«Haus des flüssigen Goldes» ist eine böse Gesellschaftssatire

Der österreichische Autor Clemens Berger stellt mit seiner Satire die Absurditäten unserer Gesellschaft infrage.

Clemens Berger hat Muttermilch ins Zentrum seiner Satire «Haus des flüssigen Goldes» gestellt. (Symbolbild) Peter Endig/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Ein Buch, in dem Muttermilch die Hauptrolle spielt? Der österreichische Autor Clemens Berger hat eine Geschäftsidee rund um das Abpumpen und Verkaufen überschüssiger Muttermilch ins Zentrum seiner Satire «Haus des flüssigen Goldes» gestellt, und stellt damit die Verrücktheiten unserer Gesellschaft gekonnt an den Pranger.

Die clevere Geschäftsfrau Clarissa bietet in ihrer Abfüllanlage für Humanmilch nicht nur alle technischen Raffinessen. Sie hat auch die Idee des Wettbewerbs in ihr Angebot integriert: Jene Muttermilch mit den besten Inhaltsstoffen wird am teuersten angeboten, den Preis regelt die Nachfrage.

Aktuell steht die alleinerziehende Mutter Maya ganz hoch im Kurs. Als Eigenmilchproduzentin verdient sie mehr als das Zehnfache als in ihren bisherigen Gelegenheitsjobs. Reiche Kunden reissen sich um ihre Milch.

Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten – wäre da nicht ein Milchpulverengpass, der Proteste auf den Plan gerufen hat: Während draussen die Babys der Unterprivilegierten verhungern, wird im «Haus des flüssigen Goldes» der Kapitalistennachwuchs durchgefüttert, so der Vorwurf von Demonstranten, die vor dem Unternehmen und im Internet mobil machen.

Social Media: Fluch oder Segen?

Social-Media spielen überhaupt eine wichtige Rolle in dem Roman. Unübersehbar hat sich Autor Clemens Berger mit der eskalierenden Problematik der Babynahrung nur ein besonders absurd wirkendes Beispiel für die Auswüchse einer Welt gesucht, in der Follower alles und persönliche Zuwendung nichts mehr bedeuten.

In kurzen Kapiteln dreht er das Geschehen rasant weiter – und lässt Maya mit einer einzigen spontanen, aber millionenfach im Internet geteilten Geste von der Buhfrau zur gefeierten Ikone der Mitmenschlichkeit aufsteigen.

Plötzlich wird sie von Influencerinnen, Rappern und Fussball-Weltstars umworben und taucht in eine Welt ein, deren Irrwitz der Autor mit besonderer Detailfreude ausmalt. Doch in der Welt der sozialen Medien kann sich alles innerhalb von Minuten und mit einem einzigen Video, echt oder gefälscht, wieder ins Gegenteil drehen.

Frauen als Produzentinnen eines natürlichen Rohstoffes

In ihrem Roman «Und alle so still» hat sich die Salzburgerin Mareike Fallwickl im Frühjahr ein Szenario ausgedacht, in dem Frauen mit Verweigerung von Care-Arbeit den Anstoss zu einer grossen gesellschaftlichen Veränderung geben. Bei Clemens Berger setzen Frauen als Produzentinnen eines natürlichen Rohstoffes Dinge in Gang, die unkontrollierbar scheinen.

Das wird böse ausgehen, denkt man sich die längste Zeit bei der Lektüre. Doch am Ende gibt es eine finale Volte und doch noch Hoffnung. Dann wird die böse Satire um stillende Frauen zum Ammenmärchen.