Coronavirus: SVP-Chef Marco Chiesa will Sputnik-Offensive
SVP-Präsident Marco Chiesa sagt, wie seine Partei ab März die Corona-Massnahmen lockern will. Der Tessiner pocht auf die Beschaffung des russischen Impstoffs.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 17. Februar entscheidet der Bundesrat über allfällige Lockerungen des Lockdowns.
- SVP-Präsident Marco Chiesa skizziert im Interview, wie diese aussehen könnten.
- Der Tessiner fordert den Bundesrat auf, den russischen Impfstoff Sputnik zu beschaffen.
Nau.ch: Herr Chiesa, die SVP fordert via Petition ein Lockdown-Ende. Was passiert mit diesen fast 200'000 Unterschriften?
Marco Chiesa: Der Bundesrat will den Lockdown weiterführen, aber niemand weiss wie lange. Das muss jetzt aufhören, spätestens ab 1. März müssen die Menschen wieder einigermassen normal leben können. Dass die Petition so grossen Zuspruch findet, ist ein starkes Zeichen, dass wir nicht länger alles dem Virus unterordnen können. Wir haben ein Recht und eine Pflicht, wieder zu leben und zu arbeiten.
Nau.ch: Was passiert mit dem Geld, das Sie für die Petition sammeln?
Marco Chiesa: Dieses wird ausschliesslich für die Stop-Lockdown Kampagne verwendet. Wir haben die Organisation übernommen, die Idee stammt aber aus der Zivilgesellschaft. Es sind bei weitem nicht nur SVP-Sympathisanten, welche die Petition unterschrieben haben. Auch mutige und aktive Jungfreisinnige sind an Bord. Ich hoffe, bald etwas von der FDP zu hören. Offensichtlich liegt sich diese aber mit ihren Bundesräten in den Haaren.
Nau.ch: Oder den Freisinnigen ist die epidemiologische Lage wie vielen anderen noch zu heikel.
Marco Chiesa: Wir befinden uns nun seit Wochen in einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schützengraben. Jene, die einen Endlos-Lockdown propagieren, werden medial als Helden gefeiert. Und die SVP, welche sich für eine sorgfältige Rückkehr zur Normalität ausspricht, wird dafür scharf kritisiert. Dieses Denkmuster muss aufhören.
Nau.ch: Sie schauen sehr einseitig auf die Wirtschaft.
Marco Chiesa: Die Wirtschaft ist alles und nichts. Wirtschaft bedeutet Arbeitsleben, Perspektive und Ausbildung. Es darf nicht sein, dass wir über Monate hinweg kaum soziale Interaktion haben. Wenn das alles plötzlich fehlt, ist das definitiv nicht gut für die Gesundheit der Menschen. Im Januar gab es 40 Prozent mehr Arbeitslosigkeit als im Vorjahr. Das ist erschreckend. Vor allem, weil viele Junge betroffen sind.
Nau.ch: Die Fallzahlen sinken zwar, doch die Mutation ist auf dem Vormarsch. Und der R-Wert ist nahe bei 1. Ist eine Öffnung nicht fahrlässig?
Marco Chiesa: Ganz ehrlich: Diese unzuverlässigen R-Werte gehören abgeschafft oder zumindest nicht mehr publiziert. ETH und BAG haben sich nun mehrere Male massiv verrechnet.
Auf der Basis dieses Zirkus’ darf der Bundesrat keine solch schwerwiegenden Entscheide fällen. Und Mutationen sind nun mal ein Teil dieses Virus. Man weiss, dass Impfungen trotzdem funktionieren. Es ist unhaltbar, wegen einer Mutation und theoretischen Schreckens-Szenarien das ganze Land lahmzulegen.
Nau.ch: Mittlerweile spricht sogar Gewerkschaftsboss Maillard von Lockerungen. Ist der Druck nun gross genug? Wird der Bundesrat öffnen?
Marco Chiesa: Ich bin froh, ist Herr Maillard etwas vorausschauender geworden. Und ich hoffe, dass er im linken Lager mit dieser Sicht nicht alleine ist. Die Gewerkschaften wollten bisher immer schliessen, schliessen, schliessen. Nun merken sie offenbar, dass die Arbeitnehmenden dafür am Ende den Preis bezahlen. Die Arbeitslosenzahlen sind ja bekannt.
Nau.ch: Welche Regeln schweben ihnen denn vor für wieder geöffnete Beizen?
Marco Chiesa: Restaurants haben schon Millionen in Schutzkonzepte investiert. Man muss vernünftig sein, in kleinen Schritten zurück zur Normalität gehen. Neben den bestehenden Massnahmen macht die Vier-Personen-Regel in der aktuellen Situation wohl Sinn. Eine Öffnung bis um 23 Uhr erscheint mir problemlos möglich. Diese Regeln würden sowohl die Branche als auch die Gäste in einer ersten Phase akzeptieren. Die Öffnung von Läden stellt ebenfalls kein grosses Problem dar. Warum soll in einem Schuhgeschäft nicht funktionieren, was im Lebensmittelladen geht?
Nau.ch: Wie kann im Falle einer Öffnung die Gesundheit der Älteren geschützt werden? Noch sind ja nicht alle geimpft.
Marco Chiesa: Was wir seit Frühling 2020 fordern: die Bewohner der Alters- und Pflegeheime müssen konsequent geschützt werden, das Pflegepersonal muss sich regelmässig testen. Priorität hat zudem die Impfstrategie. Da sind wir definitiv keine Vorbilder. Das BAG von Alain Berset hat viel zu wenig Impfstoff gekauft – und wohl auch den falschen.
Nau.ch: Sie sprechen die begrenzte Wirksamkeit von Astrazeneca an.
Marco Chiesa: Ja. Das Astrazeneca-Vakzin wurde noch nicht von Swissmedic zugelassen, sieht weniger wirksam aus und wir haben Millionen Dosen davon gekauft. Das BAG sollte umgehend den russischen Sputnik-Impfstoff prüfen. Er scheint sehr effektiv und auch preiswert zu sein. Wenn wir Leben retten möchten, braucht es nun Vollgas alle Gelegenheiten ohne Vorurteile zu sichern.
Umfrage
Sollte die Schweiz auch auf den russischen Impfstoff Sputnik setzen?
Nau.ch: Werden Sie sich impfen lassen?
Marco Chiesa: Ja, natürlich. Mein Hausarzt wird mich diesbezüglich beraten, wenn ich an der Reihe bin. Ich nehme alle Impfstoffe, sobald sie durch Swissmedic zugelassen sind.
Nau.ch: Die SVP macht in der Corona-Krise knallharte Oppositionspolitik. Ihr Fraktionschef fordert gar den Rücktritt des Gesundheitsministers. Sind Sie sich hier einig?
Marco Chiesa: Nein, persönlich finde ich Rücktrittsforderungen verfrüht. Alain Berset wird seine Position, alles zu schliessen, deshalb kaum ändern. Es braucht einen Ruck im gesamten Bundesrat. Ich hoffe, die bürgerlichen Bundesräte werden vernünftig. Vor allem FDP und die Mitte sind in der Corona-Frage aber tief gespalten.
Nau.ch: Während Sie die Regierung kritisieren, führen SVPler wie Bundespräsident Guy Parmelin oder die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli das Land durch die Krise. Machen Sie aus SVP-Sicht einen guten Job?
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YouTube / @SVP des Kantons Zürich - SVP-Bundesrat Guy Parmelin sprach seiner Partei an der Albisgüetli-Tagung ins Gewissen.
Marco Chiesa: Unsere Exekutiv-Mitglieder müssen das Kollegialitätsprinzip einhalten, so funktionieren unsere Regierungen. Parteien haben eine ganz andere Rolle in unserer Demokratie. Und ich gehe davon aus, dass unsere Politik dank unseren Vertretern auch in jene der Regierungen einfliesst. Ich erinnere gerne daran, dass wir als erste Partei auf Masken, Schnelltests, Schutz der Risiko-Gruppen und Grenzkontrollen setzten. Meine Vize-Präsidentin Magdalena Martullo-Blocher wurde vor weniger als einem Jahr dafür verspottet, eine Maske zu tragen.
Nau.ch: Die Abstimmungen sind neben der Pandemie etwas in den Hintergrund geraten. Starten die SVP noch eine Offensive?
Marco Chiesa: Ich mache mir Sorgen um das Indonesien-Abkommen. Hier müssen wir noch besser erklären, warum dieser Freihandels-Deal im Interesse der Schweizer Arbeitsplätze ist. Indonesien ist ein grosser Markt und dieses nachhaltigen Abkommen könnte zum Vorbild für viele weitere werden. Beim Burka-Verbot gehe ich von einem deutlichen Ja aus, wie es in einer zivilisierten Gesellschaft zu erwarten ist.