Affenpocken: Doch noch eine BAG-Kampagne für Schwule
Die Fälle mit Affenpocken seien primär bei Männern aufgetreten, die Sex mit Männern hatten, so das BAG. Nach anfänglichem Zögern gibt es nun eine Kampagne.
Das Wichtigste in Kürze
- Ansteckungen mit Affenpocken scheinen bei homosexuellen Männern besonders häufig zu sein.
- Einzelne Länder sprechen die Risikogruppen explizit an.
- Das BAG lanciert nach anfänglichem Zögern eine gezielte Präventionskampagne.
Warum aktuell gehäuft Ansteckungen mit Affenpocken ausserhalb der üblicherweise betroffenen Länder in West- und Zentralafrika auftreten, ist noch unklar. Schon letzte Woche stellten die Gesundheitsbehörden verschiedener Länder fest, dass es sich bei den Patienten fast ausschliesslich um Männer handelte. Die WHO formuliert es so: hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich, Männer, die Sex mit Männern haben.
Braucht es Affenpocken-Kampagne für Homosexuelle?
Die Formulierung «Männer, die Sex mit Männern haben» oder MSMS wird gemeinhin auch bei Präventionskampagnen gegen sexuell übertragbare Krankheiten verwendet. Denn sie schliesst nebst Homosexuellen auch Bisexuelle mit ein. Vor allem aber auch heterosexuelle Männer, die sporadisch mit anderen Männern Sex haben, also nur bedingt in der Gay-Szene verkehren.
Letztere Gruppe stand auch schon im Fokus von HIV/Aids-Kampagnen des BAG. Aktuell sei aber keine Präventionskampagne zu Affenpocken geplant, hiess es noch letzte Woche auf Anfrage. Eine Information innerhalb der Community habe stattgefunden und die Community-spezifischen Test- und Behandlungszentren seien sensibilisiert und sehr gut vorbereitet. Auf der BAG-Website gebe es laufend aktualisierte, verständliche Informationen für die Bevölkerung.
Deutschland spricht Schwule explizit an
Die verschiedenen Länder mit Fällen von Affenpocken gehen die Präventionsarbeit indes unterschiedlich an. So wandte sich der Gesundheitsminister Deutschlands, Karl Lauterbach, in einer Rede am WHO-Sitz in Genf, explizit an die MSM. Im gleichen Satz warnte er aber auch vor einer Stigmatisierung dieser Gruppen. Genau dies befürchten aber Experten und warnen vor kontraproduktiven Folgen: Aus Angst vor Beleidigungen würden etwa Personen mit Symptomen gar nicht zum Arzt gehen.
Die US-Seuchenbehörde CDC sah sich gar genötigt, der Bevölkerung zu erklären, dass sich heterosexuelle Menschen ebenfalls anstecken können. Schliesslich machen Viren keinen Unterschied bezüglich sexueller Präferenzen ihrer Wirte.
Affenpocken: Gratwanderung bei Präventionskampagne
Zwar trete ein Grossteil der bisherigen Fälle in Europa bei MSM auf, stellt das BAG klar. Doch seien Affenpocken nicht eine sexuell übertragbare Erkrankung im eigentlichen Sinn. Und: «Es gibt bisher keinen Nachweis, dass das Affenpockenvirus über Samenflüssigkeit oder Scheidensekret übertragen wird.»
Damit wurde bis zum Wochenende begründet, warum es keine spezifische Kampagne gegen Affenpocken brauche für Homosexuelle. Denn: «Die Vorsichtsmassnahmen müssen also von allen Menschen gekannt und angewendet werden.» Doch kurz darauf startet nun das BAG zusammen mit der Aids-Hilfe Schweiz und ihren Community-Partnern eine Social-Media-Offensive.
Kritik an BAG-Kampagne
Die Retourkutsche liess nicht lange auf sich warten. Zwar hat das BAG auch die Schwulen-Organisation Pink Cross mit im Boot. Zwar lautet der Titel der Mitteilung «Affenpocken: Keine Stigmatisierung von schwulen und bisexuellen Männern». Doch die Kritik am expliziten Ansprechen der homosexuellen Risikogruppe folgte gleich auf mehreren Ebenen.
Angefangen beim Sujet: Affen-Emojis seien kaum hilfreich dabei, eine Krankheit ernst zu nehmen. Aber auch der fehlende Impfstoff und das nicht zugelassene Affenpocken-Medikament seien jetzt wohl wichtigere Ansätze. Befürchtet wird auch, dass gerade eine solche Kampagne zu Stigmatisierung beitrage. Es entstehe der Eindruck, dass Affenpocken auch künftig nur bei Schwulen auftreten könnten.
Diese Gefahr sieht nun auch GLP-Nationalrätin Katja Christ und will Antworten vom Bundesrat. Warum der Bund aufgrund der ersten vier Fälle ein erhöhtes Risiko für MSM sieht, erschliesst sich ihr nicht. Gesundheitsminister Alain Berset soll Stellung nehmen zur Gefahr der Stigmatisierung durch die Kommunikation des Bundes. Denn entgegen der europäischen Gesundheitsbehörde analysiert das BAG: «Es scheint, dass MSM momentan ein zusätzliches Risiko einer Ansteckung haben.»