Swiss: Flugbegleiter klagen über Erschöpfung
Im «10vor10» packen Flugbegleitende aus. Sie berichten von Erschöpfung, die ihre Arbeit beeinträchtigt und einem Management, das ihnen nicht mehr vertraut.
Das Wichtigste in Kürze
- Aufgrund der Coronakrise ist die Überbelastung des Swiss-Kabinenpersonals gestiegen.
- Das Management hat mit vom Personal als «unangenehm» bezeichneten Massnahmen reagiert.
- Swiss will den Personalmangel bis Sommer 2023 entschärfen.
Flugbegleitung hat seit der Coronakrise den Status als Traumjob verloren. Insbesondere bei der Airline Swiss: Vor der Kamera des «10vor10» packen Crew-Mitglieder anonym aus. Überbelastung, Erschöpfung und unverständliche Massnahmen von der Teppichetage hätten die letzten Jahre gekennzeichnet.
So hätten etwa sogenannte «Fatigue»-Reporte zugenommen. Leiden die Flugbegleitenden unter «Fatigue», heisst das, sie können sicherheitsrelevante Aufgaben im Flugzeug nicht mehr erledigen. Zu erschöpft sind sie und müssen sich abmelden.
Fatigue führe zu einer grösseren Fehlerquote während der Arbeit, wie ein Flugbegleiter erzählt. Das könne speziell bei einem medizinischem Notfall fatal sein, so seine Mitarbeiterin. Wie die Gewerkschaft mitteilt, haben sich solche Reporte bis zu verdreifacht.
Fatigue nimmt auch auf Kurzstrecken-Flügen zu
«Speziell letztes Jahr, als in die Übernachtungen im Westen der USA auf eine reduziert wurden», so David Martinez, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Kapers. Weil das Flugzeugpersonal weniger Zeit hatte, um sich vom Flug zu erholen, reichten vermehrt Crew-Mitglieder solche Rapporte ein. «Wir stellen jetzt auch Unregelmässigkeiten auf den Kurzstrecken fest», erzählt Martinez weiter. «Da muss die Swiss handeln.»
Mittlerweile wurden die Übernachtungen aber wieder auf zwei Nächte erhöht, wie SRF berichtet. Aber nicht nur aufgrund der Erschöpfung hätten viele Angestellte gefehlt: Eine Flugbegleiterin erzählt, wie sich zahlreiche Mitarbeitende mit dem Coronavirus ansteckten. Die noch dünner besetzten Crews verschärften die Lage zusätzlich.
Das Management von Swiss reagierte im März dieses Jahres mit einer E-Mail an alle Angestellten. Sollte eine Person häufig aufgrund von Erkrankung fehlen, drohe etwa eine «individuelle Reduktion der Arztzeugnisfrist auf einen Tag». Zudem müsse zwingend ein «Healthcare»-Gespräch mit Personen erfolgen, bei welchen «qualifizierte Auffälligkeiten» bei Absenzen bemerkbar seien.
«Das ist sehr unangenehm», berichtet die Flugbegleiterin. «Da steht man unter Generalverdacht, dass man die Firma bescheissen will.» Man getraue sich als Angestellte kaum mehr, sich krankzumelden.
Swiss-Kabinenpersonal in Umfrage sehr unzufrieden
Swiss hat im März die «Insights» des Unternehmens ihren Arbeitnehmenden präsentiert. Die Bewertung der Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist beim Kabinenpersonal sehr tief ausgefallen. Zudem hat das Personal die Entscheidungen der Swiss-Geschäftsleitung klar negativ bewertet. Grund dafür sei hauptsächlich die Einführung eines neuen Services in der Business-Class gewesen, sagen Gewerkschaft und ein Mitarbeitender.
Die Personalknappheit will Swiss mit einer Grossrekrutierung von 800 neuen Crew-Mitgliedern bekämpfen. Dies will die Fluggesellschaft bis Mitte nächsten Jahres umsetzen. Sie bekräftigt zudem, nach den Verträgen mit den Sozialpartnern und den gültigen Gesetzen zu operieren. Ausserdem will Swiss bis Anfang 2023 die Krisenmassnahmen aufgrund des Coronavirus schrittweise abbauen.
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) sagte gegenüber SRF, dass bei den offiziell gemeldeten Fällen «keine Anhaltspunkte» eines signifikanten Fatigue-Problems festzustellen seien. Für sicherheitsrelevante Risiken aufgrund von Erschöpfung gebe es «keine Anzeichen».