Month», wie man den Monat vom Black Friday bis zu Weihnachten in der Paketverarbeitung nennen könnte, laufen die Maschinen sechs Tage die Woche von 6 Uhr morgens bis 3 Uhr des nächsten Morgens. 21 Stunden. Diese wird in zweieinhalb Schichten aufgeteilt. Dann drei Stunden Wartung und wieder geht es von vorne los.
25'000 Pakete pro Stunde vermag das Zentrum zu sortieren. «Wir haben eine Kapazitätsgrenze von einer halben Million pro Tag», sagt Lindegger. Am Vortag zeigte der Zähler 436'000. Schweizweit beförderte die Post über eine Million Päckli.
Normalerweise wird die Millionen-Schallmauer erst Mitte Dezember geknackt. Auch heuer rechnet die Post am 15. Dezember mit dem Höchststand an Paketen. Um den Unmengen Herr zu bleiben, wird die Zahl der Mitarbeiter um 50 Prozent erhöht. Von 400 auf 600.
«Wir bolzen nicht Überzeit. Letztes Jahr hatten wir um die 100 zusätzliche Mitarbeiter, nun das Doppelte. Wir planen sehr vorsichtig und halten die Vorgaben punkto Arbeitszeit ein», klärt Lindegger auf.
Nach dem Rekord ist vor dem Rekord
Die Gewerkschaft Syndicom warnte Mitte Dezember vor dem drohenden Kollaps in der Logistik. «Nein, es läuft nicht auf einen Kollaps hinaus», stellt Lindegger klar. Die Post sei so gut vorbereitet wie nie. Seit dem Lockdown übernimmt der Briefsektor die kleinen Pakete. Klein bedeutet in etwa bis zur Grösse des klassischen Milchkastens.
Emam Amir ist seit fünf Jahren in Härkingen. Wenn Loyalität einen Namen trüge, es wäre der Seine. «Ich bin hier zu Hause. Wir sind wie eine Familie, alle Mitarbeiter sind meine Geschwister.»
Der gebürtige Ägypter ist mittlerweile in einer leitenden Funktion. 35 Nationen arbeiten im Paketzentrum. Die Erfahrung vieler Angestellter würde die Sprachbarrieren überwinden, so Amir.
7,3 Millionen Pakete beförderte die Post zwischen 23. November und 1. Dezember. Das ist Rekord.
Kurz nach Weihnachten wird die Post einen weiteren Rekord vermelden. Das steht bereits fest. 2019 stellte die Post vom 25. November bis 24. Dezember über 18,6 Millionen Päckli zu. Diese Marke wird im Corona-Jahr sicher gebrochen.
«Es kann gewisse Rückstände in der Produktion geben», sagt Beat Lindegger. Für den Kunden bedeute das im schlimmsten Fall eine Verzögerung der Paketzustellung von einem Tag.
Emam Amir und Leila Meier stehen körperlich strenge Wochen bevor. Erst ab Weihnachten werden sie wieder etwas durchatmen können. Die Mitarbeiter in Härkingen wissen das. Amir sagt: «Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.»